Mit einer rätselhaften «Bürgerkampagne» sollte die Umsetzung der für 2023 geplanten Regeln im Handel mit digitalen Vermögenswerten verhindert werden. finews.ch hat genauer hingesehen.

Die «Krypto-Bürger» wissen, wie sie sich Gehör verschaffen können. Wort für Wort. Diesen Eindruck vermittelt zumindest eine breit angelegte Kampagne gegen die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) zu Beginn dieses Jahres.

Die Änderung selbst ist nicht allzu bedeutend. Ab 1. Januar 2023 gilt für den Umtausch von virtuellen Währungen in Bargeld oder andere anonyme Zahlungsmittel eine monatliche Limite von 1'000 Franken. Bis jetzt bezieht sich diese Limite auf einen Geschäftstag. Bei höheren Beträgen muss sich der Kunde lediglich hinreichend ausweisen.

Im Einklang mit den FATF-Regeln

Die Neuerung klingt durchaus vernünftig und folgt auf einen ähnlichen Schritt vor einem Jahr, als die Finma die Limite von 5'000 Franken auf das gegenwärtige Niveau senkte.

Darüber hinaus scheint die Anpassung im Einklang mit den FATF-Leitlinien für 2019 zu stehen. Gemäss diesen Regeln sollen virtuelle Vermögenswerte und Anbieter von virtuellen Vermögenswerten denselben Massnahmen unterliegen, die für Finanzinstitute gelten.

Verschleierte Kampagne

Trotzdem hat sich ein Gewitter zusammengebraut. Anscheinend ist der durchschnittliche Bürger vergessen worden, der auch einmal wütend werden kann. Die angestaute Verärgerung löste sich im Rahmen des Konsultationsverfahrens der Aufsichtsbehörde, als sich offenbar viele Bürgerinnen und Bürger gezwungen sahen, identisch formulierte Briefe und E-Mails in einer kaum verhüllten Kampagne in mehreren Sprachen zu versenden.

Der Tenor der Briefe lautete in etwa: «Ich bin Schweizer Bürger und bin zutiefst beunruhigt über die geplanten Änderungen, da ich und mir nahestehende Personen zunehmend Kryptowährungen verwenden. Es diskriminiert diejenigen, die ihr monatliches Gehalt in Euro umtauschen wollen. Ich bin schockiert, dass es keine Analyse zur Erläuterung des Vorschlags gegeben hat, und ich behalte mir das Recht vor, rechtliche Schritte einzuleiten, sollte er umgesetzt werden.»

Ungewöhnlicher Appetit auf Euro

Offenbar ist der Umtausch von Gehaltszahlungen in Euro zu einer Modeerscheinung geworden. Die Erklärung dafür ist entweder, dass dies auf unerklärliche Weise üblich geworden ist.

Oder der ursprüngliche Initiator der Kampagne ist ein in der EU ansässiger Anbieter virtueller Vermögenswerte, der über eine Reihe sehr aktiver Schweizerinnen und Schweizer verfügt, die einen ungewöhnlichen Appetit auf Euro haben.

Bizarre Wiederholung

Das Bizarre an der Beschwerde ist, dass es sich um eine offensichtliche, vorgefertigte Kopier-Übung in vier Sprachen handelt. Wenn man sich schon die Mühe macht, eine etablierte Aufsichtsbehörde zu beeinflussen, wäre es wohl eine bessere Idee, jede Übersetzung zu überprüfen und vielleicht eine kleine Änderung in jeder Version vorzunehmen – nur so als Anregung.

Es gab nämlich etwa 100 identische Briefe und E-Mails in deutscher Sprache von Personen mit Schweizer Wohnadresse und etwa 50 weitere in französischer Sprache. Nur vier italienischsprachige Personen sahen sich veranlasst zu schreiben, aber sie folgten dabei demselben Schema.

Finma reagiert

Ein Anruf bei Finma-Sprecher Tobias Lux ergab, dass die Aufsichtsbehörde über die im Rahmen der Anhörung eingegangenen Stellungnahmen nicht besonders überrascht war. Er wies jedoch darauf hin, dass die Art und Weise der Antworten im Rahmen des Anhörungsverfahrens der Aufsichtsbehörde ungewöhnlich schien.

Es sei wahrscheinlich, dass jemand den Text vorbereitet und zentral auf einer Website veröffentlicht habe, damit Einzelpersonen ihn kopieren und versenden könnten.

Wie üblich analysierte die Finma jede Eingabe einzeln und wog ab, ob die Anliegen in der Verordnung berücksichtigt werden sollten. Ihre anschliessende Antwort zum Thema war eindeutig: Sie wird die verschärften Regeln, wie ursprünglich vorgesehen, auf Anfang 2023 umsetzen.

Schlimmer als der Krypto-Winter

Seitdem die Briefe geschrieben wurden, hat sich die Welt ausserdem verändert. Ins grelle Rampenlicht gezogen worden sind Sam Bankman-Fried und FTX.

Das alles zeigt, dass sich der Krypto-Winter in etwas viel Schlimmeres verwandelt hat. Darum wird es interessant sein zu sehen, wie all diese leidenschaftlichen Briefeschreiber auf die nächste Runde der Finma-Verschärfung reagieren werden.