Die Digitalisierung bei den Banken finde schon seit dreissig Jahren statt, sagt der frühere UBS-Chefökonom Klaus Wellershoff gegenüber finews.ch. Dass man sage, Fintech sei eine Revolution, kann er nicht verstehen.


Herr Wellershoff, vor neun Jahren haben Sie die UBS verlassen und sich selbständig gemacht. Was war der Grund für Ihren Aufbruch?

Mit der Zeit wurde mir klar, dass ich nicht mein Leben lang Chefökonom bleiben würde, da ich schon mit 33 Jahren diese Verantwortung übernommen hatte. Ich wollte noch etwas Anderes machen.

Ohnehin habe ich eine klassische Karriere in einer Bank ich nie direkt angestrebt. Ich bin von Haus aus Ökonom. Ich bin es gerne und schätze die Unabhängigkeit, die ich jetzt als Unternehmer habe.

In gewisser Weise sind Sie aber Banker geblieben.

Es stimmt, das zweite Unternehmen, mit dem ich vor drei Jahren angefangen haben, ist dichter am Banking dran. Wir beraten Kunden in der Frage, welche Vermögensanlagen für sie Sinn machen.Wir helfen bei der Auswahl, der Umsetzung und Überwachung. Grundsätzlich geht es darum, dass die Kunden den Vermögensverwaltern auf Augenhöhe begegnen können. Meine Hauptmotivation für dieses Geschäft war und ist, die gängige Praxis auf dem Schweizer Finanzplatz zu verändern. Insofern steckt schon mehr dahinter als einfach eine tolle Geschäftsidee.

«Eine solche Bank sehe ich nicht»

Klar, wenn jemand gekommen wäre, der glaubhaft hätte sagen können, er baue eine wirklich Bank auf, die sich den Herausforderungen der Zeit stelle, also mit einem Leistungsversprechen, das nachhaltig erfüllbar ist, hätte mich das durchaus interessiert. Aber eine solche Bank sehe ich nicht.

Eine leise Kritik Ihrerseits an den hiesigen Banken?

Ich habe grossen Respekt vor den Leistungen der Banken – vor allem für das, was sie während und nach der Finanzkrise erreicht haben. Da ging es für das eine oder andere Institut überhaupt mal darum, zu überleben. Als Marktführer ist es zusätzlich schwierig, den «Laden» zu drehen und das Geschäftsmodell zu ändern.

Glauben Sie, dass die Fintech-Branche eine dauerhafte Veränderung der Bankenwelt bewirken wird?

Fintech und Digitalisierung finden bei den Banken schon seit dreissig Jahren statt. Es wurden bereits unzählige Arbeitsplätze obsolet – durch die Einführung von Kernbankensystemen, die Transaktionen verarbeiten, mit Schnittstellen zum Finanzplatz und zur Zentralbank und selbst zum Regulator.

«Da muss ich sagen, von was reden die?»

Als Lehrling habe ich noch von Hand die Checks im Zahlungsverkehr kodiert und gebündelt zur Zentralbank getragen. Dass da jetzt Leute kommen und sagen, Fintech sei eine Revolution? Da muss ich schon sagen, von was reden die denn?

Gibt es denn gar nichts, was Sie im Bereich Fintech für spannend halten?

Natürlich gibt es ganz viele tolle Dinge, welche die Produktivität der Finanzdienstleister weiter steigern werden. Neu scheint mir, dass man die Kundenschnittstelle technologisieren möchte. Da gibt es selbstverständlich Anpassungen an die Kommunikationsgewohnheiten der Kunden, die absolut notwendig sind. Aber dass diese Technologien ein neues Geschäftsmodell begründen sollen, da bin ich extrem skeptisch.

«In vielen Fällen ist es ganz einfach alter Wein in neuen Schläuchen»

Auch von der angewendeten Finanztheorie – etwa bei Robo-Advisors – bin ich bislang eher enttäuscht als begeistert. Deren Anlagestrategien beruhen meist auf veraltetem Wissen aus den 1980er-Jahren. In vielen Fällen ist es einfach alter Wein in neuen Schläuchen.

Insofern ist Fintech für viele Banker bloss ein «Fashion-Statement» – mehr nicht. Frei nach dem Motto: «Dabei sein ist alles.»


Der 54-jährige Klaus Wellershoff machte sich in der Schweiz als Chefökonom der UBS einen Namen. Er wurde 1995 oberster Prognostiker beim Schweizerischen Bankverein (heute UBS) und verblieb auch nach der Fusion mit der Schweizerischen Bankgesellschaft in dieser Funktion. Nach der Finanzkrise gründete der gebürtige Deutsche 2009 mit Partnern das Beratungs-Unternehmen Wellershoff & Partners, dem er heute als Verwaltungsratspräsident vorsteht. In der selben Funktion amtet er auch bei Zwei Wealth Experts, einer Firma, die er ebenfalls mitgegründet hat, und die in der Vermögensverwaltung für Privatpersonen tätig ist. Das Unternehmen hat Filialen in der Schweiz, in Italien sowie Israel und will weitere Märkte erschliessen.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.56%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.53%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.25%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.11%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.55%
pixel