Die Schweizer Finanzbranche profitierte früher von echten Vorbildern, die sich regelmässig zu Wort meldeten und so der breiten Bevölkerung die grosse Bedeutung der Banken für unser Land näherbrachten. Im Verlauf der vergangenen 15 Jahre verlor sich diese Tradition zusehends. Wer sind heute die wichtigsten Meinungsmacher im Banking?

Über Jahrzehnte hinweg haben verschiedene Persönlichkeiten das Ansehen der Schweizer Bankbranche geprägt. Sie gelten bis heute als Galionsfiguren und Führungsgestalten für eine Zunft, die aufgrund ihrer heiklen und diskreten, aber gleichzeitig auch so wichtigen Tätigkeit für den Wohlstand der Schweiz auf ebensolche Vorbilder angewiesen war.

Alfred Sarasin, Alfred Schaefer oder Robert Holzach sind solche Beispiele, später kamen etwa Claude de Saussure, Ivan Pictet und Patrick Odier oder auch Konrad Hummler hinzu – um nur einige zu nennen.

Ihnen gemeinsam ist, dass sie sich Kraft ihres Amtes im Bankwesen über ihren angestammten Beruf hinaus zu Wort meldeten und engagierten – gesellschaftspolitisch, philosophisch oder auch kulturell. Sie verliehen der Branche, die per se dem schnöden Mammon nachhängt, ein menschliches Antlitz. Ihnen gelang es, der breiten Bevölkerung die grosse Bedeutung der Finanzbranche für unser Land näherzubringen.

Soziale Medien als Risiko

Pride 555

(Bild: LinkedIn)

Im Verlauf der vergangenen 15 Jahre verlor sich diese Tradition zusehends; die Meinungsmacher im Swiss Banking wurden spärlicher; zum einen, weil mehr ausländische CEOs ins Amt kamen, zum andern aber auch, weil der Trend – gerade im Nachgang zur globalen Finanzkrise von 2008 – dahin ging, sich auf sein (Kern-)Geschäft zu fokussieren.

Die rasante Verbreitung der Sozialen Medien respektive die Risiken, die damit einher gehen, verbunden mit der ganzen Debatte um «Political Correctness» und die daraus resultierenden Fallgruben führten in ihrer Summe dazu, dass sich Bankchefs verständlicherweise nicht mehr zu allgemeinen Themen äussern wollten. Was immer ein CEO tat, nie konnte er es allen recht machen, wie das Beispiel des früheren UBS-Chefs Ralph Hamers zeigt. Indem er sich für die LBGTQ+-Community in der Öffentlichkeit engagierte (Bild oben), ernte er in manchen Kreisen grosse Anerkennung, während ihm in anderen völliges Unverständnis entgegenschlug.

Auf lange Zeit hinaus beschädigt

Insofern ist es nachvollziehbar, dass sich die Bank-CEOs aus der Schusslinie herausnehmen, zumal ihre Hauptaufgabe die erfolgreiche Führung eines Geldinstituts ist. Gleichwohl ist offensichtlich der Wunsch nach Vorbildern und glaubwürdigen, authentischen Vertretern aus der Finanzbranche grösser denn je – besonders seit dem Debakel rund um die Credit Suisse (CS). Das kam unlängst auch in der Umfrage über die Berufsaussichten in der Schweizer Finanzbranche, die finews.ch durchführte.

Jeder vierte Bankmitarbeitende (26 Prozent) ist der Meinung, dass das Ansehen seines Berufs «auf lange Zeit hinaus» beschädigt ist. Und damit sich die Reputation der Branche wieder verbessert, braucht es laut 44 Prozent der Befragten «echte Vorbilder auf den Chefetagen».

Doch wer sind diese Vorbilder? Wo und wie sind sie auszumachen. finews.ch ist diesen Fragen nachgegangen und präsentiert eine höchst subjektive Liste der neuen Meinungsmacher in Swiss Banking.

Letzte Schweizer Grossbank

Ermotti 555

(Bild: Keystone)

Dass Sergio Ermotti (Bild oben) der unbestritten wichtigste Meinungsmacher auf dem Schweizer Finanzplatz ist, war auch der UBS gewusst, so dass sie den Tessiner für ihre Jahrhundertaufgabe gleich wieder als CEO rekrutiert hat; fast ebenso wichtig ist Lukas Gähwiler (Bild unten) als Vizepräsident des UBS-Verwaltungsrats. Als Verbindungsglied zu den Behörden und zur Politik in Bern sind seine öffentlichen Äusserungen zentral und haben Gewicht, zumal er bereits im Nachgang zur globalen Finanzkrise von 2008 bewies hat, wie man der gebeutelten UBS (Schweiz) zu neuer Reputation verhelfen konnte.

Gähwiler 555

(Bild: UBS)

Als Vertreter der nunmehr letzten Schweizer Grossbank müssen Ermotti und Gähwiler in ihre Worte allerdings stets auf die Goldwaage legen, aus Rücksicht auf die Befindlichkeiten im Ausland. Denn die UBS hat nicht nur viele gewichtige ausländische Aktionärinnen und Aktionäre, sondern sie ist auch darauf angewiesen, beste Beziehungen zu den Regierungen und Behörden an den wichtigsten Finanzplätzen der Welt zu haben. Insofern haben es da die Vertreter der Schweizer Privatbanken einfacher.

Alle Russen unter Generalverdacht

Bordier 555

(Bild: zvg)

Sie können sich prononcierter äussern, wie sich am kürzlichen Private Banking Day in Basel zeigte. Besonders hart ins Gericht ging dabei der Privatbankier Grégoire Bordier (Bild oben) mit der Schweizer Sanktionspolitik gegenüber Russland, bei der zum Teil die gesamte russische Bevölkerung unter Generalverdacht gestellt werde. «Ich denke dabei an die Begrenzung der Einlagen auf 100’000 Euro für viele russische Bürger und Einwohner, eine Massnahme, die weder die USA noch das Vereinigte Königreich übernommen haben und die daher nur negative Auswirkungen hat», sagte Bordier und forderte vor diesem Hintergrund, dass die Schweiz eine eigenständige Sanktionsstrategie entwickle.

Das sind Voten, wie sie in der heutigen Zeit nur wenige Bankenvertreter so klar zum Ausdruck bringen; auf die Gefahr hin, sich damit mehr Feinde als Freunde zu schaffen. Doch Bordiers Dezidiertheit passt in die grosse Tradition seiner Vorgänger wie Sarasin, Holzach oder de Saussure.

Selbstbewusster kommunizieren

Rickenbacher 555

(Bild: JB)

Nicht um eine klare Meinung verlegen ist auch Philipp Rickenbacher (Bild oben), der Chef der Zürcher Privatbank Julius Bär. In den Sozialen Medien hat er mittlerweile eine Präsenz wie nur wenige andere Berufskollegen seines Ranges. Dabei äussert er sich zu allen nur erdenklichen Themen von der EU über Jazz, Technologie, Kunst bis hin zu Literatur und Geschlechtergleichehit, was man ihm bisweilen auch als Medienverliebtheit unterstellt.

Gleichzeitig muss man ihm aber zugutehalten, dass seine Inhalte höchst professionell aufbereitet sind und Substanz haben. Und er scheut sich auch nicht, seine Meinung vor grossem Publikum kundzutun, wie sich ebenfalls am kürzlichen Private Banking Day zeigte. Dort sagte er: «Die Vorgänge rund um die Rettung (der CS) haben verständlicherweise für Aufregung gesorgt. Doch der Sachverhalt ist komplex», betonte Rickenbacher. «Daher ist es wichtig, dass wir dies auch der breiteren Allgemeinheit im Ausland stärker unmissverständlich und selbstbewusst kommunizieren», forderte Rickenbacher – letztlich an die Adresse Bundesberns, wo man bislang eher wenig Motivation gespürt hat, die lädierte Reputation des Schweizer Finanzplatzes für das Ausland neu aufzusetzen.

Im Dienst der Finanzministerin

de Planta 555

(Bild: Pictet)

Mit gutem Beispiel geht hier Renaud de Planta (Bild oben) voran. Der Primus inter pares der Genfer Privatbank Pictet sitzt seit kurzem in der Expertengruppe «Bankenstabilität» von Bundesrätin Karin Keller-Sutter, notabene als einziger Vertreter seiner Zunft. Dass er dieses Amt neben seinem Pensum als leitender Teilhaber einer Privatbank auf sich nimmt, ist ihm aus Branchensicht hoch anzurechnen. Gleichzeitig hat er in dieser Rolle eine wichtige Funktion als Meinungsmacher in Sachen Stabilität des hiesigen Finanzplatzes.

Staub 555

(Bild: Vontobel)

Den Weg nach Bern wird im nächsten Jahr möglicherweise ein weiterer Banker auf sich nehmen: Zeno Staub (Bild oben). Überraschend gab er vor wenigen Monaten seinen Rücktritt per April 2024 als CEO des Investmenthauses Vontobel bekannt, wie auch finews.ch berichtete. Künftig will er sich als Vertreter der «Mitte-Partei» im Nationalrat engagieren, sofern er im Herbst gewählt wird. Mit seinem Leistungsausweis als langjähriger Bankmanager bringt er zweifelsohne das nötige Rüstzeug mit. Ob sich der brillante Denker Staub mit seinen differenzierten Meinungen im zunehmend polarisierten Politzirkus Berns Gehör verschaffen kann, muss er allerdings noch beweisen.

Einmaliges Zeitfenster

Classen 555

(Bild: EFG)

Generell sind heutzutage klare Statements nur von ganz wenigen Top-Bankern zu hören. Eher versteigen sie sich in Wachstumsfantasien und Platitüden zur Kundenorientierung ihres Instituts. Eine klare Wettbewerbs-Meinung vertritt hingegen Alexander Classen (Bild oben), der Verwaltungsratspräsident der international tätigen Schweizer Bankgruppe EFG.

In einem kürzlichen Interview mit der Genfer Tageszeitung «Le Temps» äusserte er sich unverhohlen über das einmalige «Zeitfenster», das sich nun biete, der angeschlagenen CS erstklassige Kundenberaterinnen und -berater abzujagen. Kein anderer Top-Banker hat das, was im Prinzip das Gros aller hiesigen Banken nun tut, so ehrlich eingeräumt.

«Wir sind der Concierge»

Bidermann 555

(Bild: Rahn+Bodmer)

Die Erfahrungen der vergangenen Jahre mit Covid, beschleunigter Digitalisierung, Zinswende und der ganzen Diskussion um die abtretenden Babyboomer und aufkommende NextGen (Generation Z) zeigen aber auch, dass die Schweizer Bankbranche nur eine Zukunft haben kann, wenn sie selbst den Generationenwechsel vollzieht; und zwar in einer Zeit, in welcher Bankberufe massiv an Strahlkraft verloren haben, sofern sie aus Sicht der Studienabgänger nicht mit Daten, IT oder ESG zu tun haben. Auch da braucht es neue Meinungsmacher.

Obschon die meisten Banken mittlerweile dem Trendbegriff «NextGen» nacheifern, weiss eigentlich niemand so richtig, was sich darunter alles subsummiert. Totale Digitalisierung wird es definitiv nicht sein. Diese Feststellung kommt ausgerechnet von einem 34-jährigen Privatbankier: Jay Bidermann (Bild oben), kürzlich in den Rang eines Partners bei der Zürcher Privatbank Rahn+Bodmer aufgestiegen.

«Die nächste Generation Kunden wird anders denken. Sie nutzt die digitalen Kanäle, um den Überblick über ihr Vermögen zu behalten. Doch es darf nie so weit kommen, dass unsere Berater den Kunden sagen, dass sie einen Auftrag selbst per App abwickeln können. Das wäre Retail Banking, und das möchten wir auf keinen Fall», erklärte Bidermann unlängst in einem Interview mit der Börsenzeitung «Finanz und Wirtschaft» (Artikel kostenpflichtig). Mit seiner Auffassung von Private gelngt es ihm recht gut, die Zukunft seines Metiers zu definieren: «Wir sind der Concierge, wir sagen nie «Mach es selbst über die App.»

Zwischen Platitüden und Durchhalteparolen

Fabian Kaeslin 555 copy

(Bild: Havilland)

Eine klare Meinung in der Tradition der früheren Bankier-Persönlichkeiten vertritt regelmässig auch der 36-jährige Fabian Käslin (Bild oben). Der CEO der Banque Havilland in Liechtenstein und der Schweiz bringt das Potenzial der hiesigen Finanzbranche durchaus treffend auf den Punkt, wenn er gegen finews.ch erklärt: «Der Untergang der CS sollte nicht nur als taktische Chance zur Abwerbung von Kunden und Mitarbeitern gesehen werden – sondern viel mehr als langfristig und strategische Rückbesinnung auf «small is beautiful.»

Während die anonym-gehaltenen Grossbanken sich mit interner Politik, Silodenken und endlosen Powerpoint-Schlachten abmühten, seien die kleinen und mittleren Banken oft durch starke Unternehmer-Persönlichkeiten kontrolliert, flexibel und kundennah unterwegs. «Wenn sich eine Grossbank nur noch mit dem Senden von politisch-korrekten Plattitüden und luftigen Durchhalteparolen beschäftigt, aber ihre Basics aus den Augen verliert, dann kommt es, wie es gekommen ist», bringt es Käslin, als einer der neuen Meinungsmacher im Swiss Banking auf den Punkt.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.65%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.58%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.19%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.06%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.52%
pixel