Die Swisscom galt lange Zeit als Nummer eins der schweizerischen Telekommunikations-Firmen. Doch inzwischen hat der «blaue Riese» mit einem verschärften Wettbewerb und einem gesättigten Markt zu kämpfen.

Von Andreas Ruhlmann, Marktanalyst bei der IG Bank

Seit ihrem Höchststand 2014 ist die Swisscom-Aktie um mehr als 20 Prozent gefallen; seit Jahresbeginn beträgt das Minus bereits 7 Prozent. Im Vergleich: Der direkte Wettbewerber Sunrise verzeichnete 2016 bisher einen Anstieg von 16 Prozent. Zwar hat der «blaue Riese» eine Grösse erreicht, in der das Wachstumspotenzial nur noch gering ausfällt. Aber das Unternehmen verzeichnet stabile Umsätze und mit einer Dividendenrendite von fast 5 Prozent stellt es eine attraktive Investition dar.

Wachsende, aber überschätzte Konkurrenz

Die Ankunft von Xavier Niel in der Schweiz mit der Übernahme von Orange – heute Salt – sorgte für grosse Aufregung. Doch die Zahlen dieses Unternehmens sind alles andere als spektakulär.

Salt Mobile verliert Kunden, und auch im Konflikt mit Mobilezone ist keine Lösung in Sicht – zuletzt hatte der Handy-Anbieter die Verträge mit Salt aus seinem Angebot gestrichen. Darüber hinaus besteht das Hauptziel von Salt darin, seine hohen Schulden abzubauen.

Grosse Bedrohung

Darüber hinaus ist es schwer vorstellbar, dass sich das Unternehmen auf einen Preiskampf einlässt, wie dies in Frankreich geschehen ist. Ausserdem darf nicht vergessen werden, dass für die Schweizer Kunden die Qualität des Services entscheidender ist als der Preis.

Die grösste Bedrohung geht also eher von der Nummer zwei auf dem schweizerischen Markt aus – von Sunrise. Das Unternehmen verzeichnet einen erheblichen Anstieg der Mobilfunk-Abonnements im Bereich «Postpaid».

Expansion von Sunrise

Im zweiten Quartal 2016 konnten 22'000 Kunden gewonnen werden, nachdem es im ersten Quartal 2016 bereits 18'000 gewesen waren. Diese Zahlen täuschen jedoch über den Verlust von 41'000 Kunden im Bereich «Prepaid» hinweg, deren Verträge grösstenteils umgestellt wurden, so dass sich für das Jahr 2016 bisher ein Nettoverlust von 1'000 Mobilfunkkunden ergibt.

Im Vergleich dazu hat die Swisscom insgesamt 2'000 Mobilfunkkunden verloren. Mit seinem Festnetz/TV/Internet-Kombiangebot «Home» ist Sunrise nun auch in den Sparten Internet und TV mit der Swisscom in Konkurrenz getreten; das Angebot erfreut sich grosser Beliebtheit. Es ist jedoch zu früh, um das Potenzial realistisch einschätzen zu können.

Analysten extrem pessimistisch

Wie so oft geben die Analysten Aktien mit einem attraktiveren Wachstum den Vorzug. Die meisten Fachleute haben deshalb ihre Prognosen für die Swisscom nach unten korrigiert; gemäss der Nachrichtenagentur «Bloomberg» existieren derzeit nur fünf Kaufempfehlungen gegenüber zwölf neutralen Meinungen und sieben Verkaufsempfehlungen.

Dagegen zählt Sunrise acht Kaufempfehlungen, sieben neutrale Meinungen und keine einzige Verkaufsempfehlung. Der Unterschied in diesen Erwartungshaltungen scheint mir indessen übertrieben.

Hat man die Wahl zwischen einem KGV (geschätzt für 2016) von 42x für Sunrise, das innerhalb eines gesamten Jahres noch keine Nettogewinne erwirtschaftet hat, und einem KGV von 16x für die Swisscom, das stabile Gewinne vorweisen kann, dann liegt die Entscheidung auf der Hand. Vor dem Hintergrund dieser hohen Erwartungen muss Sunrise nun Ergebnisse bringen, oder die Aktie rutscht ordentlich nach unten.

Potenzielles Wachstum bei der Glasfasertechnik

Die Swisscom ist in der Schweiz im Bereich der Glasfaser-Aanschlüsse unangefochtener Marktführer und verfügt über ein Quasimonopol (2 Millionen Anschlüsse gegenüber 0,34 Millionen für Sunrise). Die Glasfasertechnik nimmt in der Schweiz mit 50 Prozent einen der grössten Marktanteile ein und die Swisscom will ihr Know-how auch im restlichen Europa einsetzen, wo der Anteil der Glasfaser-Anschlüsse noch recht gering ist.

Das Tochterunternehmen Fastweb gab vor diesem Hintergrund kürzlich den Zusammenschluss zu einem Joint-Venture mit Telecom Italia bekannt, um für drei Millionen Haushalte in 29 italienischen Orten Anschlüsse bereitzustellen. Fastweb stellt heute 15 Prozent des Umsatzes des schweizerischen Mutterkonzerns dar.

Wie üblich arbeitet der «blaue Riese» darüber hinaus an verschiedenen innovativen und wachstumsträchtigen Projekten, insbesondere an der 5G-Technologie in Zusammenarbeit mit der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (ETHL).

Atttraktive Dividendenrendite

Vor dem derzeitigen Hintergrund niedriger oder gar negativer Prozentsätze bleibt die Swisscom-Aktie auch weiterhin attraktiv. Dies gilt besonders für die Pensionsfonds, die verzweifelt um Renditen ringen.

Sunrise schüttet ebenfalls eine hohe Dividende aus, verfügt jedoch derzeit noch über eine zu geringe Marktkapitalisierung, um bestimmte institutionelle Kunden anzulocken.

Die Swisscom-Aktie notiert bei 470 Franken, schüttet jedoch im Februar 2017 einen Dividende von 22 Franken aus, wodurch sich der Kauf (nach Steuern) bei rund 455 Franken bewegt und damit etwa in der Mitte zwischen dem Tiefststand von 290 Franken im Jahr 2009 und dem Höchststand von 587 Franken im Jahr 2014 liegt. Meiner Meinung nach ein interessanter Stand.