Die Aktienkurse machen Bockssprünge wie selten zuvor. Während Banken routiniert zum Kauf von Wertschriften raten, unternimmt finews.ch die etwas andere Börsenschau.

Für die Banken sprudeln die Courtagen nicht zu knapp. Angesicht der aktuellen Börsenkapriolen sind ihre Dienste gefragt – am (gestrigen) Donnerstag berichtete die grösste Schweizer Online-Bank Swissquote bereits freudig, sie habe das «Momentum» des ausgezeichneten Vorjahrs ins 2022 mitnehmen können. Hiesigen Vermögensverwaltern und Privatbanken dürfte es ähnlich ergehen.

Dabei ist augenscheinlich, dass Anleger und ihre Berater in den letzten Wochen Neuland an den Börsen betreten haben. Denn der Handel wird von Risiken und Chancen bestimmt, die entweder jahrelang abwesend waren, in kaum je gesehener Häufung auftreten oder schlicht so noch nicht dagewesen sind.

«This time it’s different», geht ein Börsen-Sprichwort, das sich meist als trügerisch erweist. Doch diesmal könnte es zutreffen, wie folgende acht Überlegungen zeigen:

1. Zaghafte Zinswende
 
Angesichts des Ukraine-Konflikts, der laufenden Börsenkorrektur und sich verschlechternder Wirtschaftsdaten werden Notenbanken auf absehbare Zeit wohl einen weniger aggressiven Ansatz verfolgen als vor kurzem noch erwartet. Das hat sich bereits diese Woche gezeigt: In den USA erhöhte die Fed ihren Leitzins trotz Inflationsraten auf 40-Jahreshoch um nur 25 Basispunkte. Damit gibt die amerikanischen Zentralbank den Takt vor, nach dem sich westliche Währungshüter zu richten haben.

Dem sogenannten Dotplot-Chart zufolge zeichnen sich für das laufende Jahr sechs weitere Zinserhöhungen in den Vereinigten Staaten ab. Diese Zinsschritte scheinen am Markt aber bereits eingepreist zu sein. In den nächsten Wochen dürfte die Fed eine tendenziell vorsichtige Zins-Rhetorik wählen, zumal sie kaum riskieren will, durch zu forsche Zinsschritte den Konjunktur-Motor abzuwürgen.

2. Wenn das Öl die Wirtschaft nicht mehr schmiert
 
Einerseits inflationstreibend, andererseits belastend für die Realwirtschaft wirken insbesondere die hohen Energie- und Rohstoffpreise. Speziell Öl ist weiterhin das Schmiermittel der Weltwirtschaft. Nach Ansicht vieler Experten dürften die Ölpreise noch für längere Zeit auf hohem Niveau verharren. Zuletzt stiegen die Ölnotierungen wieder um rund 7 Prozent, nachdem die Internationale Energieagentur (IEA) am vergangenen Mittwoch gewarnt hatte, dass der Markt ab nächstem Monat pro Tag 3 Millionen Barrel an russischen Öllieferungen verlieren könnte.
 
Zwar wirken die derzeit hohen Ölnotierungen nachfrage- und wachstumshemmend. Durch einen Angebotsschock aus Russland läuft die Wirtschaft jedoch Gefahr, in einen Versorgungsengpass zu geraten. «Sowohl das Angebot als auch die Nachfrage leiden, aber das Angebot leidet derzeit mehr, und für die kommenden zwei Quartale ist mit einem angespannten Ölmarkt zu rechnen», stellte die IEA warnend in Aussicht.

3. Für einmal gibt nicht die Wall Street den Takt an

Die wirtschaftlichen Probleme durch steigende und möglicherweise dauerhaft hohe Energie- und Rohstoffpreise sowie unterbrochene Lieferketten treffen Europa besonders schwer. Auch die Folgen der Sanktionen gegen Russland machen europäischen Unternehmen stärker zu schaffen als jenen in den USA. Als Absatzmarkt spielen Russland und die Ukraine zwar keine grosse, aber eben auch keine komplett zu vernachlässigende Rolle für den Kontinent.

Laut einer Umfrage des Deutschen Industrie und Handelskammertages (DIHK) rechnen rund 60 Prozent der deutschen Firmen mit zusätzlichen Störungen in der Lieferkette und Logistik als Folge des Krieges. So hat etwa das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) seine Konjunkturprognose für Deutschland 2022 fast halbiert und rechnet nur noch mit einem BIP-Wachstum von 2,1 Prozent statt zuvor 4 Prozent. Zum Vergleich: In der Schweiz erwartet das Staatssekretariat für Wirtschaft noch mit einem Konjunktur-Plus von 2,8 statt zuvor 3 Prozent.

4. Staatlich manipulierte Börsen

Wohl in dieser Intensität selten gesehen ist die staatlichen Beeinflussung des Börsengeschehens. So hat Russlands Zentralbank in einer ersten Reaktion auf die westlichen Sanktionen den Verkauf von russischen Wertschriften an ausländische Investoren verboten; damit ist deren Handel faktisch festgefroren. Besonders hart getroffen wurde in der Finanzbranche, wer viele Eisen gegenüber Russland im Feuer hat – der US-Fondsriese Blackrock etwa musste deswegen Wertanpassungen bei Kundenvermögen in der Höhe von 17 Milliarden Dollar vornehmen.

Atemberaubend nimmt sich auch die Berg-und-Tal-Fahrt der chinesischen Börsen aus. Stürzten am vergangenen Dienstag die Kurse am Hongkonger Leitindex Hang Seng so stark ab wie nie seit dem Jahr 2008, legten sie am folgenden Mittwoch so stark zu wie seit 14 Jahren nicht mehr. Dies, nachdem die chinesische Regierung wohl auch angesichts des Ausverkaufs von China-Titeln schnell verlauten liess, die Regulierungs-Schraube bei örtlichen Grosskonzernen nicht so vehement anzuziehen wie geplant.

5. Finanzprodukte verstärken den Herdentrieb

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
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