Nach einem erneuten Milliardenverlust schien die Credit Suisse Ende 2016 die Talsohle durchschritten zu haben. Doch unvermittelt sieht sich die Bank nun einem «perfekten Sturm» ausgesetzt. Und es könnte noch ungemütlicher werden.

1. Der Steuerstreit hat die Bank wieder im Griff

Seit letztem Freitag überschlagen sich die Ereignisse im europäischen Private Banking der Credit Suisse (CS). Angestossen von holländischen Steuerfahndern gehen diverse europäische Behörden gezielt gegen die Schweizer Grossbank vor. In den Büros des Instituts in Amsterdam und Paris kam es sogar zu Razzien. Inzwischen hat auch Deutschland Untersuchungen eingeleitet.

Insgesamt ist von rund 55'000 verdächtigen CS-Konten die Rede. Beweise legten die Ermittler bisher aber keine vor. Mit von der Partie sind auch australische Behörden, was die Geheimkonten-Affäre zum globalen Problem für die zweitgrösste Schweizer Bank macht. Demgegenüber betont die CS, seit 2011 nur noch deklarierte Gelder in Europa zu verwalten. Doch diese Beteuerungen gehen in den laufend neuen Schlagzeilen regelrecht unter – Finanzanalysten rechnen inzwischen mit verschärften Rechtsfolgen für die Bank.

2. Operativ ist kaum die grosse Wende zu erwarten

Über den Steuerstreit könnten die Investoren wohl hinwegsehen, wäre von der Bank nach zwei tiefroten Jahren im ersten Quartal 2017 ein starkes Zahlenset zu erwarten. Doch Analysten, etwa jene der deutschen Berenberg Bank, bezweifeln dies. Den Experten zufolge sind die kurzfristigen Erwartungen für das Bankgeschäft bereits überoptimistisch, während die langfristigen Gefahren weiter bestehen. Von den steigenden Zinsen erhofften sich die Investoren für die Bank ebenfalls zu viel, so Berenberg weiter, und der Handel mit Zinspapieren könne von nun an «kaum noch besser werden».

Ob die Befürchtungen zutreffen, wird sich weisen. Bezüglich des Asiengeschäfts sagte die CS am (gestrigen) Mittwoch, dass sich die Vermögensverwaltung positiv entwickle, während das Umfeld für den Handel «verhalten» sei. Im vergangenen Februar hatte CEO Tidjane Thiam mit Bezug auf den gesamten Bankkonzern erklärt, viele der positiven Trends des vierten Quartals 2016 hätten sich im Januar 2017 fortgesetzt.

3. Im Eigenkapital klafft eine grosse Lücke

Thiams vermutlich grösstes Problem ist die Kapitalisierung der CS: Eine erste Kapitalerhöhung über 6 Milliarden Franken, die er direkt nach seinem Antritt bei der CS vollziehen liess, ist inzwischen nach Milliarden-Abschreibern und noch höheren Busszahlungen weitgehend verpufft. Unterm Strich hat sich das Eigenkapital der Bank nur sehr zögerlich in Richtung der geforderten 13 Prozent entwickelt.

Doch Thiam weiss: Seine auf Private Banking fokussierte Strategie bedingt ein Finanzinstitut mit äusserst solider Kapitalausstattung. Die Gewinnkraft des Konzerns reicht in der derzeitigen Lage und nach zwei aufeinanderfolgenden Verlustjahren nicht aus, um die Eigenmittelunterlegung zu verbessern. Verläuft die angekündigte Kapitalerhöhung der Deutschen Bank erfolgreich, bildet die CS mit 11,5 Prozent Eigenkapital das Schlusslicht unter den europäischen Grossbanken.

4. Börsengang oder Kapitalerhöhung? Beides ist gerade ungünstig

Für einige Irritation sorgt die CS mit dem allfälligen Börsengang der Schweizer Bank, der Swiss Universal Bank (SUB). Zwar laufen die Vorbereitungen für dieses Mammutprojekt weiterhin auf vollen Touren. Doch hat CEO Thiam in jüngster Zeit auffallend häufig von «anderen Optionen» der Kapitalbeschaffung gesprochen. Bläst die CS ihren Schweiz-Börsengang ab, stösst sie Mitarbeiter wie Aktionäre vor den Kopf, denen die Variante einer «sicheren» Schweizer Bank in den höchsten Tönen verkauft wurde.

Das Glaubwürdigkeitsproblem, das sich die CS so einhandelt, löst die Kapitalsorgen nicht. Ob eine weitere Kapitalerhöhung als Alternative mehr Sinn macht, ist schwer abzuschätzen. Den Markt dafür zu begeistern, Milliarden von Franken in eine Bank zu investieren, die in einem neuerlichen Justizkonflikt steckt, dürfte ebenfalls schwierig sein.

5. Unter den Aktionären regt sich Widerstand

In der echauffierten Berichterstattung über die überrissenen Saläre für Thiam, Rohner und das übrige Management ist hierzulande übersehen worden, dass auch im angelsächsischen Raum der Wind gedreht hat. Mehrere Kommentatoren kritisieren die Lohnpolitik der CS ebenfalls. Ein deutliches Zeichen für den Unmut gegenüber der CS lieferte der US-Stimmrechtsberater Glass Lewis, der die Bonus-Vergütungen des CS-Managements von insgesamt 26 Millionen Franken rundweg ablehnt.

Es wird sich zeigen, wie das zweite Berater-Schwergewicht, die Firma Institutional Shareholer Services (ISS), sich zur CS stellt. Möglich ist, dass das Aktionariat der CS an der kommenden Generalversammlung zu mehr als einer Protestnote fähig ist.

6. Die bizarre Asymmetrie der Gehälter

Die Wertschöpfung der Banken ist in den vergangenen Jahren erheblich zurückgegangen. Folglich sind auch die Saläre der Top-Manager und Verwaltungsräte kritisch zu hinterfragen. Bei der CS scheint dies aber nicht der Fall zu sein. Der Verwaltungsrat, der in den vergangenen Jahren kaum mit Erfolg oder Innovationen brilliert hat, schanzt sich Gehälter zu, die in totaler Asymmetrie zur Leistung des Konzerns stehen.

So verwundert es kaum, dass das Lohnthema nicht mehr nur ein Aktionärsthema (vgl. Punkt 5) ist, sondern ein gesellschaftliches – weil es dabei um Anstand und Verhältnismässigkeit, letztlich um das Ansehen eines Landes oder zumindest einer ganzen Branche (vgl. auch Punkt 7) geht. Die zweitgrösste Bank der Schweiz ist auch deswegen nun dem perfekten Sturm ausgesetzt, weil die Verantwortlichen die Eigendynamik überhöhter Saläre gänzlich unterschätzt haben.

7. Die Branche reagiert verärgert

Ausser einigen notorischen Neidern ist es in der Schweizer Finanzbranche niemandem recht, wenn es der zweitgrössten Bank des Landes schlecht geht. Denn die CS gehört zur Schweiz wie das Matterhorn und die Löcher im Käse. Mit ihrer Wertschöpfung leistet die CS einen substanziellen Beitrag zum Wohlstand, und sie ist ein wichtiger Teil der Schweizer Finanzinfrastruktur, die wiederum weltweites Ansehen geniesst.

Wenn sich aber manche Protagonisten (ebendieser CS) in ihrem Gebaren so abgehoben und masslos zeigen, wie es in jüngster Zeit der Fall war, schadet dies schnell einmal dem Image der ganzen Branche. «Scheissbanker» heisst es an vielen Events, Apéros und Partys bereits häufig – und das ärgert mittlerweile alle, die auch im Bankwesen arbeiten.

8. Katar hat ein Fragezeichen gesetzt

Das arabische Emirat Katar ist bislang ein treuer Grossaktionär der CS gewesen. Es half der Grossbank in verschiedenen heiklen Situationen, unter anderem während der Finanzkrise mit einer Kapitalspritze in Milliardenhöhe. Und der Investor aus dem Nahen Osten war der Rückhalt für Thiams Vorgänger Brady Dougan und dessen Festhalten an einer Strategie mit allerhand Investmentbanking.

Nun verabschiedet sich aber der katarische Repräsentant der Königsfamilie, Jassim Bin Hamad J.J. Al Thani, aus dem CS-Verwaltungsrat – ohne Ersatz. Das ist seltsam und wirft Fragen auf. Denn die Kataris sind normalerweise da, wo ihr Geld ist. Bei der Deutschen Bank installierten sie einen Anwalt im Aufsichtsrat, nachdem sie ihre Beteiligung auf annähernd 10 Prozent erhöht hatten.

Es gibt zwar keinerlei Anzeichen, dass sich Katar aus der CS zurückzieht, wie dies im vergangenen März bei der brasilianischen Einheit der Bank Santander geschehen ist. Die Liebe des arabsichen Ankeraktionärs zur CS scheint aber etwas abgekühlt zu sein. Dabei ist die Bank bezüglich ihrer Kapitalbeschaffungsprobleme auf einen starken Rückhalt mehr denn je angewiesen.

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