Nach einer fast zehnjährigen Amtszeit verlässt UBS-Chef Sergio Ermotti die grösste Schweizer Bank. Sein Job begann mit einer riskanten Wette, die er gewann. Doch auch er lernte Grenzen kennen. Ein Rückblick in drei Kapiteln.

Wer weiss, wie die UBS heute aussehen würde, wenn im September 2011 Ulrich Körner das Angebot des Verwaltungsrats angenommen hätte, intermistisch als CEO der UBS einzuspringen? Körner sagte ab, er nehme den Job nur an, wenn er als CEO fest installiert würde.

Sergio Ermotti, der im April 2011 zur UBS gekommen war, nahm das Interims-Angebot an und setzte sich ins Flugzeug nach Singapur, wo der Verwaltungsrat unter Kaspar Villiger tagte, um die Schweizer Grossbank nach dem 2-Milliarden-Handelsverlust in ihrer Investmentbank wieder auf Kurs zu bringen.

CEO-«Trade» ging auf

Die Episode zeigt, wie Ermotti damals tickte. Ganz Investmentbanker und Trader, griff er bei einer Opportunität zu, als sie sich bot. Der «Trade» ging bereits zwei Monate später auf: Bevor Axel Weber als nächster UBS-Präsident offiziell ins Amt kam, stand Ermotti als CEO fest. Und mit seiner Strategie einer UBS als Vermögensverwalterin mit schlanker Investmentbank hatte er Villiger und den Verwaltungsrat bereits überzeugt.

Die folgenden neun Jahre an der Spitze hielt Ermotti die UBS eisern auf der Linie dieser Strategie, was ihm zuletzt nicht nur Beifall einbrachte.

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(Sergio Ermotti und Kaspar Villiger, von links; Bild: Keystone)

Ermotti kam 2011 im Alter von 51 Jahren an die Spitze der UBS. Während die Finanzbranche heute in einem fundamentalen Wandel steckt, geht der Tessiner als 60-jähriger Spitzenbanker, der nach seiner erfolgreichen Restrukturierung fortan alle Risiken scheute – um die UBS nachhaltig zu transformieren.

1. «Als ob ein Atomkraftwerk stillgelegt würde»

Ermottis erstes Jahr als CEO war hart. Er übernahm die Leitung einer Bank, die in der Finanzkrise rund 50 Milliarden Franken abschreiben musste, in praktisch jeden Finanzskandal verwickelt war und bei der auf der Chefetage Leute sassen, die ihm das Leben nicht einfach machten.

Aber der Tessiner, der den Aufstieg vom Banklehrling in den Finanzolymp schaffte, befand sich auf einer Mission: Die UBS könne eine Apple oder IBM der Finanzindustrie werden, wiederholte er gerne in Interviews. Oder mit anderen Worten: Eine einst bewunderte Firma, die in massive Schwierigkeiten geraten war, um dann stärker als je zuvor zu werden.

Ermotti nahm fundamentale Entwicklungen vorweg

Im Oktober 2012 setzte Ermotti seinen Plan in die Tat um: Mit einem radikalen Schnitt wurde die Investmentbank um rund 10'000 Angestellte geschrumpft, sie baute Risiken ab und stieg in vielen Bereichen aus dem Fixed-Income-Handel aus. Die Investmentbank würde fortan mit viel weniger Kapital auskommen müssen, schlanker sein und in erster Linie für die Kunden arbeiten.

Ermotti nahm mit dieser Strategie regulatorische Einschränkungen und strengere Kapitalauflagen vorweg und positionierte die UBS als Wealth Manager der Milliardäre dieser Welt.

«UBS-isierung» machte Beispiel

Der abrupte Strategiewechsel sei teilweise aufgenommen worden, «als ob ein Atomkraftwerk stillgelegt würde», sagte Ermotti später. Aber er hatte den richtigen Mann dafür geholt: Andrea Orcel stiess Ende 2012 zur UBS und war als Chef der Investmentbank fortan Ermottis engster Verbündeter.

Das Risiko der Neuausrichtung der UBS zahlte sich aus: Investoren applaudierten, und der Aktienkurs erreichte 2013 einen vorläufigen Post-Krisen-Höchstkurs von 19.60 Franken – auch befeuert von der Geldschwemme der Zentralbanken. Ermotti verdiente sich aber auch Respekt. Er habe die UBS zu einem finanziellen Kraftpaket geschrumpft, stellte die angelsächsische Fiannzpresse ehrfürchtig fest. Bei der Konkurrenz machte die Strategie der «UBS-isierung» Schule.

Auszeichnung für geringstes Pleitenrisiko

Ermottis Ehrenrunde folgte 2014: Das britische Branchenmagazin «Euromoney» kürte die UBS zur besten Bank der Welt. Den Grund dafür sah Ermotti in einer Zahl: Auf 38 Basispunkte belief sich damals die aktuelle Prämie für Credit Default Swaps, womit der Markt ein Pleiterisiko einer Bank bewertete.

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Das war damals ein rekordtiefer Wert, nachdem die UBS-CDS-Prämie vor wenigen Jahren noch bei über 200 Basispunkten gelegen hatte. Damit war der Zeitpunkt gekommen, das Wachstum der UBS wieder zu forcieren. Ermotti wagte den Kraftakt, neben den riesigen Summen für die laufend strenger werdende Regulierung auch Milliarden für die Modernisierung der UBS-Systeme frei zu machen. Doch dann folgte der «Frankenschock».

2. «Der perfekte Sturm»

War Ermotti bislang vor allem mit der Umsetzung seiner Strategie beschäftigt gewesen, wandte er ab 2015 seine Aufmerksamkeit vermehrt dem zu, was er nicht beeinflussen konnte: die Geldpolitik. Die unvermittelte Aufhebung der Euro-Untergrenze zum Franken durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) und die Einführung von Negativzinsen waren ein Schock für die Schweizer Wirtschaft.

Gleichzeitig überschwemmte die Europäische Zentralbank (EZB) die Märkte weiterhin mit Liquidität und drückte die Zinsen ebenfalls in Richtung Null. Ermotti wähnte sich 2016 in einem «perfekten Sturm», nachdem auch noch der Wachstumsmotor China ins Stottern geraten war.

Ermotti ging «risk off»

Das antizipierte Ertragswachstum war Makulatur, während die Kosten unaufhaltsam stiegen. Die UBS stürzte an der Börse ab und musste über die Bücher. Aus dem Top-Management klang es zunehmend zaghaft: Die Spitze sei erreicht, man müsse kleinere Brötchen backen. Es waren Monate, in denen Ermotti vollends «risk off» ging.

«Ich bin sehr besorgt», sagte er in einem Interview. «Es ist nicht so, dass ich die Antwort auf alles weiss. Aber ich glaube auch nicht, dass irgendjemand, auch nicht die Zentralbanken, einen blassen Schimmer haben, wie sie den geldpolitischen Kurs ändern können oder was die Folgen dieses Kurses sein werden.»

Die ersten Schwächen

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.61%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.54%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.29%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.14%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.42%
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