Die USA müssen eine Einigung im Handelskonflikt mit China erzielen, weil sie sonst eine der wichtigsten Entwicklungen im 21. Jahrhundert verpassen, sagt Lars Kalbreier im Interview mit finews.ch.


Herr Kalbreier, in den vergangenen Jahren war China die Wachstumslokomotive in Asien. Droht diese Entwicklung abzubrechen?

Tatsächlich ist eine Wachstumsverlangsamung eingetreten. Dafür gibt es vor allem zwei Gründe: Im ersten Halbjahr 2018 haben die chinesischen Behörden den Handelskonflikt mit den USA allzu sehr auf die leichte Schulter genommen, was sich wirtschaftlich rächte.

Zudem gab in der zweiten Jahreshälfte die chinesische Börse nach. Das war so etwas wie ein Weckruf, so dass die chinesischen Behörden Ende 2018 verschiedene wirtschaftliche Massnahmen beschlossen und sogleich einleiteten.

Mit welchem Resultat?

Nachdem die chinesischen Aktien im vergangenen Jahr mit einem Minus von 25 Prozent zu den schlechtesten Titeln in den Schwellenländern gehörten, hat sich die Situation nun entspannt – nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass sich die Märkte Anfang 2019 global erholten und sich nun auch noch eine Einigung im Handelskonflikt anbahnt.

«Das ist in China mittlerweile die Norm»

Vor diesem Hintergrund rechne ich in diesem Jahr mit einem Wirtschaftswachstum in China von 6,5 Prozent, was immer noch sehr gut ist.

Für viele Investoren waren in den vergangenen Jahren vor allem Aktien von Tech-Konzernen wie Alibaba oder Tencent der grosse Renner. Worauf sollten sich Anleger in der neuen Phase des Aufschwungs ausrichten?

Auf den Binnenmarkt – also auf Firmen, die zum lokalen Konsum der Chinesen beitragen. Das sind grösstenteils Unternehmen, die über Online-Plattformen wie Alibaba ihre Produkte vertreiben. Das ist in China mittlerweile die Norm.

Neben dem internationalen Vormarsch chinesischer Konzerne macht vor allem das riesige Infrastruktur-vorhaben «One Belt One Road» von sich reden. Welchen Einfluss hat dieses Projekt auf die Börse?

In Asien ist dieser Plan von absoluter Priorität, weil er den wirtschaftlichen und letztlich auch geopolitischen Anspruch Chinas unmissverständlich unterstreicht. Nicht zufällig heisst China auch das Reich der Mitte und wird mit der infrastrukturellen Erschliessung umliegender Länder bis fast nach Europa dieser Rolle inskünftig wieder vollauf gerecht.

«Das ‹One Belt One Road›-Vorhaben wird den Welthandel nachhaltig begünstigen»

Für den Bau sind enorme Güter und Dienstleistungen notwendig – beispielsweise Zement, so dass ein Unternehmen wie Lafarge Holcim davon unzweifelhaft profitieren wird, was sich entsprechend auch im Aktienkurs niederschlagen sollte.

Zugleich wird das «One Belt One Road›-Vorhaben die Transportkosten von Gütern zwischen den beteiligten Ländern um rund 20 Prozent reduzieren, was den Welthandel nachhaltig begünstigen wird.

«Wirtschaftlich entwickelt sich China zum Gegenpol zu den USA»

Insofern müssen die USA umso mehr an einer Einigung im Handelskonflikt mit China interessiert sein, weil sie sonst eine der wichtigsten Entwicklungen im 21. Jahrhundert verpassen. Wirtschaftlich entwickelt sich China zum Gegenpol zu den USA – so, wie es früher in politischer Hinsicht die Sowjetunion war.

Welche Rolle spielt die chinesische Währung in diesem Umfeld?

Der Renminbi wird im internationalen Wirtschaftsgefüge sicherlich an Bedeutung gewinnen. Das ist auch die erklärte Absicht der Behörden in Peking.

«Der Renminbi war bis vor kurzem für die chinesische Regierung ein Werkzeug»

Sie steuern die Währung auch entsprechend, wobei der Trend langfristig in Richtung freie Handelbarkeit geht – besonders wenn China global eine immer grössere Rolle einnimmt, was wiederum den Druck auf die USA und letztlich auch auf den Dollar verstärken wird.

Der Renminbi war bis vor kurzem für die chinesische Regierung ein Werkzeug, um ihre wirtschaftlichen Ambitionen umzusetzen.


Lars Kalbreier ist Chief Investment Officer von Vontobel Wealth Management. Er stiess im April 2017 zur Bank. Zuvor arbeitete er in verschiedenen Funktionen für die Credit Suisse und war unter anderem auch ein Gründungsmitglied des Credit Suisse Research Institute. Er startete seinen beruflichen Werdegang als Stratege für globale Märkte bei der US-Investmentbank J.P. Morgan. Er absolvierte die HEC Lausanne und hat einen Master-Abschluss in «Finance and Business Administration». Zudem ist er Chartered Financial Analyst (CFA).

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