Der Zahlungsstopp des Krypto-Kreditgebers Celsius hält die Anleger weiter in Atem. Derweil rollt in der Kryptobranche eine Entlassungswelle an. Die Flurbereinigung bringt aber auch Gewinner hervor.

Für Krypto-Investoren ist 2022 ein verheerendes Jahr. Die Marktturbulenzen, ausgelöst durch die zunehmenden makroökonomischen Herausforderungen wie rekordhohe Inflation, straffere Geldpolitik und andauernder Krieg in der Ukraine, führen dazu, dass Investoren viel risikoscheuer sind und sich von Krypto-Anlagen abwenden.

Wie flüchtig die Performance dieser hoch volatilen Anlageklasse sein kann, verdeutlichte Anfang Mai vor allem der Zusammenbruch des Stablecoins TerraUSD, der ein Blutbad unter Kryptowährungen auslöste und innert weniger Stunden Hunderte von Milliarden Dollar an Vermögenswerten vernichtete.

Zahlungsstopp schockiert Krypto-Anleger

Und während Anleger immer noch mit den Nachwehen des Terra/Luna-Debakels zu kämpfen haben, schockierte diese Woche der Kreditgeber Celsius Network die Krypto-Welt. Als einer der grössten Lending-Dienste stoppte Celsius zu Wochenbeginn Auszahlungen und Überweisungen zwischen Konten – und sorgte damit für einen neuerlichen Ausverkauf am Markt für Kryptowährungen. Auch am Dienstag standen Bitcoin & Co unter starkem Abgabedruck.

Ähnlich wie bei einer Bank können Celsius-Mitglieder Kryptowährungen gegen eine Zinsgutschrift einzahlen oder «kryptobesicherte Kredite» aufnehmen. Celsius lockte dabei mit schwindelerregenden Zinssätzen von jährlich bis zu 17 Prozent für Einlagen. Krypto-Kreditgeber wie Celsius werden allerdings nicht wie traditionelle Banken reguliert und verfügen nicht über grundlegende Schutzmechanismen wie die Einlagensicherung.

Regulierungen notwendig

Der Fall Celsius stellt insbesondere die Integrität von «Dezentraler Finanzwirtschaft» (DeFi) und die Nachhaltigkeit der hohen Renditen, mit denen Krypto-Lending-Dienste werben, erneut in Frage. Denn Celsius ist nur die jüngste in einer Reihe von Pleiten im Bereich der Krypto-Kreditvergabe. Es wird immer deutlicher, dass diese Unternehmen  zum Schutz ihrer Kunden grundlegende Regulierungen benötigen.

Entlassungswelle rollt an

Das Vertrauen in DeFi-Plattformen wird angeschlagen sein, solange der allgemeine makroökonomische Gegenwind weiter anhält. Der Mark für Kryptowährungen dürfte daher bis auf Weiteres sehr volatil bleiben. Der Marktabschwung setzt derweil die ganze Krypto-Branche unter Druck. So haben die Krypto-Börse Crypto.com und der Lending-Dienst BlockFi diese Woche einschneidende Sparmassnahmen und Entlassungen angekündigt. Am Dienstag teilte dann die Krypto-Börse Coinbase mit, dass sie ihre Belegschaft um 18 Prozent reduzieren wird. Wie schon beim letzten grossen Krypto-Crash 2018 rollt nun also eine grosse Entlassungswelle an.

Anfang Juni hatte die börsenkotierte Coinbase die Branche schon einmal geschockt. Die Krypto-Börse verlängerte damals nicht nur einen kurz zuvor angekündigten Einstellungsstopp, sondern zog auch bestehende Angebote für Neueinstellungen zurück. Die von den Winklevoss-Zwillingen gegründete Gemini wiederum entlässt bis zu 10 Prozent ihrer Belegschaft.

Werden traditionelle Banken mitgerissen?

Wird der Krypto-Crash nun auch herkömmliche Finanzinstitute in den Abwärtssog ziehen? Das erscheint eher unwahrscheinlich. Denn konventionelle Finanzinstitute haben sich bislang weitgehend aus dem Kryptosektor herausgehalten. Ihre direkten Engagements in Kryptowährungen sind begrenzt, wie eine Studie der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich vor kurzem offenlegte.

Aber letztlich sind am Krypto-Markt Milliarden von Vermögenswerten verpufft. Diese Kapitalvernichtung wird an der Realwirtschaft nicht schmerzlos vorübergehen. Sie wird sich in Zahlungsschwierigkeiten, Konkursen oder Insolvenzen niederschlagen. Die gesperrten Gelder der Celsius-Nutzer beispielsweise drohen nun auch anderweitig auszufallen, da die bei Celsius einbezahlten Beträge teilweise wohl auch benötigt werden, um andere ausstehende Verpflichtungen zu begleichen.

Gesunde Flurbereinigung

So schmerzhaft die aktuelle Marktbereinigung in der Krypto-Industrie ist, so gesund ist dieser Prozess auf längere Sicht. Nun wird sich die Spreu vom Weizen trennen. Zweifelhafte Projekte werden die Flurbereinigung teilweise nicht überstehen. Und Hand aufs Herz: Braucht die Welt mehr als 18'000 Kryptowährungen, von denen viele wenig bis gar keine Anhängerschaft oder kaum Handelsvolumen haben?

Allen Unkenrufen zum Trotz stellen die aktuellen Rückschläge aber nicht zur Debatte, ob die DeFi- und Blockchain-Technologie von Dauer ist. Die Akzeptanz von digitalen Vermögenswerten hat bereits einen Wendepunkt erreicht. Trotz des starken Preiszerfalls und des gegenwärtigen Vertrauensschwunds dürften Krypto- und Blockchain-Projekte nach dem Durchschreiten der Talsohle auch weiterhin wachsen. Marktgünstige Trends wie das zunehmende Interesse institutioneller Investoren unterstreichen dies.

Krisen bringen Gewinner hervor

Jede Krise ist letztlich auch eine Chance – und bringt zukünftige Gewinner hervor. In der Schweiz beispielsweise könnten dies Digitalbanken sein wie Seba und Sygnum. Die auf digitale Vermögenswerte spezialisierte Sygnum verzeichnete im Mai einen der besten Monate ihrer Geschichte. Grund dafür war die Volatilität der Kryptowährungen, die durch den Zusammenbruch des Stablecoins Terra ausgelöst wurde, wie CEO Mathias Imbach gegenüber der welschen Tageszeitung Le Temps erklärt.

Der Handel und das Depotgeschäft seien nach wie vor das Kerngeschäft. Aber Sygnum expandiere auch in die Bereitstellung von Infrastruktur für Banken, die ihren Kunden Zugang zu digitalen Vermögenswerten verschaffen wollen. Zehn Banken nutzen zu diesem Zweck bereits die Sygnum-Plattform. «Wenn sich der aktuelle Trend fortsetzt, könnte dieses B2B-Geschäft in den nächsten 12 bis 18 Monaten zum zweit- oder drittwichtigsten für uns werden», sagte Imbach.

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