Carsten K. Rath: «Dieses Haus steht für Wiener Eleganz und Genuss»
Ich schätze Wiens kulturelle Kulisse aus Kaffeehäusern, Museen und Oper. Doch die Stadt ist weit mehr als das. Hinter der Fassade aus Charme und Geschichte schlägt das Herz einer modernen Wirtschaftsmetropole. Einst Zentrum der Habsburger-Monarchie, zählt Wien heute zu den am schnellsten wachsenden Grossstädten Europas. Rund ein Viertel des österreichischen Bruttoinlandsprodukts entsteht hier – ein Zeichen für die wirtschaftliche Stärke einer Stadt, die Tradition und Fortschritt souverän verbindet. Diese Philosophie finde ich besonders im legendären Hotel Sacher wieder, direkt gegenüber der Staatsoper.

Das traditionsreiche Hotel Sacher zählt zu den bekanntesten Grandhotels in Europa. (Bild: Adrian Gaut/Hotel Sacher)
Das Fünf-Sterne-Haus verbindet seit 1876 klassische Wiener Eleganz mit unternehmerischer Beständigkeit. Im Gegensatz zu vielen anderen Grandhotels, die im Laufe der Jahre ihre Bestimmung wechselten, war das Sacher von Beginn an immer als Hotel gedacht. Ich sehe mir an, ob dieses Haus, das einst Kaiser, Künstler und Komponisten beherbergte, seinem Anspruch auch in einer Zeit treu bleibt, in der vieles austauschbar geworden ist.
Historie trifft Hightech
Schon beim Betreten spüre ich: Hier wird Kultivierung grossgeschrieben. Statt kühler Schlichtheit, wie sie andere Marken heute vorleben, empfängt mich ein Ambiente voller Wärme und Charakter. Schwere Holzvertäfelungen, Kronleuchter, ornamentreiche Spiegel und ein gedämpftes Licht schaffen eine Atmosphäre, die von Haltung lebt. Jedes Detail ist sorgfältig komponiert, vom exakt platzierten Blumenarrangement bis zum polierten Messinggriff an der Zimmertür. Auf den ersten Blick wirkt das Sacher majestätisch, fast museal. Beim zweiten offenbart sich dann eine überraschend zeitgemäße Technik. Das WLAN ist rasend schnell, Licht und Raumklima lassen sich einfach anpassen, in meinem Badezimmerspiegel ist sogar ein kleiner Flachbildfernseher integriert. Alles funktioniert reibungslos, ohne die altehrwürdige Atmosphäre zu stören. Hier gehen Tradition und Moderne nahtlos ineinander über.

Das Hotel verfügt über 152 Zimmer, die im klassisch-eleganten Stil gestaltet sind. (Bild: Adrian Gaut/Hotel Sacher)
Tradition mit Geschmack
Im Sacher habe ich die Wahl zwischen sieben gastronomischen Konzepten. Dazu gehören die Grüne Bar, in der internationale Haute Cuisine mit Wiener Einschlägen serviert wird, die Blaue Bar mit feinen Drinks in Wohnzimmeratmosphäre sowie das Café Sacher. Hier wird die originale Sachertorte serviert, die einst in diesem Haus erfunden wurde. Der Andrang von Touristen ist dort allerdings gross, besonders am Wochenende.

In der Grünen Bar hängen historische Lobmeyr-Luster, die zu den ersten elektrifizierten Kristalllüstern der Welt zählen. (Bild: Adrian Gaut/Hotel Sacher)
Ich entscheide mich für das Restaurant Rote Bar, ausgezeichnet mit zwei Gault-Millau-Hauben. Zwischen roten Damastwänden, historischen Portraits und schweren Samtvorhängen serviert Küchenchef Anton Pozeg mit seinem Team neu interpretierte Wiener Klassiker. Sein Wiener Schnitzel ist präzise zubereitet, die Rindsroulade eine Hommage an Genuss und Handwerk gleichermassen. Dazu leise Klaviermusik, gedämpftes Stimmengewirr und ein Service, der spürt, wann Diskretion gefragt ist. Das ist Wien, wie es sein soll: formvollendet, ohne zu steif zu wirken.

In der Roten Bar geniessen Gäste österreichische Küche aus den besten regionalen Zutaten. (Bild: Adrian Gaut/Hotel Sacher)
Vielleicht liegt das Geheimnis dieses Hauses darin, dass es Werte bewahrt, die heute fast altmodisch wirken – und gerade deshalb wieder modern sind: Sorgfalt, Hingabe, Kontinuität. Gemeinsam mit seinem Team führt General Manager Andreas Keese diese Haltung fort und verleiht ihr eine zeitgemäße Form. Für mich verkörpert das Sacher jene Ruhe, die bleibt, wenn der Zeitgeist längst weitergezogen ist. Das ist Beständigkeit in ihrer schönsten Form.
Als früherer Grandhotelier und Betreiber des Rankings «101 beste Hotels» ist Carsten K. Rath Globetrotter von Berufs wegen. Sämtliche Hotels, über die er für finews schreibt, bereist er auf eigene Rechnung.
Rath ist zudem Autor des Buchs Iconic Hotels of the World.













