In Zeiten des Wandels sollte man auch bewährte Annahmen und Antworten kritisch hinterfragen. Dies gilt auch für die Frage nach dem richtigen Anlagestil.

Von Wilson Cheung, Investment Strategist und Stefan Hofer, Chief Investment Strategist (LGT Private Banking Asia)

Eine der vielleicht am häufigsten wiederholten Maximen an den Finanzmärkten lautet, dass Aktionäre für Geduld und langfristiges Durchhaltevermögen belohnt werden. Hätte ein Anleger beispielsweise 1995 100 Dollar in eine Auswahl global diversifizierter Aktien investiert, betrüge seine Rendite aktuell rund +379 Prozent – gemessen an der Entwicklung des MSCI All Countries USD Index.

Anders ausgedrückt: Über diesen sehr langen Zeitraum lag die durchschnittliche monatliche Rendite für globale Aktien bei 0,6 Prozent. Der beste Monat brachte einen Gewinn von +22,5 Prozent, während der schlechteste Monat einen Verlust von -32,9 Prozent bescherte. Die Schwankungsbreite zwischen diesen Höchst- und Tiefstwerten ist signifikant. Zurecht verweisen einige Beobachter darauf, wie schwierig es ist, das richtige Timing zu finden.

Wie wichtig ist das Timing?

Jedoch kann auch das obsessive Bemühen, den genau richtigen Einstiegs- und Verkaufszeitpunkt zu finden, zu erheblichen Verluste führen. Im Vergleich dazu kann eine lange Haltefrist solche Höhen und Tiefen ausgleichen. Je länger also die Haltefrist ist, desto wahrscheinlicher wird, dass ein Anleger zumindest die Durchschnittsrendite erzielt.

Um aber Erträge zu erzielen, die über der langfristigen Durchschnittsrendite liegen, muss man sogenannte «aktive Wetten» eingehen.

Varianten bei der aktiven Selektion: regional oder sektoral?

Statt in ein breit gestreutes Aktienportfolio zu investieren, kann man sich als aktiver Anleger beispielsweise auf regionale oder sektorale Faktoren konzentrieren.

Die Regionen, in die traditionell am häufigsten investiert wird, sind unserer Ansicht nach die USA, die Eurozone, die Schwellenländer und Japan. Wenn wir die Renditen auf Basis einer gemeinsamen Währung betrachten (zum Beispiel in Dollar), dann lieferten US-Aktien zwischen 1995 und Juni 2021 die höchste durchschnittliche monatliche Rendite von +0,8 Prozent. Europa und Japan lagen mit +0,6 Prozent an zweiter Stelle und die Schwellenländer (in Dollar) mit 0,2 Prozent an dritter Stelle. Interessant ist aber ein Blick auf die Bandbreite der Rendite-Unterschiede zwischen den jeweiligen Märkten.

Die monatliche Bandbreite wird berechnet, indem man vom Markt mit der besten Performance den Markt mit der schlechtesten Performance abzieht. Demnach liegt die durchschnittliche monatliche Renditespanne langfristig gesehen bei 7 Prozent. Das bedeutet, dass in jedem beliebigen Monat eine erfolgreiche Wette auf den Gewinnermarkt zu einer deutlich überdurchschnittlichen Performance geführt hätte. Genau das versuchen aktive Investmentmanager – und genau dafür verlangen sie Gebühren.

Beim aktiven Investieren in globale Sektoren sind die Chancen für eine Outperformance sogar noch grösser. Gemessen an der Wertentwicklung der elf globalen Standardsektoren liegt die Bandbreite bei der monatlichen Performance bei +9,4 Prozent. Die Chancen, den Marktdurchschnitt zu schlagen, sind bei einer aktiven Sektorauswahl also grösser, als wenn man lediglich zwischen Regionen auswählt. Allerdings ist auch das Verlustrisiko deutlich höher.

Wert oder Wachstum?

Eine weitere gängige Maxime an den Finanzmärkten empfiehlt, nur in Anlagen zu investieren, die man kennt und versteht. Wer sich mit den Konjunkturzyklen, der Finanz- und Geldpolitik, Unternehmen, Sektoren und Märkten auseinandersetzt, so die Annahme, entwickelt Einstellungen oder Überzeugungen, auf deren Basis sich aktive Investmententscheidungen treffen lassen. Diese können sich im besten Falle zu einer umfassenden Investment-Philosophie entwickeln.

Bekannte Beispiele hierfür sind Value und Growth Investing. Value-Anleger suchen nach Aktien, die gemessen an ihrer fundamentalen Profitabilität günstig bewertetet sind. Growth-Anleger konzentrieren sich hingegen auf das Wachstumspotenzial zukünftiger Gewinne und legen weniger Wert auf aktuelle Bewertungskennzahlen.

Dividenden als Element der Investment-Strategie

Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Erholung in der ausgehenden Pandemie ist derzeit eine Renaissance der Dividenden-Orientierung zu beobachten. Wie die nachstehende Grafik zeigt, spielen Dividenden auf längere Sicht tatsächlich eine wichtige Rolle für die Gesamtrendite von Aktien. Dies liegt teils daran, dass Unternehmen im Allgemeinen wieder Dividendenausschüttungen einführen oder erhöhen, wenn sie aufgrund einer anziehenden Weltwirtschaft wieder in die Gewinnzone zurückkehren.

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(Zum Vergrössern, Grafik anklicken)

Die US-Investmentbank J.P. Morgan schätzt, dass im Jahr 2020 allein in Europa 236 Unternehmen im EuroStoxx600-Index ihre Dividende gekürzt haben. Mit der Beschleunigung der wirtschaftlichen Erholung in den Industrieländern ist es verständlich, dass Anleger ihr Augenmerk wieder auf Aktien mit Dividendenwachstum richten, um genau davon zu profitieren.

Tatsächlich gibt es eine interessante Variante des Investment-Motivs rund um Dividenden: Bestimmte Unternehmen werden als Dividenden-Aristokraten bezeichnet, da sie ihre Dividendenausschüttung in den letzten 25 Jahren kontinuierlich erhöht haben.

Steigende Dividenden

Wie die obige Grafik zeigt, überzeugt ihre langfristige Performance. Bei der LGT sind wir starke Befürworter von Investitionen in Unternehmen, die ihre Ausschüttungen steigern können oder wollen und gehen davon aus, dass die derzeitige wirtschaftliche Erholung dafür sorgt, dass dieser Investmentstil populär bleibt. Steigende Dividenden können zudem als Puffer gegen höhere Volatilität an den Aktienmärkten wirken, wenn die Anleger in den kommenden Monaten ihre Annahmen über die US-Inflation und die Richtung der Geldpolitik überprüfen.