Mit seiner neuen Strategie putzt Präsident António Horta-Osório die Credit Suisse heraus, und Grossinvestoren denken bereits laut über Teilverkäufe nach. Beobachtern zufolge sperrt sich das Schweizer Establishment aber noch gegen solche Schnitte.

Am kürzlichen Investorentag der Credit Suisse (CS) in London trug António Horta-Osório (Bild unten) eine Mohnblume am Revers. Ansonsten wurde der Bankpräsident, der dort seine neue Strategie präsentierte, aber nicht gerade mit Blumen überhäuft.

Auch finews.ch kritisierte, der Plan des portugiesisch-britischen Doppelbürgers für die Nummer zwei im Swiss Banking sei eine Gewichtsverlagerung vom einen Standbein aufs andere.

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Ebenfalls darf Horta-Osório vorgeworfen werden, dass es weiterhin an Köpfen fehlt, um seine Strategie auszuführen. An der Börse gab der CS-Aktienkurs anlässlich des Investorentags zeitweilig um mehr als 5 Prozent nach.

Horta-Osório macht den Hausputz

Erstaunlicherweise geht ein bestens vernetzter Investmentbanker, den finews.ch in der Sache befragt hat und der anonym bleiben möchte, deutlich weniger hart ins Gericht mit dem CS-Präsidenten.

Horta-Osório habe im Rahmen seiner Möglichkeiten und durchaus vernünftig gehandelt, sagt er. Und zwar, indem Horta-Osório das übersteigerte Risikoprofil im Investmentbanking weiter zurückbinde und das Kapital in Sparten mit stabilerer Ertragslage verlagere.

Ebenfalls seien die Bemühungen um ein besseres Risikomanagement und den dringenden Kulturwandel bei der Bank zu begrüssen. «Horta-Osório macht den Hausputz», fasst der «Regenmacher» seine Sicht auf die neue CS-Strategie zusammen.

Neue Sollbruchstellen

Damit drängt sich zwangsläufig die Frage auf: Wozu das ganze Reinemachen? So manchem ist aufgefallen, dass die neue Strategie stärker auf Divisionen setzt und die einzelnen Regionen enger an die Leine nimmt. So bilden sich neue Sollbruchstellen zwischen den einzelnen Sparten der Bank.

Der Grund: Sollte es darum gehen, Einzelteile zu veräussern oder die ganze Bank zu zerschlagen, ginge das nun wohl leichter von der Hand als noch in der Ära von Ex-CS-Präsident Urs Rohner. Zumal: auch nach dem strategischen Update halten sich derlei Spekulationen hartnäckig.

Eine Revolution eingefordert

Öl ins Feuer goss zuletzt David Herro, der Investmentchef der US-Investmentgesellschaft Harris Associates, der grössten Anteilseignerin der CS. In einem Medieninterview äussert er sich ziemlich eindeutig über die Optionen, sowohl das CS Asset Management mit demjenigen der UBS oder einem anderen Finanzinstitut zu verbinden, als auch die Investmentbank der CS in einen neuen Verbund mit einem Konkurrenten einzubringen.

Auch andere Medienberichte liessen durchblicken, dass weitere Investoren geneigt sein könnten, von der Bank «eine Revolution» einzufordern. Für die Kunden der Investmentbank-Abteilung Prime Brokerage, von der sich die CS trennt, hat sie jedenfalls in der französischen Konkurrentin BNP Paribas bereits eine Abnehmerin gefunden.

Toshiba und General Electric machen es vor

Die Planspiele zu Verkauf und Fusion haben Beratungsfirmen und Investmentbanken längst durchgespielt. Auch finews.ch rechnete unlängst die Entstehung eines «europäischen Champions» mit der Deutschen Bank oder der italienischen Unicredit als potenzielle Partner durch. Mit einem Kurs-Buchwert-Verhältnis von derzeit 0,6 ist die CS an der Börse sowieso ein Schnäppchen.

In anderen Branchen ist die Zerschlagung von Konzernen längst üblich. An Beispielen mangelt es nicht: So wurde dieser Tage bekannt, dass der US-Industrieriese General Electric (GE) die Aufspaltung in drei Grossunternehmen plant; das japanische Konglomerat Toshiba erwägt ebenfalls eine Dreiteilung.

Faktisch bankrott

Im Banking sind solch drastische Massnahmen bis jetzt kaum zur Anwendung gekommen, nicht einmal im Notfall: Während der jüngsten Finanzkrise war die US-Grossbank Citigroup faktisch bankrott – dennoch entschieden die Regulatoren, sie mittels Refinanzierungen zu erhalten.

Auch Grossbritannien stützte seine in Schieflage geratenen Grossbanken RBS, Barclays und Lloyds Bank lieber mit Staatsgeldern als sie fallenzulassen. Bei Lloyds amtete zuletzt übrigens Horta-Osório als CEO.

Und genauso war es für die «Deutschland GmbH» undenkbar, die Deutsche Bank in ihren finstersten Stunden im Jahr 2019 «den Märkten» zu überlassen. Wird dies die «Schweiz AG» auch bei der CS verhindern?

Schweizer Lösung?

Für mehrere Beobachter ist dies die zentrale Frage. Im Jahr 2009 hatten die Schweizerische Nationalbank (SNB) und der Bund die Rettung der UBS mit Steuergeldern noch durchgesetzt. Würden sich diese Kräfte nun quer legen, wenn die CS zerschlagen oder von einem (ausländischen) Konkurrenten übernommen würde?

Der befragte Investmentbanker geht davon aus, dass das hiesige «Establishment» das Institut verteidigen würde. Sinnigerweise erklärte auch UBS-Chef Ralph Hamers unlängst im kleinen Kreis, dass sich die Schweiz überlegen müsse, ob sie überhaupt einen nationalen Champion im Banking wolle.

Eine Schweizer Lösung mit der UBS – zuletzt angedacht von UBS-Präsident Axel Weber im Geheimprojekt «Signal» – könnte für die CS allerdings schneller kommen als gedacht. Dann nämlich, wenn weitere böse Überraschungen in der Bilanz des Instituts ans Licht geraten würden.

Entscheidende Frage

Dies könnte zu einem Stimmungsumschwung führen, gibt die Quelle gegenüber finews.ch zu bedenken. Dann wäre nach dem Abgang von Rohner auch kein (Schweizer) Bankpräsident mehr da, der in jedem Fall seine Hand schützend über die CS halten würde.

Horta-Osório sagte jüngst zu einer möglichen Fusion gegenüber der «NZZ» (Artikel bezahlpflichtig): «Entscheidend für uns ist die Frage, wie wir für die Kunden und Aktionäre den grösstmöglichen Wert generieren können. Unsere angekündigte Strategie beantwortet diese Frage bereits.»

Moralisch ins Abseits manövriert

Eines sei klar, betont der Investmentbanker im Gespräch: Nach den Debakeln um die New Yorker Finanzfirma Archegos und die geschlossenen CS-Greensill-Fonds im vergangenen Frühling sowie der jüngst erfolgten Massregelung im Fall Mosambik und der Bespitzelung-Affäre (Spygate) hat sich das Geldhaus sowohl operativ wie moralisch ins Abseits manövriert.

Aus dieser Sicht gebe es nur noch die Flucht nach vorn, so die Quelle. «Die CS wird nie mehr so aussehen, wie sie einmal war.»

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
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