Die Finanzindustrie beklagt den Vertrauensentzug und das Misstrauen ihrer Kundschaft. Dabei legen ihre Exponenten, insbesondere in der Schweiz, eine Geisteshaltung an den Tag, die keine Einsichtigkeit zeigt, wie finews.ch feststellt.

Zehn Jahre nach der Finanzkrise hat sich die Finanzbranche grundlegend verändert. Dem Casino-Banking früherer Jahre haben die Regulatoren einen Riegel geschoben, mit einer Flut von Auflagen den Kundenschutz verstärkt, die Banken zu scharfen internen Kontrollen gezwungen und mit strengen Kapitalvorschriften das Finanzsystem stabilisiert.

Nachdem eine von Gier und Skrupellosigkeit durchdrungene Finanzindustrie die Weltwirtschaft um ein Haar in den Abgrund gerissen hatte und zahlreiche Grossbanken – auch in der Schweiz – nur dank Milliarden von Staatsgeldern und ihrer Aktionäre am Leben blieben und so noch grösserer Schaden für Wirtschaft und Gesellschaft abgewendet werden konnte, haben Banken Risiken reduziert, Geschäftsmodelle angepasst, interne Regeln verschärft und Imagekorrektur betrieben.

Manager und Verwaltungsräte langen weiterhin zu

Alles hat sich gewandelt. Alles? Nein, in den Köpfen der Banken-Chefs herrscht nach wie vor eine weltfremde Mentalität, die keinerlei Einsichten darüber zeigt, woran die Branche nach wie vor krankt.

Manager und Verwaltungsräte langen weiterhin zu, als ob es Finanzkrise und Vertrauensverlust nie gegeben hätte und eine massive Geld- sowie Wertvernichtung für Aktionäre und sinkende Erträge den Wandel nicht begleiten würden.

Umständliche und gewundene Erklärungen

Einmal mehr stossend ist die Vergütung des Top-Managements der Credit Suisse (CS). Der Geschäftsleitung unter CEO Tidjane Thiam gewährte der Verwaltungsrat (VR) eine Steigerung der Saläre und Boni um 28 Prozent auf 82,04 Millionen Franken. Das VR-Gremium unter Präsident Urs Rohner bezog selber 11 Prozent mehr Lohn.

CEO Thiam und Präsident Rohner erhielten im Vergleich zum Vorjahr höhere Bezüge von 30 respektive 25 Prozent zugesprochen, Lohnsprünge, die ein 35 Seiten dicker Vergütungsbericht umständlich und gewunden zu erklären versucht.

Strategie ist kein Rezept gegen sinkende Erträge

Demgegenüber steht ein für CS-Angestellte und -Aktionäre einmal mehr verheerendes Geschäftsjahr. Tausende Kündigungen sind ausgesprochen, Löhne und Boni auf breiter Front im zweistelligen Prozentbereich gekürzt worden. Die Bank steht nach einem weiteren Milliardenverlust kapitalmässig nach wie vor auf tönernen Füssen.

Als Rezept gegen die anhaltend sinkenden Erträge hat sich die Strategie von CEO Thiam bislang nicht erwiesen. Die Bank muss – entgegen noch vor wenigen Monaten gemachten Aussagen Thiams – doch neues Kapital beschaffen.

Spitzenverdienst ist garantiert

Die Geisteshaltung hinter der Vergütungspraxis zeigt eine Verantwortungslosigkeit, die sich eine wahrhaft unternehmerisch denkende Führung niemals leisten würde.

Während Unternehmen, Mitarbeiter und Aktionäre die Unternehmenskrise voll trifft, belohnt sich das Management anhand von Leistungskonzepten, die so ausgestaltet sind, dass ein Spitzenverdienst garantiert bleibt.

Zudem offenbart sich eine Weltfremdheit und Ignoranz, welche die Protagonisten mit Lohnvergleichen zur direkten Konkurrenz (bei der UBS sind die Saläre noch höher), dem Verweis auf Altlasten und Pseudo-Lohnverzichte behelfsmässig zu kaschieren versuchen.

Ein Verzicht, der nicht so aussieht

In besondere Argumentationsnöte müsste eigentlich CS-Präsident Rohner geraten, der die Geschicke der CS ab 2004 als Group Counsel, dann ab 2009 als VR-Vizepräsident und ab 2011 als Präsident massgeblich mitgestaltet und die Altlasten zu verantworten hat.

Doch weit gefehlt: Rohner macht aus der 2016 erhaltenen Salärerhöhung einen Verzicht – zugestanden wären ihm eigentlich 750'000 Franken mehr, wie die Medienstelle explizit betont.

Nicht gerechtfertigte Lohnerhöhungen

Nun muss man sich auf dem Schweizer Finanzplatz nicht weit umschauen, um diese Geisteshaltung allerorten festzustellen.

Pierin Vincenz, VR-Präsident des in Nöte geratenen Derivatespezialisten Leonteq, hatte diesen Februar angesichts der roten Zahlen ebenfalls auf ein Drittel seines Gehalts von 750'000 Franken «verzichtet» und dabei ignoriert, dass er zuvor eine Lohnerhöhung von annähernd 130 Prozent durchgesetzt hatte.

GAM-CEO Alex Friedman lässt sich vom Verwaltungsrat das Salär um 20 Prozent auf 6,1 Millionen Franken erhöhen, was in keiner Weise mit dem Erreichten, geschweige denn mit der Grösse und Bedeutung dieses Vermögensverwalters zu rechtfertigen ist.

«Gebenchmarkte» Saläre und Boni

Gleiches gilt für Boris Collardi, CEO der Privatbank Julius Bär: Seine 6,5 Millionen Franken Gesamtvergütung stehen in keiner Relation zur Grösse der Privatbank.

Der Mechanismus dieser Lohnbemessungen ist fest etabliert und ein Muster in der Finanzbranche wie überhaupt in den Konzernzentralen globaler Player: Die Saläre werden anhand von echten und vermeintlichen Konkurrenten «gebenchmarkt», wodurch die effektive Leistungsbemessung allenfalls die Bandbreite der bezahlten Vergütungen verändern kann.

Zweitens kann sich der Verwaltungsrat, indem er überhöhte Managementsaläre absegnet, selber mit gutem Gewissen Millionen zuschanzen.

Uneinsichtig und verantwortungslos

Rohner ist dafür ein Beispiel, genauso wie UBS-Präsident Axel Weber, der mehr als 6 Millionen Franken bezieht, oder auch der scheidende Johannes de Gier von GAM, und Daniel Sauter von Julius Bär, die beide als nicht-exekutive VR-Präsidenten mehr als eine Million Franken kassierten.

Uneinsichtig, verantwortungslos und fern jeder gesellschaftlichen Realität ist diese Praxis, weil es auch diese Manager sind, die sich in der Öffentlichkeit über das ausbleibende Vertrauen der Kunden und den anhaltend schlechten Ruf ihrer Branche in der Gesellschaft beklagen.

Dabei hätten sie es in der Hand – und vergeben Jahr für Jahr die Chance, mit einem überfälligen Zeichen einer verhältnismässigen Bescheidenheit, das Vertrauen zurückzugewinnen.

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