Die Geldpolitik verringert das Risiko, dass die Industrieländer 2020 stagnieren. Dennoch dürften die Finanzmärkte im nächsten Jahr weniger hohe Renditen liefern als 2019, erwartet Chris Iggo.

Von Chris Iggo, CIO for Core Investments bei Axa Investment Managers

Seit zwei Jahren fürchten die Investoren, die konjunkturelle Abkühlung münde in eine Rezession. Doch in den letzten Monaten hat sich diese Sorge abgeschwächt. Die Geldpolitik und die nachlassende weltwirtschaftliche Unsicherheit könnten dafür sorgen, dass der schon jetzt sehr lange dauernde Konjunkturzyklus weitergeht – über den Prognosezeitraum dieses Ausblicks hinaus.

Auch wenn weder Obligationen noch Aktien im Jahr 2020 ähnlich hohe Erträge erzielen dürften wie 2019, ist keine Baisse risikobehafteter Wertpapiere zu erwarten. Viele Marktsegmente sind zurzeit hoch bewertet. Die Obligationenrenditen sind schon jetzt niedriger als Anfang 2019, und Aktien notieren höher. Ausserdem gibt es Konjunkturrisiken. Selbst wenn die Investorenstimmung von Fortschritten bei den Handelsgesprächen und dem Brexit profitiert, ist eine unerwartet schwache Entwicklung wahrscheinlicher als eine unerwartet gute. Nur vorsichtiger Optimismus ist angebracht.

Bessere Konjunkturdaten

Das Zinsumfeld dürfte sich im neuen Jahr nur wenig verändern. Der Wechsel der US-Notenbank Fed von einer Straffung zu einer Lockerung Ende 2018 bereitete weiteren Zinssenkungen 2019 den Weg, und auch die Europäische Zentralbank (EZB) lockerte die Geldpolitik im September erneut. Vorerst scheint aber nur wenig für eine noch weitere Lockerung zu sprechen. Der moderate Renditeanstieg im vierten Quartal deutet darauf hin, dass es die Märkte ähnlich sehen.

Damit die Erträge im nächsten Jahr so hoch ausfallen wie 2019, müssten die Renditen noch deutlich stärker fallen, sogar auf neue Tiefs. Das würde aber eine massive Verschlechterung der Konjunktur voraussetzen. Wahrscheinlicher dürften etwas bessere Konjunkturdaten und geringfügig höhere Renditen sein.

Obligationen: Achtung Volatilität

Da die weltweite Geldpolitik die Zinsen auf einem extrem niedrigen Niveau fixiert, sind, wie erwähnt, keine grossen Renditeänderungen zu erwarten. Dies führt dazu, dass auch im hochverzinslichen Marktsegment mit anhaltend niedrigen Ausfallquoten zu rechnen ist. Für Obligationeninvestoren könnte es sich weiterhin auszahlen, verstärkt auf Unternehmenstitel zu setzen. In Europa sind die Risikoprämien zwar noch immer recht eng, doch sie profitieren davon, dass die EZB ihre Unternehmensanleihekäufe wieder aufgenommen hat.

Es ist auch recht unwahrscheinlich, dass die europäischen Regierungen jetzt plötzlich ihre Ausgaben stark anheben, vielleicht mit Ausnahme von Grossbritannien, wo im Wahlkampf manches versprochen wurde. Europa braucht eine expansivere Fiskalpolitik und ein grösseres Angebot an Staatsanleihen mit hohen Ratings. Aber das braucht Zeit.

Dennoch kann vorübergehende Volatilität an den Obligationenmärkten nicht ausgeschlossen werden. Vor dem Hintergrund der niedrigen Renditen sollten Strategien bevorzugt werden, die die Volatilität begrenzen, auf Coupons setzen und/oder diversifiziert und flexibel genug sind, um durch aktive Anlagen in den attraktivsten Marktsegmenten stabile Erträge zu erwirtschaften.

Short-Duration-Strategien haben in der Vergangenheit nur begrenzt unter Obligationenbaissen gelitten und zugleich an einer guten Marktentwicklung partizipieren können. Dies gilt vor allem für Marktsegmente mit einem höheren Beta wie High-Yield- und Schwellenlandobligationen. Diese Segmente scheinen gut zum aktuellen Ausblick zu passen.

Aktien: Die ewige Jagd nach Rendite

Es gibt nach wie vor kaum eine Alternative zu Aktien. Die akkommodierende Geldpolitik und gewisse Hoffnungen auf eine Lösung des Handelskriegs und des Brexit dürften gut für Aktien sein. Wenn sich die Indus¬trie weltweit erholt, könnte das Wirtschaftswachstum durchaus zulegen, beispielsweise in Deutschland und China, und bei einem geordneten Brexit wäre auch in Grossbritannien mehr Wachstum möglich.

Bei einem moderaten Wirtschaftswachstum mit niedrigen Zinsen dürften Wachstumswerte vor Substanzwerten liegen. Zykliker sind gegenüber defensiven Titeln noch immer sehr günstig bewertet, und es könnte zu einer weiteren leichten Bewertungsanpassung kommen. Dies gilt vielleicht nicht so sehr für die USA, doch die Dividendenrenditen vieler Aktienmärkte und Sektoren liegen über den Renditen von Obligationen.

Investoren mit Bedarf an laufenden Erträgen dürften auch in Zukunft Aktien gegenüber Obligationen bevorzugen – vor allem in Europa, wo ein Grossteil der Obligationen negativ verzinslich ist. In diesem Umfeld könnte es aber dennoch interessant sein, mit Linkern auf weltweite Inflationsrisiken zu setzen und mit europäischen High-Yield-Obligationen höhere laufende Erträge anzustreben.

ESG: Aktive Strategien

Im nächsten Jahr dürften vor allem zwei Themen die Diskussionen unter Investoren beherrschen: Die Frage, ob passives oder aktives Investieren sinnvoller ist, und die wachsende Notwendigkeit, bei Anlageentscheidungen ökologische und soziale Faktoren sowie eine gute Unternehmensführung zu beachten (ESG).

Beim aktiven Management geht es nicht nur um Mehrertrag gegenüber einem Index. Es geht um Lösungen, die zu den unterschiedlichen Ertragszielen der einzelnen Investoren passen. Aktive Strategien bieten Wahlfreiheit und Flexibilität. Ein Investitionsansatz, der kurze Durationen bevorzugt, ist vielleicht nicht in dem Sinne «aktiv», dass er häufig zwischen verschiedenen Sektoren und Laufzeitsegmenten umschichtet. Es handelt sich aber um eine aktive Entscheidung, da er ein bestimmtes Ertragsprofil anstrebt.

Analog dazu ist auch die Entscheidung für eine Themenstrategie «aktiv», da sie auf Erwartungen in Bezug auf die langfristige Entwicklung der Weltwirtschaft beruht. Dabei werden beispielsweise der demografische Wandel und der technische Fortschritt beachtet. Aktives Investieren bedeutet heute auch, ESG-Faktoren bei Anlageentscheidungen zu berücksichtigen, was eine passive Strategie nicht bieten kann. Ein solcher ESG-Ansatz trägt nicht nur zu einer besseren Welt bei, sondern bietet Investoren auch überdurchschnittliche langfristige Erträge.

 

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