Seit 15 Jahren muss die Zürcher Privatbank immer wieder überstürzt neue Chefs einwechseln. Diesmal übernimmt Nic Dreckmann für den geschassten CEO Philipp Rickenbacher die Zügel. Das allerdings nur auf Zeit, denn Julius Bär will mit der Tradition der internen Nachfolge endgültig brechen.

Am Ende blieb Philipp Rickenbacher (Bild unten) nur noch, gute Miene zu bösem Spiel zu machen. Er sei «zutiefst dankbar» für die Rolle, die er als CEO von Julius Bär hatte spielen dürfen, erklärte der scheidende Chef am (gestrigen) Donnerstag vor Analysten und Medienvertretern – sowie auf Social Media.

Rickenbacher entschuldigte sich auch bei Aktionären, Kunden und Mitarbeitenden der Zürcher Privatbank. «Wir haben das Risiko falsch eingeschätzt, wir sind der Verantwortung als Bewahrer des Unternehmens nicht gerecht geworden», sagter er.

(Bild: Keystone)

Tragik schwingt mit

Wegen dieser Fehleinschätzung muss der 52-Jährige, welcher der Bankengruppe fünf Jahre lang vorstand, nun den Hut nehmen. Unter seiner Aufsicht hatte die selbsternannte «Pure play»-Privatbank Firmen aus dem Signa-Imperium des österreichischen Investors René Benko mit Krediten von mehr als 600 Millionen Franken versorgt.

Als Pfand akzeptierte die Bank dabei wenig werthaltige Sicherheiten und verlor, wie sich nun herausgestellt hat, den Überblick über die Daten.

Diesen Blindflug bezahlt Rickenbacher nun mit seinem Job – ein Abgang, in dem auch eine gewisse Tragik mitschwingt. Denn bei seinem Antritt im Jahr 2019 galt der begabte Ex-McKinseyaner, der bankintern rasch aufgestiegen war, als Saubermann und Hoffnungsträger nach einer Ära überstürzten Wachstums und Compliance-Mängeln beim Traditionshaus.

Schon vor fünf Jahren Kandidat

Interimistisch übernimmt für Rickenbacher nun Nic Dreckmann (Bild unten). Auf den ersten Blick ist das folgerichtig: Dreckmann ist bei einer Reorganisation der Bankführung im vergangenen Jahr zum stellvertretenden CEO ernannt worden. Als profunder Kenner der IT des Hauses und des «zweiten» Bär-Heimmarkts Asien gilt der langjährige operationelle Chef (COO) als konstanter Faktor, der das Führungsgerüst stützt.

Sinnigerweise galt er bereits als Kandidat für den Chefposten, als Rickenbacher vor fünf Jahre das Rennen für sich entschied.

(Bild: Julius Bär)

Ohne Vorwarnung

Doch Dreckmanns Berufung folgt eben auch einem Muster, das der Privatbank wenig Glück gebracht hat: Dem Schema des Lückenbüssers. Bereits der Vorgänger von Rickenbacher, Bernhard Hodler (Bild unten), wurde Ende 2017 gleichsam über Nacht an die operative Spitze katapultiert.

Sein Vorgänger Boris Collardi (Bild ganz unten), der bei dem Institut stellvertretend für eine Ära stand, hatte die Zürcher Privatbank kurz zuvor vor vollendete Tatsachen gestellt: Der umtriebige Romand wechselte damals ohne Vorwarnung zur Genfer Konkurretin Pictet und wurde dort Teilhaber.

Hodler 500

(Bild: Julius Bär)

Unverhofft in der Rolle des Feuerlöschers

Hodler, langjähriger Compliance-Chef unter Collardi, fand sich mit 57 Jahren in der Rolle des Feuerlöschers wieder, als sich bei Bär die Schattenseiten des schnellen Wachstums der Ära Collardi einzustellen begannen. Hodler musste Kosten einsparen und im Lateinamerika-Geschäft durchgreifen, für das sich bereits die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) zu interessieren begann.

Im Jahr 2020 griff die Aufsicht durch bei bei der Privatbank, nachdem sie für die Jahre 2009 bis 2018 schwere Mängel in der Geldwäschereibekämpfung festgestellt hatte. Zu diesem Zeitpunkt war Hodler bereits vom Verwaltungsrat in Frührente geschickt worden; als bitterer Nachgeschmack blieben für ihn persönlich eine Rüge der Finma und einen von der Bank teils einbehaltenen Bonus. Derweil untersagte die Finma Julius Bär zeitweilig grössere Übernahmen.

Collardi 500

(Bild: Keystone)

Ausschau nach externen Kandidaten

Julius-Bär-Präsident Romeo Lacher, der seinerzeit nach einem Nachfolger für Hodler gesucht hatte und mit dem internen Kader Rickenbacher seinen Mann fand, will diesen Weg offenbar nicht noch einmal beschreiten. Wie Lacher an der Konferenz vom Donnerstag ausführte, schaut sich die Privatbank nun extern nach Kandidaten für den CEO-Posten um.

Zumindest ansatzweise unternommen hatte dies die Privatbank zuletzt im Jahr 2007, als sie den früheren Grossbanker Alex Widmer zum Chef beförderte. Dieser war erst 2005 zu Julius Bär gestossen, nachdem er zuvor das Private Banking der viel grösseren Credit Suisse (CS) geleitet hatte. Der Grossbank hatte er aber nach einer Rückstufung den Rücken gekehrt.

Interne sind angezählt

Doch nur ein Jahr später, Ende 2008, nahm sich Widmer tragischerweise das Leben; der Verwaltungsrat musste sich unmittelbar nach Ersatz umsehen und hob den damals erst 34-jährigen Collardi auf den Schild. Der Romand war Widmer im Jahr 2006 von der CS zur den «Bären» gefolgt. Dort erlebte seine Karriere dann gleichsam einen Senkrechtstart.

Nun haben es die amtierenden Verwaltungsräte der Privatbank in der Hand, eine umsichtige Wahl zu treffen und über den internen Talentpool hinausblicken. Eine externe Suche macht auch deshalb Sinn, weil ranghohe bisherige Manager wie Finanzchefin Evie Kostakis oder Risikochef Oliver Bartholet wegen des Signa-Debakels ebenfalls angezählt sind.

Bringen sich Grossbanker ins Spiel?

Bereits wird in der Branche eifrig darüber spekuliert, wer zumindest aus Schweizer Perspektive als nächster fixer Chef von Julius Bär in Frage kommen könnte.

Als Namen fallen etwa André Helfenstein, der Schweiz-Chef der CS, dessen Spielraum aber unter der neuen UBS-Oberaufsicht deutlich eingeschränkt ist. Zusätzliche Asienerfahrung würde August Hatecke mitbringen, derzeit Private-Banking-Chef der UBS Schweiz. Adrian Künzi, früherer Notenstein-Chef und nun Europaleiter bei der Genfer UBP, könnte dagegen mit Kenntnis des Boutiquen-Ansatzes im Private Banking punkten.


Mitarbeit: Jule Wörmann

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