In einer Zeit, in der die behördlich verordnete Isolation auch Ängste sowie Gefühle von Besorgnis und Ungewissheit evoziert, findet sich möglicherweise Trost in der Literatur. Darum hat die finews-Redaktion in ihrem Fundus an lesenswerten Büchern gestöbert – mit einigem Erfolg.

Für die meisten von uns gestaltet sich der Alltag nun um einiges anders. Home Office und Work from Home sind nicht mehr bloss Modebegriffe für komfortables Arbeiten, sondern Realität – ob man es will oder nicht. Mehr noch, mittlerweile verbringen wir einen Grossteil unserer Zeit zu Hause. Und wenn Netflix, das Handy und Instagram anfangen zu langweilen, dann ist der Zeitpunkt gekommen für ein gutes Buch. Hier ist die Empfehlungsliste der finews-Redaktion:

Peter Hody, Chefredaktor von finews.ch

«Eine Geschichte des Windes oder Von dem deutschen Kanonier der erstmals die Welt umrundete und dann ein zweites und ein drittes Mal» von Raoul Schrott, 2019

Raoul SchrottEs war eine Reise, die nicht gänzlich ins Ungewisse führte, als Magellan vor 500 Jahren mit einer Flotte in Sevilla in See stach. Ziel der Reise waren die bereits «eroberten» Gewürzinseln, wo der Reichtum winkte. Aber nach der ersten Weltumsegelung überhaupt kehrte nur ein Schiff zurück – mit 18 überlebenden Seeleuten. Unter ihnen war der Hannes aus Aachen, von dem die sonst so reichhaltigen Archive nicht mehr preisgeben, als dass er Kanonier war und noch ein zweites und ein drittes Mal zur Weltumsegelung aufbrach. Raoul Schrott erzählt dieses Abenteuer mit barockem Sprachreichtum, in dem die schrecklichen Geschehnisse mit Stürmen, Meutereien, Hunger und Kannibalismus fast beiläufig erwähnt werden. Schrotts Fabulieren über Magellans Kanonier ist hoch aktuell: Vor 500 Jahren bedeutete der Auftakt der Globalisierung, ein Himmelfahrtskommando mit höchst ungewissem und unsicheren Ausgang anzutreten. Im ersten Drittel des 21. Jahrhunderts scheint diese Globalisierung angesichts von Krisen wie Klima und Corona erneut zum Himmelfahrtskommando geworden zu sein...


Samuel Gerber, stv. Chefredaktor von finews.ch

«Der Store (engl. The Warehouse)» von Rob Hart, 2019

DERSTORE 134In den vom Klimawandel gezeichneten USA ist Cloud der grösste Arbeitgeber – er betreibt gewaltige Warenhäuser, die ihre Güter mit Drohnen ausliefern. Doch im «Store» verbergen sich finstere Geheimnisse, wie Ex-Startup-Gründer Paxton und Wirtschaftsspionin Zinnia bald merken. Die dystopische Referenz an den Online-Riesen Amazon, der mitten in der Coronakrise massiv ausbaut, passt gespenstisch gut in diese Zeit – das Geschäftsmodell des fiktiven Cloud-Store hebt ab, weil sich die Menschen nicht mehr vor die Haustüre trauen.


Katharina Bart, Senior Contributor bei finews.com

«The End is Always Near» von Dan Carlin, 2019

Dan Carlin End Always Near 500Verspüren Sie den Untergang im Nacken, empfinden Sie Schwermut? Dan Carlins Buch über apokalyptische Momente ist die perfekte Lektüre für unsere Zeit jetzt: Der altgediente Rundfunk-Geschichtenerzähler verbindet Vergangenheit und Zukunft auf einnehmende Weise – etwas, das ängstliche Leser gerade jetzt seltsam tröstlich finden dürften.


Florian Wicki, Redaktor bei finews.ch

«Capitalist Realism – Is There No Alternative?» von Mark Fisher, 2009

cover capitalist realism«Es ist leichter, sich ein Ende der Welt vorzustellen als ein Ende des Kapitalismus» – das Zitat wird Fredric Jameson wie auch Slavoj Žižek zugeschrieben. In seinem 2009 erschienenen Buch «Capitalist Realism», mit dem von Margaret Thatcher («There Is No Alternative») ausgeliehenen Untertitel beleuchtet der inzwischen an Suizid verstorbene Schriftsteller und Philosoph Mark Fisher das Konzept des kapitalistischen Realismus und wie der Kapitalismus alle Aspekte des heutigen Lebens beeinflusst. Und stellt die Frage, ob es denn eine Alternative gäbe, die nicht zurück in die Planwirtschaft führt. Ein Jahr nach der letzten Finanzkrise verfasst, werden solche Gedankenspiele in Tagen wie diesen aktueller denn je.


Andreas Britt, Redaktor bei finews.ch/finews.com

«Blackout» von Marc Elsberg, 2012

blackout 192Dieser Thriller von Marc Elsberg zeigt exemplarisch, wie die Vernetzung der kritischen Infrastruktur im Notfall zum rasanten Zusammenbruch zuerst der Versorgung und nachher des zivilisierten Zusammenlebens führt – Stichwort «Hamsterkäufe». Der österreichische Autor versteht es ausgezeichnet, die Welt der Wissenschaft dramatisch zu inszenieren und nimmt in vielerlei Hinsicht die jetzige Coronavirus-Katastrophe vorweg. Wem die Wolken schon düster genug erscheinen, sei gesagt, dass auch «Blackout» der Hoffnung ausreichend Raum gibt.


Jeffrey Vögeli, Redaktor bei finews.ch/finews.life

«Der Herr der Ringe» von John R.R. Tolkien, 1954

LotRIn J.R.R. Tolkiens Trilogie ist zumindest für den Leser immer klar, wer zu den Guten gehört. Umso erholsamer ist es, angesichts der weltweiten Krisenstimmung in diese nahezu endlos detaillierte, von nordischer Mythologie geprägte, Welt abzutauchen und die Realität mit ihren unbefriedigenden Nuancen zu vergessen. Nun, da Konsum und Bewegungsfreiheit eingeschränkt sind, können wir uns von den Protagonisten eine Scheibe abschneiden, die ein zweites Frühstück und guten Tabak höher bewerten als Reichtum und Ruhm.


Claude Baumann, Mitgründer und CEO, finews.ch

«Palast der Stille» von Hansjörg Schertenleib, 2020

Palast 134Dieses Buch grenzt an ein Wunder. Lange bevor der Begriff «Social Distancing» in breiten Kreisen die Runde machte, begab sich der Schweizer Schriftsteller Hansjörg Schertenleib in die selbst gewählte Einsamkeit nach Maine an der amerikanischen Ostküste. Dort bewohnt er ein Häuschen in der Natur, schreibt und denkt nach über die Stille, die Liebe, sein Leben und erfährt so einiges über sich und seine Mitmenschen. Das Anfang dieses Monats erschienene Buch erhält in Zeiten von Corona eine ungeahnte Aktualität und Brisanz. «Palast der Stille» schildert einzigartig, was es heisst, im Alleinsein inne zu halten und den Weg zu finden, um selbstbestimmt,  bewusster und damit auch sorgloser zu leben. Fernab jeglicher Esoterik beweist Schertenleib – genauso wie in seinen früheren grossartigen Romanen –, warum er mit seinem unglaublich differenzierten und atmosphärischen Schreibstil zu den brillantesten Erzählern der zeitgenössischen deutschsprachigen Literatur zählt.