Nach der missratenen Präsentation ihrer neuen Strategie am Investorentag in London läuft die Schweizer Grossbank Credit Suisse Gefahr, einige ihrer besten Kaderleute zu verlieren.

Bedenklich war am (gestrigen) Investorentag der Credit Suisse (CS) in der Themsestadt nicht nur, dass die Bank keine überzeugende Strategie liefern konnte. Sondern fragwürdig ist auch die Tatsache, dass es der CS unter der Ägide von Präsident António Horta Osório (Bild unten) in sieben Monaten nicht gelungen ist, die wichtigsten Führungsfunktionen neu zu besetzen. Das ist ein Armutszeugnis für ein hochbezahltes Management und lässt tief blicken.

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Gleichzeitig bringt es eine alte Frage neu aufs Tapet: Ist Thomas Gottstein (Bild unten) als CEO wirklich für die nächsten paar Jahre gesetzt oder machte er am Donnerstag bloss gute Miene zum bösen Spiel? Anders lässt sich die kuriose Situation kaum erklären, dass mit der Präsentation einer umfangreichen Restrukturierung die Bank nicht auch die damit verbundenen Personalentscheide bekanntgegeben hat.

Verwaltungsrat nicht überzeugt

Der wichtigste Indikator für die verfahrene Situation, in der sich die CS derzeit befindet, ist der frühere CS-Kadermann und Ex-Asienchef Francesco De Ferrari. Wie in den vergangenen Wochen sowohl bankintern als auch in Finanzkreisen kolportiert worden war, hätte er die Führung der globalen Wealth-Management-Einheit übernehmen sollen, also der neu gebildeten und wichtigsten Division der Bank.

So weit kam es aber seltsamerweise nicht. Dass die CS am Donnerstag seine Ernennung nicht kommunizierte, lässt entweder darauf schliessen, dass Gottstein, der angeblich «zu 500 Prozent» hinter dieser Kandidatur stand oder steht, sich nicht durchsetzen konnte. Oder, dass De Ferrari, wie es CS-intern heisst, bei seiner Vorstellung vor versammeltem Verwaltungsrat nicht gänzlich überzeugen konnte.

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Die verzögerte Nomination eines Wealth-Management-Chef wirft die CS zurück, und zwar aus verschiedenen Gründen: Erstens verharrt die Bank nun bis Ende Jahr in einer Phase der Ungewissheit. Das lähmt. Denn ohne Divisionschefs lassen sich auch die Leiter für die neu geschaffenen Marktregionen Schweiz, Europa, Naher Osten und Afrika (Emea), Asien-Pazifik und Americas sowie die darunter liegenden Chargen nicht besetzen.

Offenbar lief bei der CS in diesem Zusammenhang nicht alles nach Plan ab, zumal manche Kandidaten bereits für verschiedene Posten angefragt worden waren, ein Entscheid schliesslich aber auf die lange Bank geschoben wurde. 

Demotiviertes Personal

Zweitens lassen sich in diesem nunmehrigen Vakuum knapp zwei Monate vor Ende 2021 keine Leistungsziele für das kommende Jahr definieren. Und drittens macht sich die CS in dieser Ausgangslage verwundbar. Denn solche Phasen der Unsicherheit demotivieren das Personal, absorbieren Kräfte und verleiten viele Mitarbeitende dazu, sich Gedanken über einen Stellenwechsel zu machen. 

Wie Recherchen von finews.ch zeigen, hat denn auch die Erzrivalin UBS ihre Abwerbungsbemühungen in den vergangenen Wochen bereits intensiviert, zumal die CS verschiedene Kaderleute, die sich Chancen auf eine Beförderung ausrechneten, im Unklaren gelassen hat.

Phasen der Unsicherheit

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet Gottstein vor Jahresfrist im Gespräch mit finews.ch betonte, dass Phasen der Unsicherheit, wie sie etwa auch im Verlauf von Firmenfusionen vorkommen, für ein Unternehmen sehr heikel seien. Denn die Konkurrenz bleibe in solchen Zeiten nicht untätig, sondern versuche, die besten Leute abzuwerben. Genau mit dieser Situation ist nun die CS konfrontiert.

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