Welche Folgen hat die Euro-Untergrenze für den Schweizer Immobiliensektor? Hans-Peter Bauer über sechs Risiken und Nebenwirkungen.

  • Die unmittelbarste Auswirkung ist wohl der Umstand, dass die Nationalbank für geraume Zeit ihre geldpolitische Autonomie an die Europäische Zentralbank abgetreten hat. Bis vor kurzem lehnte die Schweizerische Nationalbank einen solchen Schritt noch vehement ab, weil sie im Falle einer Euro-Koppelung auch eine Angleichung der Euro- und der Franken-Zinsen befürchtete – sprich: einen Anstieg der Zinsen um mindestens 100 Basispunkten bei Laufzeiten bis zu zwei Jahren. Da die SNB jedoch nur eine Untergrenze gegenüber dem Euro-Franken-Kurs definiert hat und keine Obergrenze, kann sich die bestehende Zinsdifferenz auch in einem höheren EUR-Kurs äussern.
  • Der zweite unmittelbare Effekt ist die sprunghafte Verteuerung der Importgüter. Dadurch springt rein rechnerisch der Beitrag der Importgüter am Konsumentenpreis-Index von knapp minus 1 Prozent auf gut plus 1 Prozent. Damit steigen auch alle LIK-indexierten Mietverträge.
  • Die Zinskonsequenzen für die Schweiz, insbesondere für den Immobiliensektor, hängen somit vor allem von der Entwicklung der europäischen Zinsen ab. Die Nationalbank könnte in dieser Hinsicht einen günstigen Zeitpunkt gewählt haben – denn immerhin sollte die aktuelle Konjunktureintrübung entgegen der jüngsten Zinserhöhung im Sommer wieder sinkende Euro-Zinsen bewirken. Der Finanzmarkt preist aktuell eine Euro-3Monats- Zinssenkung um 45 Basispunkte bis Mitte 2012 ein. Diese konjunkturelle Abwärtstendenz, welche die SNB auch zu ihrer expliziten Warnung vor möglichen deflationären Gefahren veranlasste, erklärt mit, weshalb die Schweizer Zinsen trotz Spreadverengung bislang nur marginal höher notieren. Unter diesen Umständen dürften die Schweizer Immobilienpreise weiter stabil bis leicht höher tendieren.
  • Sollten sich die Konjunkturaussichten tatsächlich substantiell verschlechtern, dann dürfte der Fremdfinanzierungsgrad in einem deflationären Umfeld zur entscheidenden Variablen bei der Preisfindung bei Immobilien werden.
  • Erst wenn die Konjunktur in Europa wieder Boden findet, werden die Befürchtungen von Deflation zu Inflation umschlagen; momentan taxiert die OECD dies im ersten Halbjahr 2012. Und dann werden die in der Zwischenzeit angehäuften Devisenreserven beziehungsweise deren geldmengenmässiges Äquivalent in Franken Inflationsängste auslösen.
  • Diese Konstellation dürfte dann eine rasante Flucht in die Sachwerte auslösen – zum Beispiel eine Immobilienblase. Da in diesem Moment auch die Nationalbank die Zinsen drastisch anheben dürfte, hat das Ganze durchaus das Potential für ein Boom-Bust-Szenario. Und zwar unabhängig davon, wann die SNB ihre Anbindung an den Euro wieder aufheben wird.