Investorinnen und Investoren sollten bei ihren Anlageentscheidungen nicht nur die Ertragskraft, das Wertsteigerungspotenzial und die Aktionärsstruktur eines Unternehmens beurteilen. Ebenso wichtig ist, ob die Firma auch wirklich die richtige Rechtsform hat, wie Adriano B. Lucatelli, Unternehmer und CEO von Descartes Finance, in einem Gastbeitrag schreibt.

Diese Gesamtsicht gilt insbesondere für internationale Finanzinstitute, die auch im risikoreichen Investmentbanking, insbesondere im Eigenhandel, tätig sind. Denn bei solch «unechten» Aktiengesellschaften tragen die Aktionärinnen und Aktionäre als Kapitalgeberinnen und Kapitalgeber zwar das Risiko, der grössere Teil der Wertschöpfung geht aber an das Top-Management.

Damit ist die Möglichkeit, nachhaltig Aktionärswert zu schaffen, sehr eingeschränkt.

Drohende Interessenskonflikte

Grundsätzlich sollte ein Unternehmen jene Rechtsform wählen, welche die Allokation der Wertschöpfung gemäss den Besitzverhältnissen richtig abbildet. Wenn die Wertschöpfung aus der Wirtschaftstätigkeit mehrheitlich den Kundinnen und Kunden zufällt, sollte das Unternehmen eine Genossenschaft sein. Fällt der Mehrwert mehrheitlich dem Top-Management zu, sollte sich die Firma als Partnerschaft organisieren.

Kommt die Wertschöpfung hauptsächlich den Aktionärinnen und Aktionären zugute, ist die Aktiengesellschaft am besten geeignet. Ist die Verteilung der Wertschöpfung nicht auf die Rechtsform abgestimmt, entstehen unweigerlich Interessenkonflikte unter den Stakeholdern. Die Folge ist eine nachhaltig tiefere Wertschöpfung, als tatsächlich möglich wäre.

Ernüchterndes Fazit für CS-Aktionärinnen und -Aktionäre

Tatsächlich ist das Fazit hier aus Sicht der CS-Aktionärinnen und -Aktionäre ernüchternd. Chancen und Risiko waren asymmetrisch verteilt. Im Fall von Gewinnen partizipierten die Top-Mitarbeitenden überproportional, im Fall von Verlusten trugen allein die Aktionärinnen und Aktionäre das Risiko. Berücksichtigt man diese Gewinn- und Risikoverteilung, drängt sich die Rechtsform einer Partnerschaft auf.

Doch die globalen Players dieser Branche sind als Aktiengesellschaften organisiert. Die Folge ist, dass für die Aktionärinnen und Aktionäre – über einen längeren Zeitraum betrachtet – kein Wert geschaffen wird.

Trübe Bilanz

Dies lässt sich am Beispiel der Credit Suisse (CS) zeigen. Während die Mitglieder des Topmanagements auch in Verlustjahren ein Millionengehalt bezogen und in Gewinnjahren zudem noch Boni flossen, sieht die Bilanz für die Aktionärinnen und Aktionäre sehr trüb aus. Die CS zahlte allein in den vergangenen zehn Jahren 32 Milliarden Franken an ihre Top-Manager aus.

Und der ehemalige CS-Verwaltungsratspräsident Urs Rohner hat während seiner zehnjährigen Amtszeit über 40 Millionen Franken in Bonuszahlungen erhalten. Auf der anderen Seite gingen die Aktionärinnen und Aktionäre leer aus. Mit dem Notverkauf an die UBS kriegen die Eigentümerinnen und Eigentümer noch 78 Rappen pro Aktie. Im 2013 lag der Aktienpreis der CS noch bei 25 Franken.

Renommierte Partnerschaften

Wäre die CS eine Partnerschaft gewesen, hätte sich wohl niemand über die hohen Boni für die CEOs aufgeregt, da die Partnerinnen und Partner ja die Gewinne und Verluste der Geschäftstätigkeit selbst geteilt hätten. Allerdings wäre es auch eher unwahrscheinlich gewesen, dass das Management der CS die gleichen Geschäfte getätigt hätte, wenn dessen Mitglieder direkt mit ihrem Lohn oder ihrer Pension für die Ergebnisse hätten geradestehen müssen.

Interessanterweise sind viele Investmentbanken (und Privatbanken) im späten 19. und im frühen 20. Jahrhundert ursprünglich als Partnerschaften gegründet worden. Bekannte Beispiele sind Goldman Sachs, Morgan Stanley, Lazard Frères, S.G. Warburg, Salomon Brothers, Smith Barney oder White Weld.

Corporate Governance wieder ins Lot bringen

Fazit: Banken, die grosse Risiken fahren, sollten wieder als Partnerschaften organisiert werden. Nur so kann man die Corporate Governance wieder ins Lot bringen. Das Top-Management der CS wäre als Partnership wohl kaum Risiken wie bei Greensill, Archegos oder bei den Krediten in Mozambique eingegangen.


Adriano B. Lucatelli ist ein Schweizer Unternehmer und Gründer des Fintechs Descartes Finance. Er studierte Wirtschaftswissenschaften und Internationale Beziehungen an der Universität Nevada (BA) sowie an der London School of Economics (MSc). Er promovierte an der Universität Zürich über die Thematik der globalen Finanzmarktaufsicht und arbeitete später in verschiedenen Führungsfunktionen bei der Credit Suisse und der UBS.

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