Die Fintech-Akteure waren als Alternative zur moralisch abgewirtschafteten Finanzbranche angetreten. Doch im Jahr 2017 haben die jungen Wilden selber ihre Unschuld verloren.

Niklas Nikolajsen (Bild unten) weiss sich richtig in Szene zu setzen. Mit Errol-Flynn-Bart, kämpferischen Voten und emsiger Social-Media-Präsenz mauserte sich der selbsternannte «Finanzpirat» zu einer der herausragenden Figuren der Schweizer Fintech-Szene.

Ganz nebenbei ist der Däne auch noch schwerreich geworden. Seine Zuger Firma Bitcoin Suisse hat durch den Krypto-Währungs-Boom enorm an Bedeutung gewonnen. In seiner Heimatwährung Kronen gerechnet ist Nikolajsen bereits Bitcoin-Milliardär – und zeigte sich dieser Tage stolz mit einem nagelneuen Bentley, wie auch finews.ch berichtete.

Damit ist der Krypto-Korsar scheinbar selber im Finanz-Establishment angekommen. Denn der Bentley, das ist im Swiss Banking das Statussymbol par excellence, passend zur Villa in der steuergünstigen Gemeinde und den Hemden mit Monogramm.

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Smarte Technologie statt Massenvernichtungs-Waffen

Just gegen jene Kaste waren Fintech-Akteure vom Schlage Nikolajsens angetreten. Dem in der Finanzkrise entzauberten «Master of the Universe» stellten sie den Typus des Finanzentrepreneurs entgegen. Dieser, so der Anspruch, erleichtert den Kunden mit smarter Technologie das Leben, statt ihnen «finanzielle Massenvernichtungs-Waffen» wie Derivate zu verticken. Und anders als die Söldner in Nadelstreifen riskiert er dabei sein eigenes Vermögen.

Jener Anspruch spiegelt sich auch im Auftritt wider. Äusserlich suchen sich die (meist männlichen) «Fintechies» mit grellbunter Kleidung und üppiger Barttracht von den grau und dunkelblau uniformierten Konzernsoldaten abzuheben.

Doch mit Blick auf die letzten Monate lässt sich feststellen: Der Bart ist ab. Immer öfter fallen Fintech-Vorbilder in Muster zurück, die nur allzusehr an das geschmähte Finanz-Establishment erinnern.

Derselbe giftige Mix

Als ein solches Vorbild galt Jan Schoch (Bild unten), der mit dem Derivatespezialisten Leonteq ein Finanztechnologie-Unternehmen gründete, als noch gar niemand von Fintech sprach. Auf den Höhenflug folgte jedoch der tiefe Fall. Mittlerweile gehen Leonteq und Schoch getrennte Wege. Dabei ist es nicht sein Scheitern an sich, das zu denken gibt. Denn Scheitern ist integraler Teil des Fintech-Unternehmertums.

Viel mehr ist es die Art und Weise, wie der brillante Schoch mit Leonteq abstürzte. Selbstüberschätzung, Sturheit, völlig überrissene Wachstumsambitionen und zuletzt leere Versprechen pflasterten den Weg in den Abgrund, wie finews.ch resümierte. Also derselbe giftige Mix, der die etablierte Finanzbranche in die Katastrophe von 2008 führte.

Mit Schoch hat die Schweizer Fintech-Szene ihren Ikarus – und mittlerweile auch ihre schwarzen Schafe.

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Willkommen im «Klepto Valley»

Denn vergangenen September machte die Eidgenössische Finanzmarktaufischt (Finma) bekannt, dass sie einen Anbieter von Krypto-Währungen aus dem Verkehr gezogen hatte und in mehr als einem Dutzend Fällen ermittelt. Derweil bedroht ein wüster Streit um die Krypto-Stiftung Tezos in Zug den guten Ruf des Schweizer Fintech-Standorts. Hinter vorgehaltener Hande wird das Zuger «Krypto Valley» schon als «Klepto Valley» bezeichnet.

Intransparenz und Betrügereien – das ist nun wirklich kein Ruhmesblatt für eine Branche, die den Kunden ins Zentrum stellen will. Jedenfalls legt der von der Finma aufgedeckte «Krypto Fake» nahe, dass in Schweizer Fintech-Kreisen bei weitem nicht nur selbstlose Weltverbesserer unterwegs sind.

Tatsächlich ist den Fintech-Akteuren das Streben nach persönlichem Profit keinesfalls fremd. So hört man von Startups ein ums andere Mal, dass sie «branchenkonforme» Gehälter zahlen, um Talente von den Finanzkonzerne wegzulocken. Damit folgen sie nicht nur den Argumenten hochbezahlter Banker wie UBS-Chef Sergio Ermotti, sondern verbrennen auch munter das Wagniskapital ihrer Investoren.

Bärte für Banker

Besonders nachhaltig wirkt das nicht und zählte wohl mit zu den Gründen, weshalb sich solche Leuchttürme der Szene wie etwa der digitale Versicherungsbroker Knip dieses Jahr plötzlich an einen Partner lehnen mussten.

Natürlich: Es gibt hierzulande Fintech-Unternehmer zuhauf, die um Boni, Bentleys und natürlich um Betrügereien einen grossen Bogen machen. Dennoch zeigen die jüngsten Entwicklungen, dass es in der Szene genauso «menschelt» wie bei den etablierten Finanzkonzernen zuvor. Und wie sollte es anders sein: Von dorther kommen ja die meisten Fintech-Akteure.

Da erscheint es aberwitzig, dass viele Banker sich nun Bärte wachsen lassen und traditionsreiche Institute mit dem «Fintech-Typus» Werbung betreiben. Möglicherweise ist das aber nur ein weiteres Zeichen, dass die jungen Wilden definitiv im Establishment angekommen sind.

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