Die UBS hingegen blieb auf Kurs: Die Idee, mit dem Wealth Management einen stabilen Ertragsstrom zu generieren und weniger dem volatilen Handel an den Finanzmärkten ausgesetzt zu sein, funktionierte. Ermottis Augenmerk lag auf dem Eigenkapital der Bank. Allerdings zeigten sich auch erste Schwächen dieser Strategie: Während die verwalteten Vermögen zwar wuchsen, kam das Ertragswachstum kaum vom Fleck. Die Milliardäre dieser Welt, auf die sich die UBS kapriziert hatte, brachten ihr Geld zwar in den sicheren Schweizer Hafen.

Aber die lukrativen Geschäfte machten sie lieber mit den US-Investmentbanken, die freigebiger mit ihrem Kapital umgingen als die UBS. Ermotti war dies bewusst, und er nahm die Wettbewerbsnachteile gegenüber den immer stärker werdenden US-Häusern in Kauf, denen ein Zinsvorteil sowie ein riesiger und homogener Heimmarkt zugute kam. Die UBS hatte ihre Stabilität wieder gefunden, und Ermotti wollte sie nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.

3. «Einfach lächerlich»

Es gibt einen roten Faden in seiner Amtszeit: Abgesehen vom initialen Strategiewechsel riskierte Ermotti nie einen grösseren Wurf. Angesichts der Geldpolitik, der Negativzinsen und des völlig unbekannten Ausgangs dieses bislang einmaligen Experiments in der Wirtschaftsgeschichte entschied er sich für totale Sicherheit – wohl auch im Hinblick auf allfällige Verwerfungen, die eines Tages kommen könnten.

Währenddessen hielt der Bullenmarkt an den Börsen an – aber die UBS profitierte davon kaum. Das ärgerte Ermotti zunehmend. «Am Ende des Tages sind wir nicht die am höchsten bewertete Investmentbank, wir sind der am tiefsten bewertete Vermögensverwalter der Welt», liess er seinem Ärger in einem Interview freien Lauf.

Analysten, Rating-Agenturen und die Medien würden die UBS immer noch als eine Investmentbank beurteilen. «Das ist einfach lächerlich.»

Keine Methoden wie Tidjane Thiam

Tatsächlich entwickelte sich der Aktienkurs 2018 und 2019 zum grössten Problem der UBS. Ermotti spürte den Druck der Investoren, den «trägen Supertanker» UBS in Fahrt zu bringen. Gleichzeitig bremste auch der Verwaltungsrat allfällige Vorhaben.

Er widersetzte sich den Rufen aus den Märkten, es doch mal mit den Methoden der Konkurrenz zu versuchen und wie Credit-Suisse-Chef Tidjane Thiam ein radikales Sparprogramm an die Hand zu nehmen. Doch Ermotti wollte die Substanz der UBS nicht schwächen – was in seinen Augen zu wenig honoriert wurde.

Nun schien er zunehmend dünnhäutiger zu werden und reagierte auf Kritik teils unwirsch. Wissend, dass auch seine Amtszeit bei der UBS einmal vorüber gehen würde, verlegte er sich vermehrt auf interne Rivalitäten und seinen Machterhalt.

Geschwächte Ersatzbank

Das äusserte sich in der Personalpolitik. Dass er Axel Lehmann aus dem UBS-Verwaltungsrat in einen operativen Job zurückholte und anschliessend zum Schweiz-Chef machte, war manchem angesichts des eigenen reichhaltigen Talent-Pools unverständlich.

Martin Blessing Anfang 2018 zum Co-Chef der neuen Supereinheit Global Wealth Management zu machen, war ein Fehlentscheid. Denn diese Reorganisation hatte zur Folge, dass der bisherige Wealth-Management-Chef Jürg Zeltner enttäuscht das Unternehmen verliess. Der damals 51-jährige Top-Private-Banker hatte lange als einer der valabelsten Kandidaten für Ermottis Nachfolge gegolten.

Wenige Monate später war auch Andrea Orcel weg. Er hatte ebenfalls auf Ermottis Job aspiriert. Die zuvor noch gut besetzte und nun geschwächte «Ersatzbank» löste bei UBS-Präsident Weber (im Bild unten links) einen unerwarteten Aktivismus aus: Unvermittelt stiess er Anfang 2019 die Nachfolgediskussion um Ermotti an – was dieser überhaupt nicht goutierte.

Brüche in der Allianz Weber und Ermotti

Später deckten Recherchen von finews.ch auf: Ermotti hatte sich nicht genügend bemüht, den Verwaltungsrat über die Abgangspläne Orcels ins Bild zu setzen. Das oberste UBS-Gremium reagierte höchst verärgert und gewährte Ermotti bloss noch zwei Jahre an der operativen Spitze der grössten Schweizer Bank. Ein Sitz im Verwaltungsrat, geschweige denn das Präsidium, waren weg vom Tisch.

Ermotti Weber

Es muss Ermotti hoch angerechnet werden, dass er sich in der Folge nicht mit der Rolle einer «lame duck» mit zweistelligem Millionengehalt begnügte. Stattdessen holte er Iqbal Khan zur UBS, verabschiedete Blessing und gewährte dem zunehmend ausgebrannten Asset-Management-Chef Körner einen ehrenvollen Abgang.

Seine grösste Niederlage, die 2019 ausgesprochene Busse von 4,5 Milliarden Euro im Steuerstreit mit Frankreich, war zwar schmerzlich. Doch sie wird in seiner Laufbahn eine Fussnote bleiben.

Nie ein Zeichen der Amtsmüdigkeit

Ermotti zeigte nie das geringste Anzeichen von Amtsmüdigkeit. Trotzdem hörte man aus dem Innern der UBS zunehmend, der CEO sei immer weniger «spürbar», Ermotti dringe nicht mehr durch. An seiner Laufbahn ausserhalb der UBS arbeitete er offenbar schon länger.

Kurze Zeit nachdem sein Nachfolger Ralph Hamers feststand, designierte der Rückversicherer Swiss Re Anfang März 2020 Ermotti zum nächsten Verwaltungsratspräsidenten und Nachfolger von Walter Kielholz. Nimmt man die Risikofreudigkeit Ermottis als Massstab, wird dieser Posten die Krönung seiner Laufbahn sein: Der einstige Top-Trader und Spitzen-Investmentbanker wird ein Geschäft verantworten, das Risiken sozusagen hasst.

Doch ein bisschen ist Ermotti während all der Jahre auch der Alte geblieben. Den derzeit heissesten Trend an der Wall Street, die sogenannten Special Purpose Acquisition Companies (SPACS), hat er sich unter den Nagel gerissen, indem er Präsident einer solchen Gesellschaft wird.

Epilog: Unternehmenskultur entscheidend

Das Vermächtnis Ermottis offenbarte sich in seinen letzten beiden Quartalsresultaten: Ungeachtet der Verwerfungen an den Märkten und der Corona-Krise steht die UBS da wie ein Fels in der Brandung. Anleger scheinen nun bereit zu sein, eine «Prämie der Langeweile» der UBS zu zahlen. Insofern übernimmt sein Nachfolger Hamers eine extrem schwierige Aufgabe.

Die UBS ist unter Ermotti die grösste Privatbank der Welt geworden, die technologisch hervorragend gerüstet ist, um den digitalen Wandel zu bestreiten. Gleichzeitig bleibt die Bürokratie in der Bank überbordend, die Compliance kontrolliert die hintersten Winkel, und das hängige Gerichtsverfahren in Frankreich ist lähmend. Ausserdem hat Ermotti kaum Versuche unternommen, die hierarchischen Strukturen aufzubrechen.

Alles in allem überlässt er eine für die Zukunft hervorragend positionierte Bank. Doch erst eine neue Unternehmenskultur wird das ganze Potenzial freisetzen können.

 

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