Der tiefe Fall der Kryptobörse FTX hat das Anlegervertrauen schwer erschüttert. Für traditonelle Finanzhäuser mit Krypto-Dienstleistungen könnte das Debakel indes eine Chance darstellen, findet finews.ch.

Heute vor einem Jahr herrschte in der Krypto-Szene Partystimmung. Im November 2021 stand die Gesamtmarkt-Kapitalisierung von Krypto-Währungen bei einem Allzeithoch von rund 3 Billionen Dollar, der Bitcoin bei gut 65’000 Dollar. Es schien, als sei das goldene Zeitalter für digitale Vermögenswerte angebrochen.

Ein Jahr später hat sich die Jubelstimmung in Katzenjammer verkehrt. Der Bitcoin ist mittlerweile etwa 70 Prozent gefallen, Altcoins teilweise noch mehr. Vom Enthusiasmus und mitunter grenzenlosen Optimismus spürt man dieser Tage nichts mehr. Auch der Hochmut, den einige exzentrische Krypto-Promis im Zuge der letztjährigen Hausse noch an den Tag legten, ist mehr oder weniger verflogen. Statt neue Allzeitrekorde prägen nun Pleiten, Skandale, Verluste und Entlassungen den grauen Alltag. Eine Eiszeit hat sich über die Krypto-Landschaft gelegt.

Gefallener Krypto-Engel

Investoren, die vor kurzem in der Hoffnung auf historisch hohe Renditen noch Milliarden von Dollar in vielversprechende und riskante Startups und Protokolle steckten, sind dieser Tage Mangelware. Und einstige Wunderkinder wie Sam Bankman-Fried «SBF», der Gründer der Krypto-Börse FTX, stehen nun als gefallene Engel da. Stellvertretend für den letztjährigen Überschwang in der Krypto-Industrie steht eine seiner Aussagen in der britischen Zeitung «Financial Times», auch wenn sie letztlich der Persönlichkeit SBF nicht ganz gerecht wird.

So meinte der 30jährige Amerikaner damals, dass eine Übernahme von Goldman Sachs und der CME Group «nicht ausgeschlossen ist», wenn FTX die Konkurrenz von Binance und Coinbase schlägt. Dazu wird es jetzt nicht mehr kommen.

Sein Firmenimperium ist innert weniger Tage in einem atemberaubenden Tempo kollabiert, nachdem er keine neuen Geldgeber gefunden hat. Sein vorläufiger Deal zum Verkauf seiner Börse an den Rivalen Binance und den ebenfalls milliardenschweren CEO Changpeng Zhao ist schnell gescheitert. In der Stunde der Not zeichnet sich für die einstige Krypto-Ikone weit und breit kein Retter ab. Dabei waren er und FTX im diesjährigen Krypto-Crash, wenn auch nicht ganz uneigennützig, Branchenachbarn wie Blockfi und Voyager Digital noch zu Hilfe geeilt. 

Kein Retter in Sicht

Allerdings entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet SBF sich in Washington wiederholt für eine stärkere Regulierung von Krypto-Währungen ausgespochen hat. Und vor wenigen Monaten warnte er noch vielsagend, dass einige Krypto-Börsen insolvent seien. Ein Schicksal, das nun FTX zu ereilen scheint.

Der Wuschelkopf hat sich mit seinem Tradinghaus Alameda Research schlichtweg selbst kräftig verzockt, treffender gesagt wohl verhebelt, indem er gleichzeitig ein Hedgefonds-Geschäft und eine Börse betrieb, gestützt durch den FTX-eigenen Token FTT, der einen Grossteil der Bilanz von Alameda ausmachte.

Ein klassischer Bank Run

Wenn der FTT-Token fallen würde, so dämmerte es Anlegern zu Wochenbeginn, würde auch der Wert von Alameda sinken. Als die Investoren das Vertrauen verloren, setzte der Ansturm auf die Börse ein, ein klassischer Bank Run. FTX sah sich mit einem grossen Liquiditätsengpass konfrontiert, da es keine Möglichkeit gab, all die Nutzer zu bezahlen, die versuchten, ihr gesamtes Geld auf einmal abzuheben.

Doch für ein Krypto-Unternehmen wie FTX gibt es keinen Kreditgeber in letzter Instanz, an den man sich wenden kann, wenn man dringend Geld benötigt und alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft hat.

Ein Lender of Last Resort stellt Finanzinstituten, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, Liquidität zur Verfügung. Das kann in Zeiten finanzieller Turbulenzen der Fall sein, wenn Banken Zweifel an der Kreditvergabe an andere Banken haben und viele Menschen plötzlich ihr Geld von ihrem Konto abheben wollen. In den meisten Entwicklungs- und Industrieländern ist der Kreditgeber der letzten Instanz die Zentralbank des Landes. Die Aufgabe der Notenbank besteht darin, zu verhindern, dass ein Bank Run oder eine Panik aufgrund mangelnder Liquidität auf andere Banken übergreift. 

Der Bärendienst von SBF

Was immer in der Krypto-Szene als Nächstes geschehen mag, gewiss ist: Aufsichtsbehörden rund um den Erdball werden jetzt noch dringlicher an Regulationswerken für die Krypto-Industrie arbeiten – und das ist auch gut so. Ob es sich nun um eine zentralisierte Börse oder einen Hedgefonds handelt, FTX respektive Alameda ist eine Kombination aus beidem, es gilt  jetzt vor allem auch, das Vertrauen der Anleger in digitale Vermögenswerte wieder zu stärken.

Rückblickend ist das wohl einer der grössten Bärendienste, den SBF seiner Industrie erwiesen hat. Derzeit befürchten viele Anleger und Marktbeobachter den Beginn einer Abwärtsspirale bei Krypto-Währungen und weitere Opfer, zumal FTX im Zentrum der Krypto-Welt steht. Viele grosse Institutionelle haben in die Börse investiert. Sie müssen nun mit grossen Verlusten rechnen, was die künftige Finanzierung des gesamten Krypto-Ökosystems gefährden könnte. Gleichzeitig waren FTX und Alameda wichtige Investoren im weiten Blockchain-Universum.

Schlägt jetzt die Stunde der traditionellen Finanzinstitute?

Im Gegensatz zum grossen Konkurrenten Binance war FTX vor allem auch eine Krypto-Derivativ-Handelsplattform für Institutionelle. Doch der rasante und tiefe Fall von FTX hat nun Banken, Hedgefonds bis hin zu Vermögensverwalter, die zuvor mit Krypto-Firmen geliebäugelt hatten, aufgrund des Gegenparteirisikos kräftig verschreckt.

Den traditionellen Finanzinstituten wie Goldman Sachs dagegen, die ihren Kunden Krypto-Dienstleistungen anbieten, könnte das FTX-Debakel jetzt in die Hände spielen. Sie könnten quasi von einer Flucht in die Sicherheit profitieren. Denn: ob mit oder ohne FTX und Sam Bankman-Fried – das Interesse an digitalen Vermögenswerten wird bestehen bleiben.

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