Im September 2017 hat Samuel Lisse als CEO die Leitung der Mercer Schweiz übernommen. Welche Trends er im HR, im Pensionskassen-Markt sowie auf der Investmentseite beobachtet, und wie der neue holistische Beratungsansatz von Mercer aussieht, erläutert er im Interview.


Herr Lisse, was sind die Trends, die HR-Verantwortliche aktuell beschäftigen?

Wir erleben derzeit die vierte industrielle Revolution: Neben der rasch fortschreitenden Digitalisierung und der Entwicklung neuer Technologien vollzieht sich ein demografischer Wandel. Dabei beobachten wir folgendes: Ein Teil der Unternehmen fokussiert zu stark auf die neuen Technologien, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.

Dabei bleibt der Mensch auf der Strecke. Doch gerade in dieser Zeit, in der Digitalisierung, Robotik und Künstliche Intelligenz traditionelle Geschäftsmodelle in Frage stellen und teilweise über den Haufen werfen, ist eine produktive, flexible und leistungsfähige Belegschaft extrem wichtig. Digitalisierung ohne den Menschen geht nicht.

«Dadurch können wir unsere Kunden auch auf künftige Entwicklungen vorbereiten»

Vor diesem Hintergrund stehen HR-Verantwortliche momentan vor der Herausforderung, gemeinsam mit dem Top-Management die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, mit denen sich Innovationen vorantreiben lassen und organisatorische sowie individuelle Kompetenzen weiterentwickelt werden können.

Wie geht Mercer mit den Herausforderungen dieser dynamischen Arbeitswelt um?

Zentraler Punkt unserer neuen Strategie rund um alle People-Themen ist der holistische Ansatz bei der Kundenberatung – einerseits durch die starke Beratungskompetenz lokaler Kundenbetreuer und andererseits durch ein globales Wissen über Trends, die aktuell und künftig für Unternehmen relevant sein werden – von Compensation und Benefits über Mobility bis hin zu Talent Management. Dadurch können wir unsere Kunden nicht nur bei den heutigen Aufgaben unterstützen, sondern sie auch entscheidend auf künftige Entwicklungen vorbereiten.

«Mit der Firma Promerit haben wir einen tollen Partner gewonnen»

Darüber hinaus werden wir die Synergien, die sich aus der kürzlich erfolgten Akquisition des Beratungsunternehmens Promerit ergeben, auch in der Schweiz nutzen, um Organisationen aller Grössen und Branchen bei den Umwälzungen in einer immer dynamischeren Arbeitswelt zu unterstützen – sei es bei der Strategieentwicklung, der Umsetzung zukunftsgerichteter Prozesse und Massnahmen oder der Einführung geeigneter Tools und Technologien.

Mit Promerit als einem führenden Beratungsunternehmen für HR-Digitalisierung sowie HR- und Business-Transformation haben wir einen tollen Partner gewonnen, mit dem wir unseren Kunden noch bessere und umfassendere Lösungsansätze zu den genannten Herausforderungen in einer digitalisierten Welt anbieten können.

Wie bewerten Sie die Veränderungen, die im traditionellen Beratungsgeschäft von Mercer zu beobachten sind?

Auf dem Schweizer Markt sehen wir eine anhaltende Konsolidierung der Pensionskassen: Die Anzahl der Kassen nimmt ab, und dieser Trend wird sich fortsetzen. Viele, vor allem grosse Kassen setzen verstärkt auf eigene Experten und Investment-Spezialisten, um internes Know-how sicherzustellen.

Mit dieser Entwicklung verändern sich die Anforderungen an die Pensionskassen: Immer öfter geht es in der Beratung weniger darum, einzelne Arbeitsgebiete isoliert zu betrachten, sondern viel mehr um das Gesamtbild und die schnittstellenübergreifende Betrachtung. Dadurch, dass wir bei Mercer sehr breit aufgestellt sind, können wir unseren Kunden diesen holistischen Ansatz bieten.

«Der Bereich ‹Investment Solutions› ist für uns einer der grossen Wachstumsmärkte»

Es ist unser Anspruch, die Kunden ganzheitlich zu beraten, also nicht nur Antworten auf die gestellten Fragen zu geben, sondern auch aktiv auf wichtige Fragestellungen hinzuweisen, die der Kunde gar nicht auf dem Zettel hatte. Wir wollen mit der Breite und Tiefe unserer Kompetenz überzeugen und massgeschneiderte, innovative Lösungsansätze liefern.

Mercer ist auch einer der führenden Berater im Bereich Kapitalanlagen. Welche Entwicklungen erwarten Sie da?

Richtig, wir bieten nicht nur aktuarielle Dienstleistungen an, sondern beraten Pensionskassen auch in Fragen der Finanzierung ihrer Leistungen. Der Bereich «Investment Solutions» ist für uns einer der grossen Wachstumsmärkte – das aus gutem Grund: Gefragt sind möglichst krisenresistente Portfolios, die eine tiefere Volatilität bei gleichbleibender Rendite-Erwartung ermöglichen.

Dies kann durch aktives «Managen» gelingen, vor allem im Bereich der Alternativen Anlagen, also Investments in Private Markets und Hedge Funds, aber auch ILS (Insurance Linked Securities). Zugleich sehen wir, dass klassische Beta-Kategorien reduziert werden – ein Trend, der im Aktienbereich schon vor einigen Jahren eingesetzt hat.

«Die zunehmende Komplexität der Anlagen und deren Verwaltung verlangen mehr Ressourcen»

Im Bereich Fixed Income nimmt die Durationsverkürzung weiter zu. Ausserdem ist eine Diversifikation von Fixed-Income-Portfolios zu beobachten. Hier entdecken die Anleger zunehmend Nischen, wie Secured Finance und ABS/MBS (Asset Backed Securities/Mortgage Backed Securities). Generell wird der Kreditmarkt stärker bearbeitet als früher.

Was bedeutet das für den Beratungsansatz von Mercer?

Die zunehmende Komplexität der Anlagen und deren Verwaltung verlangen mehr Ressourcen. Als Reaktion darauf wird eine enge Zusammenarbeit mit unseren Kunden, in der Tätigkeiten an uns outgesourct werden, immer wichtiger. Dies gibt dem Kunden mehr Zeit, sich auf strategisch entscheidenden Fragen, bei denen Mercer auch beratend wirken kann, zu konzentrieren.

«Ohne die jeweiligen Experten können Anfragen nicht mehr professionell beantwortet werden»

Darüber hinaus werden die Anfragen unserer Kunden spezifischer und verlangen detaillierte Kenntnisse in den einzelnen Bereichen. Um einen Mehrwert erzielen zu können, müssen wir zunehmend auf spezialisiertes Wissen zurückgreifen. Die Rolle des klassischen Consultants verändert sich insofern, als dass er die Bedürfnisse im Idealfall besser erkennen kann, aber nur mit Hilfe der Spezialisten in der Lage ist, sie zu bedienen. Ohne die jeweiligen Experten können Anfragen nicht mehr professionell beantwortet werden.

Wir haben uns bei Mercer entsprechend aufgestellt, verfügen global über Spezialisten, die unsere lokalen Consultants unterstützen, und können so optimal auf die neuen Anforderungen auf Kundenseite eingehen. Dabei zeichnet uns auch aus, dass wir das Zusammenspiel der Verpflichtungen und der Anlagen gesamtheitlich betrachten, um beide Disziplinen zu verstehen und sie in ein Verhältnis zu setzen.


Samuel Lisse hat im September 2017 als CEO die Leitung von Mercer Schweiz übernommen. Der schweizerisch-südafrikanische Doppelbürger absolvierte das Studium zum Pensionskassenleiter an der Fachschule für Personalvorsorge und verfügt über 15 Jahre internationale Erfahrung in der beruflichen Vorsorge. Er war acht Jahre als Pensionskassenleiter bei Alexander Forbes Financial Services in Johannesburg tätig. Weitere Stationen waren Assurinvest (Pensions Manager) und Swiss Life Pension Services (Aktuar). Vor seinem Einstieg bei Mercer leitete Lisse die Sammelstiftung Vita.