Der Schweizer Benjamin Cavalli zählt zu den einflussreichsten Bankern in Asien. Seine Erfahrung macht ihn zu einem der wichtigsten Kronfavoriten fürs Top-Management der Credit Suisse. finews.ch hat mit ihm exklusiv gesprochen.


Herr Cavalli, wie lange sind Sie schon in Asien?

Seit 23 Jahren. Ich sage immer, es gibt zwei Lager – das eine sind die Expats, zu denen ich gehöre, die eine halbe Ewigkeit bleiben und das andere, sind jene, die nach zwei, drei Jahren zurückkehren.

Die berufliche Realität ist heute auch so, dass aus Sicht der Bank ein langfristiges Engagement in einer Region sinnvoll ist und dafür lokale Verträge abgeschlossen werden. Gerade um das Vertrauen von asiatischen Kunden zu gewinnen, braucht es Zeit. Das ist nicht in zwei Jahren getan.

Was vermissen Sie in Asien am meisten von der Schweiz?

Ich habe zwei junge Töchter, so dass es für mich wichtig ist, dass sie eine gewisse Verbindung zur Schweiz aufrecht erhalten. Darum sind wir jedes Jahr in der Schweiz, zum Skifahren und für andere Aktivitäten. Aber am meisten vermisse ich die Nähe zum weiteren Familienkreis.

Ist eine Rückkehr in die Schweiz eine Option?

Ich bin schon so lange in Asien und fühle mich da zu Hause. Was das Berufliche anbelangt, gibt es viel Arbeit unter meiner Verantwortung.

Und wenn sich eine Opportunität ergäbe?

Das ist aktuell kein Thema. Singapur ist mein Zuhause. Es gibt noch viel zu tun in Asien.

Was war der Auslöser, dass Sie in Asien geblieben sind?

Ich lebe gerne in einem dynamischen Umfeld, wo das Wachstum spürbar ist, sei das nun in Hongkong, Singapur oder Vietnam.

«Wir suchen Leute, die Interesse haben, ihren Horizont zu erweitern, also nicht Pure-Play Private Banker»

Diese Länder haben in den vergangenen zwanzig Jahren eine unglaubliche Entwicklung durchgemacht. Daran teilzunehmen und zu erleben, was die einzelnen Unternehmer mit ihren Firmen dazu beitragen, das ist schon enorm spannend.

Mit dem Einbruch an den Finanzmärkten im vierten Quartal war 2018 in der Vermögensverwaltung ein schwieriges Jahr. Trotzdem ist es der Credit Suisse gelungen – dies im Gegensatz zu anderen Banken in Asien –, mit weniger Kundenberatern die verwalteten Vermögen zu steigern. Wie geht das?

Der Grund dafür liegt sicherlich in unserem integrierten Geschäftsmodell, bei dem wir asiatische Unternehmer schon früh in ihrem Geschäftszyklus begleiten und sie beim Wachstum ihrer Firma unterstützen. Kommen sie dann zu Geld, beispielsweise durch einen Börsengang oder einen Verkauf, ist die Chance gross, dass wir dann als Bank erneut zum Zug kommen – weil wir sozusagen von Anfang an mit dabei waren. Davon haben wir in den vergangenen paar Jahren sicherlich stark profitiert.

Und darum brauchen Sie weniger Kundenberater als früher?

Wir haben keine Zahlenvorgabe, was die Anstellung von Kundenberatern betrifft. Im Hiring setzen wir auf einen Mix aus Inhouse-Talenten und externen Kundenberatern, die wir auf dem Markt suchen. Dabei wollen wir Leute, die Interesse haben, ihren Horizont zu erweitern, also nicht Pure-Play Private Banker, sondern Kundenberater, die unsere ganze Angebotspalette anbieten können und es verstehen, den Kunden neue Opportunitäten aufzuzeigen.

«Gemessen an der Profitabilität unserer Frontleute sind wir effizienter als unsere Hauptkonkurrenten»

Ich würde sogar sagen, dass wir historisch gesehen schon seit einigen Jahren gemessen an der Profitabilität unserer Frontleute um 20 bis 30 Prozent effizienter sind als unsere Hauptkonkurrenten.

Wie viel Geld verwaltet ein Kundenberater der Credit Suisse in Asien im Durchschnitt?

Das variiert je nach Seniorität. Ein Junior-Banker startet normalerweise mit einem Buch von rund 50 Millionen Dollar, und das geht dann weiter nach oben. Man kann auch den Durchschnitt ausrechnen: In Asien verwaltet die Credit Suisse mit rund 600 Kundenberatern gut 200 Milliarden (die Red.: im Durchschnitt also 333 Millionen Dollar pro Kopf). Das ist ein relativ hoher Durchschnittswert, wenn man bedenkt, dass auch jene Mitarbeiter miteingerechnet sind, die erst vor kurzem bei der Credit Suisse gestartet sind.

Läuft die Kundenakquisition in Asien anders ab als in der Schweiz?

Ich habe nie im Private Banking in der Schweiz gearbeitet, nur im Investmentbanking. Ich kann aber sagen, dass wir in Asien in den vergangenen Jahren so stark gewachsen sind, weil wir ambitionierte Leute eingestellt und laufend in ihre Ausbildung investiert haben.

«Wir haben unser Geschäftsmodell in den vergangenen Jahren massiv geändert»

Hier in Asien werden diese auch als Hunter bezeichnet. Gute Berater weiten ihr Netzwerk vor allem über existierende Kunden aus. Das zeigt sich auch darin, dass 40 bis 60 Prozent unseres Neugelds von bestehenden Kunden stammt.

Wie das?

Die Kunden wollen heute oftmals nicht mehr mit fünf oder sechs Banken verkehren. Das ist zu komplex und lohnt sich oftmals auch aus regulatorischen Gründen nicht mehr. Sie beschränken sich auf zwei, drei Institute. Da muss man sich als Bank dann beweisen, damit der Kunde ausgerechnet zu uns kommt.

Asiatische Kunden gelten in der Branche als Gambler, die häufig mit viel geliehenem Geld spekulieren. Banken hingegen sind an Vermögensverwaltungs-Mandaten interessiert, die ihnen die Möglichkeit bieten, ein Portefeuille nachhaltig zu verwalten. Wie schafft die Credit Suisse diesen Spagat?

Wir haben unser Geschäftsmodell in den vergangenen Jahren massiv geändert. Ich kann mich erinnern, dass wenn man Anfang der 2000er-Jahre asiatischen Kunden eine Mandatslösung vorschlug, man fast aus der Tür geworfen wurde. Das ist nicht mehr der Fall, zumal die Welt auch komplexer geworden ist.

«Dass der Kunde alle Fäden in der Hand haben und alles selber entscheiden will, ist vorbei»

Wir gehen nicht einfach zum Kunden und sagen ihm, dass wir einen besseren Ertrag als sein Unternehmern erzielen, sondern wir sind komplementär zu seinen finanziellen Bedürfnissen und vermitteln ihm so etwas wie einen Seelenfrieden («peace of mind») was seine finanziellen Belange angeht. Dass der Kunde alle Fäden in der Hand haben und alles selber entscheiden will, ist vorbei.

Die mit «Volldelegation investierten Vermögen» (diskretionäre Vermögensverwaltungs-Mandate) sind in den vergangenen fünf Jahren jährlich rund 20 Prozent gewachsen. Insofern würde ich den asiatischen Kunden nicht als «Gambler» bezeichnen, eher als «opportunistischen Investor», der neben einer Mandatslösung immer noch eine Komponente hat, mit der er Aktien selber kaufen und verkaufen kann.

Gute Kundenberater haben ihren Preis. Wie begegnet die Credit Suisse in Asien der Lohnspirale nach oben?

Wir bieten Marktlöhne, sind aber nicht bereit, jede Übertreibung mitzumachen. Das ist in der Branche kein Geheimnis, zumal wir nicht wie kleinere Banken gezwungen sind, eine Prämie zu bezahlen, um jemanden abzuwerben. Wir entlöhnen unsere Kundenberater auch nicht nach einer Formel, die sich nur an den Erträgen misst, sondern an verschiedenen Kriterien. So wollen wir vermeiden, dass ein Kundenberater unnötig viele Transaktionen durchführt, um seine Einnahmen zu steigern.

Die Löhne der Grossbanken-CEO sorgen in der Schweiz für Schlagzeilen und hitzige Debatten. Findet eine solche Diskussion auch in Asien statt?

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.71%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.6%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.15%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.05%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.49%
pixel