In den vergangenen Wochen büsste der Aktienkurs der Credit Suisse massiv an Wert ein. Doch die zweitgrösste Schweizer Grossbank war beileibe keine Ausnahme. Der gesamte Sektor musste erhebliche Einbussen beklagen. Was hat das für Konsequenzen?

Von Andreas Ruhlmann, Marktanalyst bei der IG Bank

Die Schweizer Banken profitierten jahrzehntelang von einem «unfairen Vorteil», dem Bankgeheimnis, wodurch unser Land zu einem der weltweit führenden Finanzzentren avanciert. Mit dem abrupten Ende dieser «Norm» ist die Branche heute mit einer ganzen Reihe von Herausforderungen konfrontiert.

Die Umsetzung des Automatischen Informationsaustauschs (AIA) erhöht die operativen und regulatorischen Kosten. Die verwalteten Vermögen sind davon ebenfalls betroffen, da viele Kunden ihre unversteuerte Gelder oder zumindest einen Teil davon abgezogen haben.

Mehr als 50 Banken verschwunden

Darüber hinaus leiden die Schweizer Banken auf Grund des aktuell schwierigen gesamtwirtschaftlichen Umfelds. Der starke Franken macht die Gewinne zunichte, da viele Kunden aus dem Ausland stammen. Der negative Zinssatz drückt auf die Margen. Angesichts dieser Herausforderungen ist es kein Wunder, dass seit 2008 mehr als 50 Banken verschwunden sind.

Kurzum: Die Spielregeln haben sich geändert – die gesamte Branche verdient heute weniger wie früher.

Kommt das «Goldene Zeitalter» wieder zurück?

Auch wenn die Schweizer für ihre Anpassungsgabe bekannt sind, können mancheDinge nicht mehr wie früher sein. Sie müssen angepasst werden, zumal das Bankgeheimnis mit dem Ausland der Vergangenheit angehört.

Die Schweiz verfügt jedoch über die nötigen Qualitäten, um ihren Finanzsektor wieder auf die Beine zu bringen. Denn durch die politische und wirtschaftliche Stabilität, die gute Infrastruktur und den hohen Lebensstandard wird das Land auch weiterhin Vermögenswerte und Talente anziehen.

Höhere Renditen nötig

Die Schweiz hat eine lange Banktradition, ein hohes Mass an Privatsphäre, und es verwahrt auch heute noch einen bedeutenden Teil des Gesamtvermögens wohlhabender Kunden aus der ganzen Welt.

Zweifellos können die Banken nicht mehr so weiterarbeiten wie bisher. Sie müssen investieren, Innovationen schaffen und ihre Dienstleistungen verbessern. Nur so können sie mit den wichtigsten Investmentzentren wie London, New York oder Hongkong mithalten. Schweizer Vermögensverwalter müssen zudem höhere Renditen erzielen.

Banklizenz «light» geplant

Die Behörden sollten ebenfalls ihren Teil dazu beitragen: Sie sollten sich dafür einsetzen, dass Schweizer Finanzinstitute von der Schweiz aus die europäischen Märkte bearbeiten können (Stichwort: Marktzugang), da dies wichtig ist, um Arbeitsplätze und Talente hierzulande zu halten.

Zudem sollten sich Innovationen lohnen. Vor diesem Hintergrund hat die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) unlängst die Online-Eröffnung von Bankkonten erlaubt, und sie beabsichtigt überdies, eine Banklizenz «light» für Fintech-Unternehmen zu schaffen. Obschon noch wesentlich mehr getan werden muss, sind das Schritte in die richtige Richtung.

«Komfortable» Gehälter

Tatsache bleibt indessen, dass sich viele Schweizer Finanzinstitute zu lange auf dem Bankgeheimnis ausgeruht haben. Der Schweizer Fintech-Sektor gewinnt zwar an Bedeutung, aber er liegt immer noch weit hinter seinen europäischen Pendants in Deutschland und in Grossbritannien zurück. Zudem haben die nach wie vor «komfortablen» Gehälter und Boni viele Bankangestellte bisher davon abgehalten, bei Fintech-Startups einzusteigen.

Da sowohl das Bankgeheimnis als auch die Arbeitsplatz-Sicherheit nun Geschichte sind, ist die Frage berechtigt: Schafft es die Schweizer Finanzbranche, sich neu zu erfinden, um ihre internationale Bedeutung zu wahren?