Für manche Firmen ist Nachhaltigkeit im Asset Management nur eine Gelegenheit zur Vermarktung von Produkten, ohne dass sie vom Thema überzeugt sind, sagt Tycho Sneyers von der LGT.


Herr Sneyers, wie wichtig ist Nachhaltigkeit für die Finanzbranche?

Heutzutage ist Nachhaltigkeit im Asset Management ein wichtiges Anliegen, wahrscheinlich gar ein Hauptthema. Für manche Firmen ist das nur eine weitere Gelegenheit zur Vermarktung ihrer Produkte, ohne dass sie von der Bedeutung der Nachhaltigkeit wirklich überzeugt wären.

Andere Unternehmen wie wir bei der LGT glauben fest daran, dass es entscheidend ist, die dringendsten Probleme unserer Gesellschaft wie zum Beispiel den Klimawandel anzugehen.

Wann hat alles begonnen?

LGT Capital Partners war sehr früh mit dabei beim «verantwortlichen Investieren», wie wir es damals nannten. Alles begann 2002, als wir vom schwedischen Rentensystem (AP7) ein Private-Equity-Mandat erhielten. Sie baten uns darum, basierend auf Environmental- Social- and Governance- (ESG) Faktoren einige Investments auszuschliessen. Da wir es für sinnvoll hielten, Investitionen in Tätigkeiten zu vermeiden, die schädlich für die Gesellschaft sind, haben wir mit unseren «Crown Premium Private Equity»-Anlageprogrammen ab 2003 ein ähnliches Konzept umgesetzt.

«Wie so oft bei grossen Veränderungen brauchen die Dinge ein bisschen länger als erwartet»

Ein wichtiger Meilenstein für die gesamte Investmentindustrie war die Aufstellung der Principles for Repsonsible Investment (PRI) durch die Vereinten Nationen 2006. LGT Capital Partners entschied sich 2008, ein Mitglied dieses Netzwerks zu werden, wodurch wir zu einem der ersten teilnehmenden Alternative-Asset-Manager wurden.

Dazumal gab es viel weniger Teilnehmer, genannt Unterzeichner. Heute ist die Zahl auf mehr als 2'000 Unterzeichner gewachsen, die über 80 Billionen Dollar an Vermögen verwalten. Die PRI ist das weltweit führende Gremium und die wichtigste Verfechterin der Einbindung der ESG-Kriterien in der Vermögensverwaltungsbranche.

Trotzdem scheint die Entwicklung eher langsam. Warum?

Wie so oft bei grundlegenden Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft brauchen die Dinge ein bisschen länger als erwartet, und dann geschehen sie plötzlich schneller als man es für möglich hält. Ich denke, dass sich bei der Nachhaltigkeit ein ähnliches Muster zeigen wird.

Ein Konzept wie Nachhaltigkeit in der Finanzwirtschaft in die Tat umzusetzen ist äusserst komplex und braucht Zeit. Genauer gesagt braucht es Zeit, bis die Leute die Perspektive wechseln und bis sich die rechtlichen Rahmenbedingungen und Anlageprozesse ändern. Dennoch denke ich, dass wir nah an einem Wendepunkt sind, ab dem die Branche beginnen wird, sich viel schneller zu entwickeln.

Wird der Aktionsplan zu nachhaltigen Finanzen, auf den sich die EU 2018 geeinigt hat, weiterhin die Entwicklung begünstigen?

Die EU ist die erste Instanz, die einen umfassenden Regierungsplan lanciert hat um nachhaltiges Wachstum zu finanzieren und Nachhaltigkeit in allen Märkten anzugehen. Die EU plant, Kohlenstoffemissionen bis 2030 um 40 Prozent zu reduzieren. Das erfordert enorme Investitionen. Finanzmärkte spielen eine zentrale Rolle bei der Sicherstellung der Verfügbarkeit dieser Gelder, benötigen jedoch Hilfe beim Erkennen von wirklich nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten. Können sie diese nicht von nur scheinbar nachhaltigen unterscheiden, werden gewisse Unternehmen das Wort Nachhaltigkeit vor allem für «Greenwashing» verwenden, also für reines Marketing ohne Inhalt.

«Deshalb machen Regulationen im Falle der Nachhaltigkeit durchaus Sinn»

Die EU erachtet Nachhaltigkeit als Priorität und ist deshalb speditiv in der Einführung eines rechtlichen Rahmens. Das ist sehr wichtig, vor allem in einer Zeit, in der die USA bei diesem Thema auf jegliche Führung verzichtet.

Freie Märkte brauchen gelegentlich Führung und einen Anstoss, um sicherzustellen, dass sie durch die wichtige Rolle, die sie in der Kapitalzuweisung erfüllen, am Ende die ökologischen und sozialen Ziele unserer Gesellschaft unterstützen. Deshalb machen Regulationen im Falle der Nachhaltigkeit durchaus Sinn. Die angepeilte Senkung von CO2-Emissionen pro Land ist noch immer deutlich zu niedrig. Deshalb wird eine Art staatliche Intervention nötig sein, um wieder auf Kurs zu kommen.

Sie begrüssen den EU-Aktionsplan. Besteht keine Gefahr, dass die starke Regulierung Unternehmen hemmt?