Acht Jahre nachdem er eine Mitarbeiterin sexuell belästigt haben soll, stellte die Credit Suisse einen Mitarbeiter auf die Strasse. Über die genauen Umstände des Abgangs schwieg sich die Bank aus – und provozierte damit die Wut der Betroffenen.

Es geschah im Jahr 2010: Eine junge Angestellte der Credit Suisse (CS) ging mit Kollegen auf ein Bier nach der Arbeit, wo einer von diesen sie angeblich zu küssen versuchte und sie begrabscht haben soll. 

Die Frau verhielt sich danach richtig, indem sie den Vorfall der Polizei und der Bank meldete. Keine der Untersuchungen konnte dem mutmasslichen Täter allerdings etwas nachweisen. Darüber hinaus soll ihr von der Bank eine Klage angedroht worden sein, sollte sie mit ihren Vorwürfen an die Öffentlichkeit gehen. 

Bewegung dank Tidjane Thiam

Erst 2018 kam wieder Bewegung in den Fall. Durch einen Brief der Betroffenen, welche inzwischen die Bank verlassen hatte, erfuhr CS-CEO Tidjane Thiam von dem Vorfall. Er veranlasste eine zweite Untersuchung, mit welcher er die damalige Compliance-Chefin Lara Warner betreute. 

Zudem setzte die Grossbank Antoinette Poschung als Ombudsfrau ein und schuf damit eine Anlaufstelle für derartige Fälle. Poschung hat diese Funktion weiterhin inne und sitzt mittlerweile als globale Personalchefin in der Geschäftsleitung der CS. 

Zwei Entlassungen

Durch die erneute Abklärung letztes Jahr bekam die ehemalige CS-Angestellte zumindest teilweise Recht: Es kam ans Licht, dass der Grabscher die ursprüngliche Untersuchung zusammen mit einem Kollegen behindert hatte. Die beiden wurden im Sommer 2018 von der Bank auf die Strasse gestellt, wie auch finews.ch berichtete.

Ende gut, alles gut? Nicht so, wie die Frau, welche mittlerweile über 40 Jahre als ist, feststellen musste. Der Mann, der sie damals belästigt haben soll, hat sich gegen seine Entlassung gewehrt und konnte eine Einigung mit der CS erzielen, wie «Financial News» (Artikel bezahlpflichtig) berichtete. 

Ungeschorener Täter

Er gelte nun als «Good Leaver» heisst es dort, die Bank muss ihn also behandeln, als wäre er freiwillig von Bord gegangen. Das kann zum Beispiel zur Folge haben, dass er seine aufgeschobenen Boni ausbezahlt bekommt – wer für Fehlverhalten entlassen wird, verliert diese Ansprüche in der Regel. 

Davon wusste die Frau allerdings bis vor Kurzem nichts. Dass der Täter erneut derart ungeschoren davonkommt, und nicht an den Pranger gestellt wird, sei «inakzeptabel», schrieb sie in einer Email an die Bank, welche «Financial News» vorliegt. 

Durchsichtige PR-Übungen

Im gleichen Austausch mit der CS erklärte sie ebenfalls, sie weigere sich eine Spende von 100'000 Dollar für eine Organisation ihrer Wahl anzunehmen. Die Bank hatte dies als Geste der Wiedergutmachung angeboten. 

«Ich sehe mich ausserstande guten Gewissens Mittel von einer Organisation wie der Ihren an eine gemeinnützige Organisation weiterzuleiten, deren Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Vorfall vom 16. April 2010 und seinen Folgen in einem Zusammenhang stehen», schrieb sie an die Bank. «Ich bin nicht willens, mich von der Credit Suisse für ihre oberflächlichen und durchsichtigen PR-Übungen missbrauchen zu lassen. Bitte lassen Sie solche Versuche künftig bleiben.»

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