Zwei Schweizer Finanzexperten haben in Dutzenden von Interviews sehr reichen Familien auf den Zahn gefühlt. Dabei erkannten sie die grossen Problemfelder, die garantiert zu Streit führen.

Wenn Familienvermögen erhalten bleiben sollen, müssen Generationen miteinander zusammenarbeiten. Nichts zerstört Harmonie und Vermögen so rasch wie ein Erbstreit, der nach dem Tod eines Familienmitglieds ausbricht. Die verschiedenen Schritte zur langfristigen und wertebasierten Steuerung des Familienvermögens werden unter dem Begriff «Family Governance» zusammengefasst.

Die Autoren Jorge Frey und Eugen Stamm kommen in ihrem neuen Buch «Von Geld und Werten» zum Schluss, dass es sich enorm lohnt, sich intensiv mit diesen Vorkehrungen zu befassen. Denn die Family Governance ist nicht gleichbedeutend mit der steuerlichen und rechtlichen Nachlassplanung. Sie ist vielmehr die Grundlage für diese technische Arbeit.

Im schlechtesten Fall

Diese Rangordnung sollte man als vermögende Person verinnerlichen: Zuerst muss die Familie sich über grundlegende Fragen einig sein, bevor man sich an die Ausarbeitung von rechtlichen Dokumenten macht. Der umgekehrte Weg ist schon fast eine Garantie für Streit.

Wer, im schlechtesten Fall ohne die Familie zu informieren, alles so organisiert, wie er es selbst für richtig hält, und hofft, die anderen würden sich seinen Entscheiden schon fügen, der geht grosse Risiken ein. Dabei kann es um so simple Fragen gehen wie die, wer überhaupt zur Familie gehört.

Der Sohn der Exfrau

Für einen Vater kann der nicht blutsverwandte Sohn seiner Exfrau genauso wichtig sein wie seine leiblichen Söhne. Das sollte er ihnen aber mitteilen und ihn nicht einfach im Stillen als Erben einsetzen. Im Rahmen der Family Governance wird in einem Schriftstück definiert, wer über die Vermögenslage informiert wird und zu welchem Zeitpunkt.

Die Family Governance soll vor allem auch ans Tageslicht bringen, wo die einzelnen Familienmitglieder grundsätzlich andere Vorstellungen haben. An erster Stelle steht die Diskussion über die gemeinsamen Ziele und Werte im Zusammenhang mit dem Vermögen. Sie spurt nämlich die weiteren Schritte vor. 

Governance in der Schweiz

Für vermögende Familien in der Schweiz ist es noch lange nicht Standard, sich mit Family Governance zu beschäftigen, wie die Autoren feststellen. Wie die Erfahrung zeigt, sind es vor allem interessierte Familienmitglieder, die das Thema aufwerfen. Es müssen nicht einmal unbedingt die Eltern sein, manchmal ist die nachfolgende Generation noch vor ihnen überzeugt, dass die eigene Familie von diesem Prozess profitieren könnte.

Es braucht aber auch von allen Beteiligten Willensstärke, den Weg gemeinsam zu gehen. In dysfunktionalen Familien, wo nur spärlich und auch nicht offen miteinander kommuniziert wird, ist Family Governance meist kein Thema.

Vielleicht zu spät

Manchmal zögern Unternehmer und Investoren die mit der Family Governance verbundenen Fragen auch so lange hinaus, bis es zu spät ist, die Dinge so zu gestalten, wie man sie gerne übergeben möchte. Die Faktoren, die einen reibungslosen Vermögensübergang stören oder gar verhindern, werden durch die Family Governance thematisiert:

  • Family-Governance-Strukturen zu erarbeiten, bedeutet, zeitlichen und emotionalen Aufwand zu leisten. Der Nutzen für die nachfolgenden Generationen ist jedoch substanziell. Denn die Faktoren, die einen reibungslosen Vermögensübergang stören oder gar verhindern, werden durch die Family Governance thematisiert:
  • Mangelnde Transparenz: Die Erben wissen nicht, welche Vermögenswerte auf sie zukommen und wann; sie wissen nicht, wer alles zu den Erben gehört; die Eltern verschweigen den Kindern Wichtiges im Zusammenhang mit dem Vermögen, etwa, indem sie im Testament Bedingungen formulieren, die nicht miteinander diskutiert wurden.
  • Überforderung: Die Erben werden nicht ausgebildet, mit dem Vermögen umzugehen; sie geraten dadurch in eine grosse Abhängigkeit von Beratern; sie hatten keine Chance, zu Lebzeiten der Erblasser Aufgaben im Zusammenhang mit dem Familienvermögen zu übernehmen.
  • Dominanz: Die Eltern oder auch nur ein Elternteil entscheiden zu Lebzeiten ausschliesslich und allein; Wünsche der Nachkommen werden dabei ignoriert oder vorweggenommen.
  • Wertediskussion nicht geführt: Es ist nicht klar, welche Wertvorstellungen den einzelnen Familienmitgliedern wichtig sind; wo sie sich überschneiden oder unterscheiden.
  • Unfaire Behandlung: Die Erben fühlen sich unfair behandelt, wenn sie unterschiedlich begünstigt oder auf den Pflichtteil gesetzt werden; sogar eine Gleichbehandlung kann als unfair empfunden werden, wenn ein Nachkomme etwa die Eltern gepflegt hat. Die heimliche Erbeinsetzung eines zweiten Ehegatten kann von den Kindern als Affront oder Erbschleicherei empfunden werden.

«Von Geld und Werten – Ungeschriebene Gesetze für eine erfolgreiche Vermögensübergabe», NZZ Libro Verlag, 34 Franken.


Jorge Frey ist Senior Partner von Marcuard Familiy Office in Zürich und begleitet Familien im Family Governance-Prozess. Er kennt ihre Herausforderungen aus der eigenen Praxis. Eugen Stamm ist Startup-Journalist bei der Investment-Plattform investiere.ch und beschäftigt sich als Autor (früher für NZZ und NZZ am Sonntag) mit dem Thema Geldanlage.



War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.56%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.9%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    27.98%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.01%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.55%
pixel