Filippo Rima, Leiter Aktien im Credit Suisse Asset Management, zur Entwicklung der Fundamental­daten, Trendveränderungen und potenziellen Chancen in der Welt der Aktienanlagen.


Herr Rima, wie ist die Volatilität am Aktienmarkt, die wir 2020 erleben, im Vergleich zu früheren Einbrüchen einzuordnen?

Was den Crash von 2020 klar von früheren Crashes unterscheidet, ist das beispiellose Tempo des Kurssturzes. Die Volatilität ist enorm gestiegen, aber die Märkte sind die ganze Zeit über offen, liquide und funktionsfähig geblieben. In den Anfangsphasen wurde wahllos alles verkauft, aber für diese Anlageklasse ist es in solchen Zeiten normal, dass alle Titel über einen Kamm geschoren werden – eine echte Panik gab es nicht.

Warum sind die Märkte so schnell gefallen?

Man muss sich vor Augen führen, dass die Krise zu einem Zeitpunkt einsetzte, zu dem die meisten Aktienindizes gerade auf oder nahe ihres Allzeithochs notierten. Das ist recht ungewöhnlich, denn scharfe Korrekturen treten in der Regel dann ein, wenn die Märkte sich entweder eine Zeit lang seitwärts bewegt haben oder bereits in einen Abwärtstrend eingetreten waren.

Da die Indizes in den ersten sechs Wochen des Jahres weiter nach oben tendierten, blieb das Vertrauen hoch, und einige Anleger hatten gehebelte Positionen, die schnell abgestossen werden mussten, um die Verluste zu begrenzen.

Wie würden Sie das aktuelle Handelsumfeld beschreiben?

Die Bewegungen und Niveaus der Aktienindizes liefern kein vollständiges Bild. Aktuell sind die Märkte zweigeteilt. Manche Aktien haben sich so weit erholt, dass sie neue Rekordhochs erreicht oder fast erreicht haben, während andere noch 40 Prozent oder weiter unter ihren Höchstständen vom Februar dahindümpeln.

Die Fundamentaldaten dürften wichtiger sein denn je, wodurch wir gute Rahmenbedingungen für Stock-Picking und potenzielle Alpha-Generierung haben.

Wie schnell werden sich die Märkte Ihrer Einschätzung nach erholen?

Als thematische und/oder Nischenanleger schenken wir der Direktionalität der globalen Aktienmärkte wenig Beachtung, und wir haben kein Interesse an kurzfristigen Vorhersagen. Unsere Aufgabe ist es, strukturelle Verschiebungen und sich beschleunigende Trends zu identifizieren, um uns ein Bild davon zu machen, welche Arten von Unternehmen sich wahrscheinlich als die langfristigen Gewinner erweisen werden.

Gleichzeitig achten wir darauf, dass wir nur in Unternehmen investieren, die über ein starkes Geschäftsmodell und eine solide Bilanz verfügen. Hauptsächlich dadurch gelingt es uns, Wertschöpfung für unsere Anleger zu erzielen.

Wo finden Sie die attraktivsten Anlagechancen?

Unser thematisches Aktienangebot ist auf vier strategischen Säulen aufgebaut: Sicherheit, Robotik, Digital Health und Edutainment. In allen vier Bereichen beschleunigen sich infolge von Covid-19 bestimmte Trends bzw. wird es noch zu einer Beschleunigung kommen, daher lohnt es sich, sich mit jedem einzelnen Bereich zu befassen.

Sicherheit – Nachdem das Homeoffice schnell zur Notwendigkeit geworden ist, statt wie bisher eine Option zu sein, hat die Abhängigkeit von digitaler Technologie enorm zugenommen. Wir sehen deshalb eine schnell wachsende Nachfrage nach Lösungen, mit denen Firewalls aufgerüstet und Systeme virensicher gemacht werden können.

Robotik – Ein Kernthema in diesem Bereich ist die Neuausrichtung von Produktionsketten, vom Outsourcing zurück ins Inland und von manuell zu hoch automatisiert. Bisher hatte das Outsourcing der Produktion in Schwellenländer den Unternehmen Zugang zu kostengünstigen und in hohem Masse vorhandenen Arbeitskräften verschafft. Dementsprechend muss Robotik nun bei der Neuausrichtung der Produktionslinien sowohl aus Kosten- als auch Ressourcengründen eine erhebliche Rolle spielen. Der Dienstleistungssektor dürfte mit der Zeit auch zunehmend automatisiert werden.

Digital Health – Angesichts der Belastung des bestehenden Gesundheitswesens durch Covid-19 überrascht es nicht, dass sich auch dort der Digitalisierungstrend rasant beschleunigt. Das zeigt sich an Entwicklungen wie Telemedizin, Fernüberwachung von Patienten nach Notfallbehandlungen im Krankenhaus und dem zunehmenden Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) in der Medikamentenentwicklung.

Edutainment – Wir sprechen bei diesem Thema gerne von einer «Gamifizierung» von Bildung mit Hilfe von Entertainment-Technologie. Dieser Trend hat Segmente des Bildungssektors wie Fernstudien, virtuelle Tutorials, Sprachkurse und Mathematik infiltriert. Schon bevor Covid-19 eine rasante Expansion und damit eine enorme Beschleunigung der Entstehungsphase des Edutainment-Sektors auslöste, hatte diese Technologie das Potenzial für eine Ausweitung entsprechender Anwendungen.

Können Sie die kulturellen Auswirkungen von Covid-19 beschreiben?

Einstellungen und akzeptierte Verhaltensweisen haben sich blitzschnell und weitreichend verändert. So hat es in Italien fast 30 Jahre gedauert, bis der Online-Handel einen Anteil von 2 Prozent am Einzelhandel erreichte. Dieser Anteil hat sich nun in nur wenigen Wochen verzehnfacht. Ähnlich gab es bisher immer einen kulturellen Widerstand gegen die Weitergabe personenbezogener medizinischer Daten.

Mittlerweile ist die Bereitschaft zu Offenheit viel grösser geworden. Der allgemeine Trend zur Arbeit im Homeoffice wird auch künftig strukturell erhöht sein, und die Unternehmen müssen ihre Geschäftsansätze entsprechend umstellen. Die Not ist die Mutter der kulturellen Veränderung, und sie führt derzeit zu einem kompletten Umbau der Anlagelandschaft.


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