Julius-Bär-Chef Boris Collardi scheint alles richtig zu machen: Die Personaloffensive zahlt sich aus, die Börse klatscht Beifall. Einige Makel weist das Halbjahresergebnis aber auf, wie finews.ch anmerkt.

1. Der Wachstumsmotor brummt

Julius Bär läuft auf allen Zylindern: Die Rekrutierungsoffensive bei den Kundenberatern hat der Privatbank 10,2 Milliarden Franken Neugelder eingebracht. Undiplomatisch liesse sich fragen, ob dies Gelder sind, welche die UBS nicht haben möchte, denn sie sind noch recht ertragsarm (siehe Punkt 2).

Die Börse feiert Julius Bär dennoch, die Aktie legt im morgendlichen Handel stark zu. Die Glanzlichter: Asien, Naher Osten und Monaco, wo wo Julius Bär vermutlich Kundengelder von HSBC und Credit Suisse übernehmen konnte. Diese haben sich aus dem Fürstentum am Mittelmeer zurückgezogen.

2. Ertragsarmes Neugeld

Über 10 Milliarden Franken Neugeld haben die Kundenberater von Julius Bär im ersten Halbjahr eingesammelt – allen voran in den Regionen Asien, Naher Osten und Monaco. Das ist eine solide Entwicklung. Doch wirklich profitieren konnten die «Bären» davon (noch) nicht, wie die Entwicklung der Bruttomarge zeigt.

Diese ist in den letzten zwölf Monaten um 3 auf 92 Basispunkte gesunken. Zwar erhöhte sich der Betriebsertrag um 12 Prozent auf knapp 1,6 Milliarden Franken. Dieser Anstieg war aber geringer als die Zunahme von 16 Prozent der durchschnittlich verwalteten Vermögen pro Monat, erklärt Julius Bär den Rückgang der Bruttomarge. Bleibt abzuwarten, ob sich die Neugelder künftig stärker bezahlt machen oder bloss auf den Konti liegen bleiben.

3. Schwachpunkt Schweiz

In den Erfolgsmeldungen zum Nettozufluss bei den Kunden gut versteckt – weil nicht erwähnt — ist die Entwicklung in der Schweiz. Es ist bekannt, dass Julius Bär im Heimmarkt Schweiz keine Macht ist im Private Banking. Ihr Marktanteil liegt irgendwo im mittleren einstelligen Prozentbereich.

Daran hat auch das Kurzengagement von Barend Fruithof, entgegen ambitionierter Pläne, wenig geändert. Und daran scheint bislang auch sein Nachfolger Gian A. Rossi wenig geändert zu haben. Um einen Führungsanspruch in der Schweiz einlösen zu können, müsste Julius Bär hierzulande einen Coup landen – dieser würde wohl in eine Akquisition münden. Reich an möglichen Kandidaten ist der Markt zurzeit aber nicht. Die Schweiz bleibt ein Versprechen, welches Julius Bär noch einzulösen hat.

4. Kosten – eine Gratwanderung

Auf den ersten Blick ist es eine Explosion: Im Vergleich zum Vorjahr stiegen die Kosten für das Julius-Bär-Personal um 22 Prozent an. Auf den zweiten Blick dann eine Teilentwarnung. 11 Prozent des Kostenanstieges gehen auf die einmalige Änderung des Pensionskassenplanes zurück.

Doch Julius Bär befindet sich in einem Rekrutierungsrennen. Anstatt Banken oder Kundenassets zu akquirieren, kauft sie Kundenberater ein; 97 an der Zahl in den vergangenen zwölf Monaten. Und weitere 250 Angestellte für andere Funktionen in der Bank.

Bislang geht der Plan auf: Das Ertragswachstum kann den Kostenanstieg beim Personal kompensieren. In Bezug auf die Gesamtkosten profitierte die Bank im ersten Halbjahr von einem Rückgang der Wertberichtigungen und Rückstellungen.

5. Digitalisierung hat ihren Preis

Die Zürcher Privatbank wird auch künftig hohe Kosten schultern müssen. Dazu gehören neben Personalkosten auch Aufwendungen in die Erneuerung der veralteten IT. Die Bank ist daran, ihr Kernbankensystem mit einer Temenos-Lösung zu ersetzen.

Dazu hat die Bär-Gruppe im Dezember 2015 die Commerzbank International Luxembourg, kurz Cisal, erworben, welche bereits auf der Temenos-Plattform operiert. Vor diesem Hintergrund könnte auch die kürzlich kommunizierte Beteiligung an Nectar durchaus mit der Digitalisierungsstrategie in Verbindung gebracht werden. Nectar ist ein Schwyzer Fintech für Wealth und Asset Management.

6. Nun kommen die Frauen

Im Gruppen-Management von Julius Bär ist seit kurzem Larissa Alghisi Rubner als Kommunikationschefin vertreten. Nun folgt die erste Ernennung einer Frau im Management der Bank: Beatriz Sanchez wird Lateinamerika-Chefin und tritt in die Geschäftsleitung ein. Man muss Bär-CEO Boris Collardi bei dieser Personalie Mut zuschreiben – aber nicht weil Sanchez eine Frau ist.

Die schweizerisch-amerikanische Doppelbürgerin kommt von Goldman Sachs, wo sie das Lateinamerika-Geschäft im Wealth Management verantwortet hatte. Davor war sie bei der HSBC Schweiz gewesen – und rückte somit in den Fokus spanischer Geldwäschereiermittlungen. Offensichtlich haben diese Untersuchungen die Schweizer Finma in ihrem Entscheid nicht beeinflusst, ihr grünes Licht für das Engagement bei Julius Bär zu geben. Doch werden die Ermittlungen in Spanien weiterhin für Nebengeräusche sorgen. 

7. Notorisch auf der dünnen Seite: Eigenkapital

Julius Bär weist bei einer vollständigen Anwendung der Basel-III-Regelung eine Eigenkapitalquote von 11,9 Prozent aus. Und die Bank weist zum wiederholten Mal daraufhin, dass dies sehr deutlich über den Mindestanforderungen von 8 Prozent liegt.

Mag sein. Im Private Banking zählt eines: Kundenvertrauen. Kapitalstärke ist das A und O in der Branche, denn Kunden wollen ihr Geld in Sicherheit wähnen. Und eine starke Eigenkapitalbasis bildet das Fundament für dieses Kundenvertrauen.

Offenbar glaubt Julius Bär, ein genügen starkes Fundament zu haben, indem sie die Mindestanforderungen übertrifft. Ihre Anstrengungen, das Eigenkapital zu stärken, halten sich in Grenzen. Die Bank erhöhte im letzten Halbjahr das Gesamtkapital um lediglich 100 Millionen Franken. Ihre risikogewichteten Aktiven baute sie um 2 Prozent ab.

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