Stefan Buck tritt diesen Sommer mit der Band Hecht an den grössten Schweizer Festivals auf. Dabei ist er auf der Bühne genauso zuhause wie im Banking: finews.ch hat mit ihm über sein neues Fintech-Engagement gesprochen, über die Mühsal der Kreativität und böse Post wegen der Credit Suisse.


Herr Buck, als Frontsänger der Mundart-Band Hecht haben Sie schon viele Interviews gegeben…



Aber so eines noch nie! Also eines, in dem beleuchtet wird, dass ich noch etwas anderes mache neben Hecht. Ich habe die beiden Welten auch lange strikt getrennt.



Wieso?



Ich war den ganzen Tag im Finanzwesen unterwegs und erzählte niemandem, dass ich noch Musik mache. Ich wollte ernst genommen werden im Beruf, und dachte: wenn ich denen sage, dass ich auch noch Sänger bin, dann fragen die sich doch, ob ich wirklich Bescheid weiss. Dabei habe ich Finance studiert und weiss genug über die Materie. Erst mit der Zeit habe ich gelernt, dass die Leute das Eine vom Anderen sehr gut zu trennen vermögen.



Sie haben sich geoutet.



Aber wenn ich Adaptivv vorstellen gehe, das neue Unternehmen, bei dem ich engagiert bin, käme es mir immer noch nicht in den Sinn, als Erstes zu sagen: Hallo, ich bin der Stefan Buck von Hecht!



Was man den Musiker genauso wie den Fintech-Unternehmer Stefan Buck fragen muss: Wie viele Stunden hat Ihr Tag eigentlich?



24 Stunden, wie bei allen anderen Menschen auch. Aber ich organisiere mich halt so, dass ich hoffentlich möglichst effizient umgehe mit meiner Zeit und alles unter einen Hut kriege: die Familie, aber auch den Beruf und das Hobby.



Von einem Hobby kann bei der Musik von Hecht wohl keine Rede mehr sein. Die Band hat bereits das Zürcher Hallenstadion gefüllt. Diesen Sommer spielen Sie an den grossen Schweizer Openair-Festivals, auf dem Gurten, in Gampel, in St.Gallen.



Ich sage Hobby, weil auch die finanzielle Realität sehr lange so ausgesehen hatte, dass das damit erzielte Einkommen wirklich das eines Hobbys war.

«Natürlich stehe ich unter Strom!»

Wir machten nicht nebenher Musik, weil wir das als besonders cool empfunden hätten, sondern weil ohne Brotjob etwa eine Familie schlicht nicht drin gelegen hätte. Erst in den vergangenen zwei Jahren hat sich die Lage beim Einkommen der Band verändert. Das erlaubt es uns jetzt, hier mehr Zeit zu allozieren.



Bietet sich mit dem Erfolg von Hecht nun die Chance, sich ganz der Leidenschaft zur Musik zu widmen?



Ich mache eben das andere auch sehr gerne. Es passiert mir nicht, dass ich morgens aufstehe und denke: jetzt nähme ich lieber die Gitarre in die Hand, und dann gehe ich trotzdem ins Büro. Ich schätze das Analytische an meinem Beruf und anderseits das Kreative beim Songwriting, wo man 1’000 Ideen ausprobiert, damit eine am Ende funktioniert. Die Aufritte mit der Band sind für mich dann eher ein Abliefern. Insofern bleibt während einer Phase von Live-Auftritten wieder mehr Zeit für den Beruf.



Wenn man Ihren Live-Auftritten zuschaut, würde man meinen, dass Sie auf der Bühne ganz schön unter Strom stehen. Aber eigentlich liefern Sie nur Songs ab?



Natürlich stehe ich unter Strom! Aber alle in unserer Band betrachten die Auftritte nicht als Arbeit, sondern als Lohn für all die Songs, die man aufgenommen hat, die Fotoshootings und die Interviews, die man gegeben hat…



...nicht zuletzt!



Der Lohn ist die Energie, die man vom Publikum aufsaugt. Nach einem Wochenende mit zwei Konzerten bin ich körperlich zwar erschöpft, aber voll aufgetankt mit Energie – wenn 10’000 Leute im Publikum mitsingen, dann erhält man extrem viel zurück für seinen Einsatz. Das Anstrengendste im kreativen Bereich ist meiner Meinung nach, Neues zu schaffen. Da muss ich manchmal nach zehn Stunden im Proberaum resümieren, dass rein gar nichts rausgeschaut hat.



Können Sie die Energie aus Ihren Auftritten mit hinüber in den Beruf, ins Business nehmen?



Lustig, dass sie das fragen. Das würde ich unbedingt bestätigen – aber das Ganze funktioniert für mich in beide Richtungen. Manchmal ist es ja so, dass es im Job besser läuft als in der Musik. Und dann ist es wieder umgekehrt.



Für Hecht läuft es gerade wie geschmiert. Gibt es denn als Schweizer Mundart-Band noch etwas, das Sie erreichen wollen?



Bei der Musik geht es für mich nicht um Grösser, Schneller, Profitabler. Wir werden Hecht nicht an die Börse bringen.



Sondern?



Ich will meine besten Freunde treffen und mit denen Musik machen. Oder Songs schreiben, welche die Menschen berühren.

«Mit Hecht haben wir neun Jahre gebraucht, um von einem Publikum mit 20 Nasen ins Hallenstadion zu gelangen»

Damit wird man nie fertig. Wenn wir uns hingegen vornehmen würden, immer noch grössere Stadien füllen zu wollen, dann wäre das gefährlich für die Band. Wir würden riskieren, dass uns die Lust an der Musik vergeht. Was ich aber versprechen kann: Es wird ein neues Album geben, und ich freue mich darauf, dieses vor möglichst vielen Leuten zu spielen.



Und worum geht es denn im Business, um den Sprung zu Ihrem neuen Engagement beim Zürcher Fintech Adaptivv zu machen?



Ob in der Musik oder im Finanzwesen: Ich kreiere gerne Neues. Bei Adaptivv habe ich nun die Chance, an Produkten mitzuarbeiten, in die ich selber gerne investieren würde und die ich so noch nirgends gesehen habe. Daraus schöpfe ich Inspiration. Mit Hecht haben wir neun Jahre gebraucht, um von einem Publikum mit 20 Nasen ins Hallenstadion zu gelangen. Wer weiss, wie lange es dauert, um mit Adaptivv die Massen zu erreichen. Aber die Hauptsache ist, dass ich mit coolen Leuten auf den Weg dorthin mache.



Banker sind cool?



Das wird von aussen her oft unterschätzt. Da werden Anzugträger vermutet, die vorab viel Geld verdienen wollen. Es gibt in dieser Branche aber so viele gute Leute, mit denen man gerne kreativ wird.



Wo werden Sie denn mit Adaptivv in neun Jahren stehen?



Ich hoffe, dass wir einen neuen Stil des Investierens etablieren können und wir damit einen Mehrwert schaffen. Im Grunde streben wir danach, den Nutzern eine Art Autopilot für das Investieren zur Verfügung zu stellen. Dieser soll sie davor bewahren, die grossen Krisen an der Börse eins zu eins mitzuerleben.

«Wir möchten das adaptive Anlegen propagieren»

Ich bin zwar ein Freund des passiven Investierens mit Indexprodukten. Aber das Problem daran ist, dass Anleger jeden Crash voll mitmachen. Und wenn sie einmal 30 Prozent im Minus sind, werden sie nervös und verkaufen, und das vielleicht im ungünstigsten Moment. Das muss nicht sein. Ich will ins Bett gehen können, ohne dass mich die Angst vor weiteren Verlusten die Nacht über wach hält.



Mit Verlaub, Rendite ohne Risiko: das gibt es nicht.



Stimmt, es wäre extrem unseriös, wenn wir das so anpreisen würden. Wer aber bei der Bank nach der Finanzkrise von 2008 ein konservatives Portfolio gekauft hat, der hat mehr als zehn Jahre lang den besten Teil eines Bullenmarktes verpasst. Und wer einen aggressiven Stil wählte, hat die letzten zwei Jahre lang schwer unter zwischenzeitlichen Buchverlusten gelitten. Wir möchten das adaptive Anlegen propagieren: Mehr Risiken nehmen, wenn der Markt ruhig ist, und Risiken graduell herausnehmen, sobald es turbulent wird. Dass diese Versicherung etwas kostet, ist sonnenklar. Aber wir hoffen, mit unserer Technologie diese Kosten zu reduzieren und die Rendite zu maximieren.



Das müssen Sie erst noch beweisen.



Das Quant-Modell, das meine Kollegen bei Adaptivv an der ETH entwickelten, gibt es bereits seit sechseinhalb Jahren. Es befindet sich bereits im Einsatz bei institutionellen Kunden und ist auch einem wissenschaftlichen Peer-Review-Prozess unterzogen worden. Aber mir ist klar, dass wir noch auf längere Frist hinaus den Beweis liefern müssen. Es gilt, auch Privatbanken und Family Offices von dem Modell zu überzeugen.



Will Adaptivv auch Retailkunden ansprechen?



Absolut, wir werden investierbare Produkte lancieren, die zum öffentlichen Vertrieb zugelassen werden, also auch Privatanleger einsetzen können. Ich selber will ja in meine Lösung investieren.



Dazu werden Sie grosse Partner brauchen.



Das ist richtig. Adaptivv hat die Technologie, und ich bringe die Kontakte im Vertrieb mit. Wir sind jetzt daran, diese Partnerschaften zu knüpfen. Dies Vorzugsweise mit etablierten Unternehmen, welche die lange Sicht einnehmen und verstehen, dass es mindestens neun Jahre braucht, um im Hallenstadion anzukommen.



Sinnigerweise hat Adaptivv durchgespielt, ob Anleger mit dem Algorithmus dem Absturz der Aktie der Grossbank Credit Suisse entgangen wären. Das Modell, sagt Adaptivv, hätte bei einem Kurs von 8 Franken den Titel verkauft – nach der Übernahme durch die UBS vom vergangenen März ist der Titel im Handel nun noch knapp 80 Rappen wert.



Das war eins zu eins das, was uns das Signal mitteilte. Ich habe auf den Post hin auch einige böse Kommentare erhalten. Dabei war die Aktion in keiner Weise gegen die Credit Suisse gerichtet.

«In dieser Branche zählt am Ende, wie viel Vermögen man anzuziehen vermag»

Wir wollten lediglich aufzeigen, welche Vorteile ein emotionsloser Ansatz beim Anlegen hat. Jeder hatte damals eine Meinung zur Credit Suisse. Aber wenn der Kurs einer Aktie so unstabil wird, dann liegt der Schluss nahe, dass man da nicht länger dabei sein sollte. Unser Algorithmus misst genau diese Instabilität, respektive die Stabilität des Aktienpreises.



Ist das nicht lediglich eine andere Form einer Meinung?



Eine Meinung ist immer ein Blick in die Kristallkugel. Der Algorithmus betrachtet aber nur die Gegenwart und zieht daraus seine Schlüsse – ein Nowcast statt ein Forecast, wenn sie so wollen.



Eigentlich hätten Ihnen die Kunden nach diesem Experiment die Bude einrennen müssen, nicht?



Es gibt viele Leute, die das spannend finden. Sie sagen sich: ich bin froh, wenn ich meine Meinung gegen einen Quant-Input testen kann, der mir knallhart sagt, bei der Credit Suisse solltest du aussteigen. Aber klar, wir sind trotz des positiven Feedbacks noch ganz am Anfang mit Adaptivv. In dieser Branche zählt am Ende, wie viel Vermögen man mit einem Angebot anzuziehen vermag. Deshalb bleiben wir vorsichtig mit den Ausgaben. Wir haben ein günstiges Büro gemietet und stellen jetzt nicht auf Vorrat 50 Leute an.



Der Fintech-Boom ist in der Schweiz inzwischen verflogen. Ist es härter geworden, eine solches Unternehmen gross zu machen?



Möglicherweise ist die Phantasie rund um Fintech nicht mehr so gross wie etwa im Jahr 2015. Aber damals wie heute stimmt, dass dem Vertrieb oftmals zu wenig Beachtung geschenkt wurde. Das ist etwas, was man bei der Derivate-Spezialistin Leonteq, für die ich weiterhin tätig bin, früh begriffen hat.

«Das Ziel ist kein Nirwana, das es unbedingt zu errichten gilt»

Leonteq ist zwar ein Fintech, hat aber von Anfang an einen unglaublich starken Vertrieb aufgebaut. Die Technologie kann bei der Skalierung helfen, aber der Vertrieb entscheidet am Ende mit über den kommerziellen Erfolg.



Leonteq hat ja nicht nur Sternstunden erlebt…



Das mag sein. Meine bisher sieben Jahre bei Leonteq sind für mich ein Weg gewesen, der Spass gemacht hat und bei dem wir gemeinsam Dinge aufbauen konnten. Das bleibt. Und nun bei Adaptivv sagen wir ja nicht, wir sind das neue Superstar-Fintech. Ich glaube aber, wir verfügen über eine sehr starke Technologie. Wir müssen nun dafür sorgen, dass dies auch andere so sehen.



Wie finanziert sich die Firma eigentllich?



Alles Kapital stammt von uns. Zu einem geeigneten Zeitpunkt werden wir Partner suchen. Aber zuerst müssen wir beweisen, dass wir Vermögen anziehen können. Dann werden wir auch für Kapitalgeber spannend.



Man gewinnt den Eindruck, für Sie ist – in der Finanzwelt wie in der Musik – der Weg schon das Ziel. Ist das treffend?



Das Ziel ist wichtig, um ambitioniert zu bleiben, aber kein Nirwana, das es unbedingt zu errichten gilt. Viel entscheidender ist für mich aber die Frage: Hatte ich auf dem Weg dorthin eine gute Zeit? Genauso wie mit der Musik möchte ich bei meinem neuen Startup-Engagement einmal zurückblicken und sagen können: Hey, wir haben Vollgas gegeben. Aber vor allem haben wir die Zeit zusammen genossen. Wenn ich jedoch wüsste, dass die nächsten acht Jahre die Hölle werden, dann würde ich mir das nicht antun. Dafür ist das Leben zu kurz.


Stefan Buck ist Managing Partner bei der Derivatespezialistin Leonteq und seit vergangenem März Partner des Zürcher Fintechs Adaptivv. Abseits der Finanzwelt kennt man den 42-Jährigen als Frontmann der überaus erfolgreichen Mundart-Band Hecht. Adaptivv wurde 2016 von Tobias Setz und Felix Fernandez unter dem damaligen Namen Openmetrics Solutions als ETH-Spinoff gegründet. Die Technologie kommt bereits im Risikomanagement und bei der Portfoliomodellierung bei Schweizer Pensionskassen, Family Offices und Banken zum Einsatz. Nun soll der Vertrieb ausgeweitet werden. Seit Neuestem ist das Startup auch von der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) reguliert.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
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