Der Klimawandel trägt zum Stress im globalen Lebensmittel-System bei. Eine nahrhafte, ausgewogene und nachhaltige Ernährung für alle wird immer schwieriger.

Von Rachel Crossley, Head of Stewardship Europe, BNP Paribas Asset Management

Lebensmittel-Hersteller und deren Kunden bekommen die Auswirkungen in Form von Defiziten bei Roh- und Inhaltsstoffen sowie steigenden Kosten zu spüren. So berichtete eines der weltweit grössten Molkereiunternehmen Ende August 2022, dass die Preise für Düngemittel, Kraftstoffe, Futtermittel und Energie im Vergleich zu 2021 im Schnitt um 145 Prozent, 134 Prozent, 36 Prozent respektive 346 Prozent gestiegen seien.

In beinahe allen Ländern ist eine rekordhohe Lebensmittel-Preisinflation zu beobachten. Diese könnte nach Ansicht der Marktbeobachter über Monate oder sogar Jahre hinweg für politisches Kopfzerbrechen und soziale Unruhen sorgen.

Lebensmittel-Sektor als Verursacher

Dabei ist der Lebensmittel-Sektor nicht nur vom Klimawandel betroffen, sondern gleichzeitig auch Verursacher: Auf die Branche entfallen rund ein Drittel der globalen Treibhausgasemissionen. Erwiesenermassen wäre es allein aufgrund der Emissionen des Ernährungssystems extrem schwierig, das Ziel des Pariser Abkommens zu erreichen, die Erderwärmung auf 2°C, geschweige denn 1.5°C, zu begrenzen – selbst bei einem vollständigen Wegfall der Emissionen aus fossilen Brennstoffen.

Darüber hinaus wirken sich der Landwirtschafts- und der Lebensmittel-Sektor auch in hohem Masse auf die Umwelt aus. Die Landwirtschaft stellt die Hauptbedrohung für 86 Prozent der vom Aussterben bedrohten Arten dar. Die Viehzucht war zwischen 1978 und 2020 für zwei Drittel der Abholzung im Amazonas verantwortlich und auf den Ackerbau entfallen 70 Prozent des globalen Wasserverbrauchs, wodurch dieser am stärksten zum Wasserstress beiträgt.

Erhebliche Risiken

Sollten die Emissionen des Sektors sowie dessen Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesundheit nicht angegangen werden, hätte dies erhebliche Risiken für die Anleger zur Folge.

Unseres Erachtens ist es in unserem sowie im Interesse unserer Kunden und Stakeholder, Regierungen und andere gesetzgebende Organe dazu zu ermutigen, Rahmenbedingungen und Richtlinien für die Transformation des globalen Lebensmittelsystems zu entwickeln

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Wachstum der Weltbevölkerung hat höhere Nachfrage nach Lebensmitteln zur Folge (Bevölkerung in Milliarden, auf Grafik klicken für grosse Ansicht)


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Lebensmittelproduktion muss bis 2050 um 70 Prozent steigen, um die gesamte Weltbevölkerung ernähren zu können (auf Grafik klicken für grosse Ansicht)


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Auf die Nutztierhaltung entfallen 80 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen, aber nur 18 Prozent der globalen Kalorienversorgung (auf Grafik klicken für grosse Ansicht)

Fahrplan für einen raschen Wandel

Aus diesem Grund haben wir gemeinsam mit 33 anderen institutionellen Investoren mit einem verwalteten Vermögen von über 17 Billionen Dollar einen Investorenbrief1 an den Generaldirektor der Ernährungs- und Landwirtschafts-Organisation der Vereinten Nationen (FAO) gerichtet. Der Brief wurde auch von der UN-gestützten Net-Zero Asset Owner Alliance (NZAOA) und globalen Führungspersönlichkeiten unterzeichnet, darunter der frühere UN-Generalsekretär Ban Ki-moon.

Als UN-Organisation, die für die Sicherstellung der globalen Ernährungssicherheit und die Beseitigung des Hungers verantwortlich ist, ist unserer Meinung nach die FAO am besten positioniert, um eine Führungsrolle bei der Bekämpfung des Klimawandels im Lebensmittel- und Landwirtschafts-Sektor zu übernehmen.

Klare Forderungen

In dem Brief fordern wir die FAO gemeinsam mit den anderen Unterzeichnern dazu auf, dem Beispiel der Internationalen Energieagentur (IEA) im Energiesektor zu folgen und eine entsprechende Roadmap für den Lebensmittelsektor zu entwickeln. Es wird die Formulierung eines Plans gefordert, mit dem sich das Lebensmittelsystem an den Pariser Klimazielen ausrichten lässt.

Gleichzeitig sollen bei der Umgestaltung des Sektors weitere ökologische und soziale Fragestellungen angegangen werden. Ein derartiges Instrument wäre von unschätzbarem Wert für Investoren bei der Gestaltung ihrer Anlage- und Stewardship-Aktivitäten sowie für Unternehmen und andere Stakeholder.

Gesunde und nachhaltige Ernährung für alle

Unserer Meinung nach sollte diese Transformation schnell und fair erfolgen sowie auf etablierten wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren. Das Lebensmittelsystem der Zukunft darf die kritischen planetaren Grenzen2 nicht überschreiten und muss gleichzeitig eine gesunde und nachhaltige Ernährung für alle sicherstellen.3

Die Roadmap muss daher Ansätze in Bezug auf die folgenden Belange umfassen:

  • Begrenzung der Methanemissionen
  • Stopp der Abholzung
  • Eindämmung des Verlusts der Artenvielfalt und Wiederherstellung natürlicher Systeme
  • Förderung alternativer Proteine
  • Eindämmung der Antibiotikaresistenz
  • Schaffung von Mechanismen zur Gewährleistung eines fairen Wandels

Gleichzeitig müssen die Bemühungen zur Beseitigung von Mangelernährung, Unterernährung sowie Übergewicht und Fettleibigkeit verstärkt werden. Mit einer solchen Roadmap würde die FAO die Länder dabei unterstützen, ihre eigenen Emissionsreduzierungsziele für die Landwirtschaft im Rahmen ihrer nationalen Ziele oder zusätzlich zu diesen festzulegen.

Finanzielle Sicherheit

Als grosser institutioneller Investor mit Engagements rund um den Globus in den Sektoren Landwirtschaft, Lebensmittel- und Getränkeherstellung, Einzelhandel und Dienstleistungen sind wir der Ansicht, dass eine nachhaltige Umgestaltung des Lebensmittel-Systems unabdingbar für die künftige finanzielle Sicherheit und das Wohlergehen von Kunden und Stakeholdern ist.

Obschon dies eine umfangreiche und komplexe Herausforderung darstellt, sind wir bereit, uns dieser gemeinsam mit Stakeholdern wie der FAO, Regierungen, Entscheidungsträgern, Unternehmen und Nicht-Regierungsorganisationen anzunehmen.

  • Mehr Informationen über BNP Paribas Asset Management finden Sie hier.

Quellenangaben
1 Der Brief wurde von FAIRR organisiert. BNPP AM ist Unterzeichner dieser Initiative. Siehe auch Global Roadmap to 2050 for Food and Agriculture – FAIRR
2 gemäss Definition des Stockholm Resilience Centre aus dem Jahr 2009
3 gemäss Beschreibung der EAT-Lancet Commission aus dem Jahr 2019