Die Midterm-Wahlen in den USA sind nicht ganz nach dem Gusto der Wirtschaft aufgegangen. Dennoch und trotz empfindlicher Erfahrungen im Steuerstreit heisst unter Schweizer Privatbanken die Losung: «Go West!»

Für Zeno Staub ist es eine «strategischen Priorität». Bis ins Jahr 2024 will er das Geschäft mit den USA forcieren, wie der Chef von Vontobel am vergangenen Donnerstag erklärte – und zwar vor Ort in den Staaten wie auch Offshore mit der SEC-lizensierten Einheit von der Schweiz aus. Schon jetzt stammt fast jeder zehnte von Vontobel verwaltete Franken aus Nordamerika.

Bald sollen es mehr werden, hofft Staub: In den USA gebe es viele Profiinvestoren, welche just die globale Expertise suchten, welche das Zürcher Investmenthauses zu bieten habe.

Die rote Welle bleibt aus

Dass die Vontobel-Führung sich nicht nur mit den Kunden und Finanzmärkten befasst, sondern sich auch Gedanken zur geopolitischen Lage gemacht hat, versteht sich von selbst. Mit den Midterm-Wahlen stehen dabei die Vereinigten Staaten besonders im Rampenlicht. Die Zwischenwahlen gelten als Treiber für die Börse, und von den Zugewinnen des republikanischen Lagers erhofft sich die Wirtschaft viel, auch hier in der Schweiz.

Die «rote Welle» eines republikanischen Siegs ist nun zwar ausgeblieben im US-Kongress, dennoch sei allein schon die sich abzeichnende Mehrheit der Partei im Repräsentantenhaus ein Geschenk für die Unternehmen, liess sich Martin Naville, Chef der schweizerisch-amerikanischen Handelskammer, in der Tageszeitung «Blick» zitieren. «Die Demokraten haben mit ihrem riesigen Staatsprogramm Unsicherheiten geschürt. Das Risiko einer Steuererhöhung oder die mögliche Stärkung von Gewerkschaften – das alles ist jetzt für die nächsten zwei Jahre vom Tisch.»

Geopolitische Gedankengänge

Ein Anreiz mehr auch für Schweizer Banken und Vermögensverwalter, in den Staaten zu Fassen. Wer sich in der Branche umhört, findet oftmals folgende Sicht auf die Welt vor: Europa ist angesichts von Ukraine-Krieg, Energiekrise und Inflation ein höchst unsicheres Pflaster geworden. Ähnliches gilt aber auch für die Verheissungen der Wachstumsmärkte in Asien angesichts der immer tieferen Gräben, die sich zwischen den (Wirtschaft-)Grossmächten USA und China öffnen.

Colm Kelleher, der Präsident der Grossbank UBS, meinte es bestimmt mit einem Augenzwinkern, als er kürzlich an einer Konferenz in Hongkong bemerkte: «Wir lesen nicht die amerikanische Presse, wir kaufen alle die China-Story.»

Zuoberst auf dem Podest

Nimmt man den Trend zur Deglobalisierung als Fakt, muss die Frage deshalb lauten, zu welchen Märkte Schweizer Privatbanken überhaupt noch Zugang haben. Bezüglich Amerika ist die Antwort relativ einfach: Die Vereinigten Staaten sind der grösste Vermögensverwaltungs-Markt der Welt und bieten darüber hinaus ein ansehnliches Wachstum. Eine viel beachtete Studie der Beratungsfirma Boston Consulting Group (BCG) rechnet mit einem jährlichen Vermögenszuwachs von 4,7 Prozent bis 2026.

Und während die Schweiz als Offshore-Vermögenszentrum entthront zu werden droht, können die USA ihren Platz als wichtigster Finanzstandort der Welt vor Hongkong und Grossbritannien wohl verteidigen.

Verbrannte Erde

Natürlich: noch vor wenigen Jahren galten die USA für das Swiss Banking als verbrannte Erde. Im Steuerstreit mit den Staaten zahlten fast 100 der hiesigen Banken knapp 7,5 Milliarden Dollar an Bussen und Einigungssummen über den Atlantik. Institute wie Wegelin oder Bank Frey gingen unter, die Grossbank Credit Suisse (CS) zog im Jahr 2015 die Konsequenzen und gab das Private Banking den USA auf. Seither sind die Streitigkeiten punktuell wieder aufgeflammt, etwa gegen Banker im Umfeld der Zürcher Ihag oder wiederum gegen die CS.

Die UBS, die im Jahr 2009 als erste Schweizer Bank im Steuerstreit eine Strafzahlung von 780 Millionen Dollar leisten musste, hat in den USA inzwischen längst wieder Grosses vor. Neben Asien gilt die Region «Americas» als wichtigster Wachstumsmarkt der weltgrössten Privatbank. Das vergangene dritte Quartal erwies sich dort für die UBS zwar als herausfordernd mit einem zweistelligen Ertragseinbruch und einem Kosten-Ertrags-Verhältnis von 83 Prozent. Hingegen liess sich das Wachstum mit 4 Milliarden Dollar an neuen gebührengenerierenden Geldern und 1 Milliarde an Lombardkrediten (Lending) sehen.

Pilgerfahrt nach New York

Ebenfalls pilgerte kürzlich die UBS-Corona nach New York, um dort den Grossinvestoren der Wall Street ihre Aufwartung zu machen. Das kolportierte Ziel der Tour: Bewegung in den Aktienkurs der Grossbank bringen, der immer noch in der Nähe des Buchwerts notiert. Als Argument für höhere Kurse sollen Präsident Kelleher und Bankchef Ralph Hamers dabei explizit auf die internationale Ausrichtung der UBS verwiesen haben – und wohl nicht zuletzt auf den «Footprint» in den USA.

In den USA eingetroffen ist mittlerweile auch Pictet. Die Genfer Privatbank hat 2020 in New York ein erstes Büro eröffnet. Und dies, obwohl die Situation des Instituts gegenüber Amerika höchst delikat ist. Als letzte der so genannten Kategorie-1-Banken, gegen welche das amerikanische Justizministerium eine Strafuntersuchung eröffnet hatte, warten die Pictet-Banker nämlich noch immer auf das Ende des US-Steuerstreit.

Wer wartet auf das «Pureplay»?

Noch in Überlegungen verhaftet ist man dagegen beim «Pureplay» an der Bahnhofstrasse, der Privatbank Julius Bär. Verschiedentlich wurde zwar über eine Interesse an einem neuerlichen Onshore-Vorstoss in die Vereinigten Staaten spekuliert. Gegenüber finews.ch relativierte Bankchef Philipp Rickenbacher im vergangenen November, die USA seien der wettbewerbsintensivste Vermögensverwaltungs-Markt der Welt, wo niemand auf einen ausländischen Player warte. «Sollten wir einen Schritt in Richtung USA machen, müssten mehrere Voraussetzungen stimmen.»

Dem Vernehmen nach wartet man bei Julius Bär noch immer auf die ideale Konstellation; der Trek Richtung Westen setzt sich bei den «Bären» wohl nicht so bald in Bewegung.

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