Grossbritanniens Brexit-Entscheid setzt den Erwartungen einer US-Zinserhöhung vorerst ein Ende, da die globalen Rezessions- und Deflationsängste steigen, schreibt Rob Marshall-Lee von Newton (BNY Mellon).

Rob Marshall-Lee ist Investment Leader Emerging and Asian Equity Team bei Newton (BNY Mellon)

In Europa dürfte das Risiko einer drohenden Fragmentierung der peripheren Volkswirtschaften den Euro unter Druck setzen und die sowieso schon schwache Konjunktur weiter lähmen.

Für die Schwellenländer hingegen ist die Veränderung der Zinserwartungen ein Segen. Denn dadurch sinken die Ängste vor schrumpfenden Zinsdifferenzen, so dass erneut jenes Kapital in die aufstrebenden Volkswirtschaften zurückfliesst, das diese dringend benötigen.

Geringere Export-Abhängigkeit

Das Binnenwachstum bestimmt in verschiedenen Schwellenländern massgeblich die Wirtshaft. Dazu zählen Indien, die Philippinen sowie China und Mexiko, die in geringerem Masse von den Exporten abhängig sind als noch in der Vergangenheit.

Stattdessen profitieren diese Staaten von Wirtschaftsreformen sowie der Entstehung einer Mittelschicht.

Robuste Schwellenländer

Die europäischen Märkte haben als Ziel für Kapitalströme an Attraktivität eingebüsst – infolge von politischen und wirtschaftlichen Risiken für die Währungen und dem Gewinnwachstum.

Wenn man zudem noch die Long-Positionen der Investoren in Europa betrachtet, könnte man dies unserer Meinung nach als Konzentration auf die robusteren Schwellenländer interpretieren, die eine attraktive und unterbewertete Alternative darstellen.

Trendwende vollzogen

Die Schwellenländermärkte sind zuletzt vor allem durch Währungsabwertungen belastet worden. Da sich die Rohstoffpreise wieder stabilisieren und bei der internen Konsumnachfrage eine Korrektur eingesetzt hat, haben die meisten Leistungsbilanzen, die zuletzt noch beträchtliche Defizite aufgewiesen haben, inzwischen eine Trendwende vollzogen.

Dies spricht dafür, dass die entsprechenden Währungen preiswerter sind, als sie es eigentlich sein sollten.

Attraktive Hartwährungs-Erträge

An Märkten wie Indien beobachten wir momentan positive Gewinnentwicklungen – eine Tendenz, die sich unserer Meinung nach auch in attraktiven Hartwährungs-Anlageerträgen manifestieren sollte.

Der Ausblick bleibt insgesamt aber höchst differenziert. Wir würden zum Beispiel derzeit nicht empfehlen, viel in Brasilien und Russland zu investieren. Volkswirtschaften, die nicht nur komplett vom Rohstoff-Boom leben, dürften aber überwiegend attraktiv sein.

Folgen des Brexit

Der Brexit-Entscheid sorgt für einige Unsicherheit. Die möglichen Folgen umfassen einen schwächeren Euro, ein schwächeres Wirtschaftswachstum, höhere Risikoprämien auf Aktien und Unternehmensanleihen, und eine Spreadausweitung in den peripheren Ländern (wie Italien) im Vergleich zu Volkswirtschaften aus Kerneuropa (wie Deutschland).

Deswegen gehen wir davon aus, dass wir in der nahen Zukunft nicht mit Zinserhöhungen in Europa, Nordamerika, Japan oder anderen wichtigen Märkten ausserhalb von Asien rechnen können.

Günstiger Zeitpunkt

Das nimmt den Druck von vielen Schwellenländern und asiatischen Währungen und Anleiherenditen. Letztere litten 2013 unter dem «Taper Tantrum», als der Markt US-Zinserhöhungen einpreiste, die aber – mit Ausnahme der mageren 0,25 Prozent Leitzinserhöhung im Dezember 2015 – nicht eintraten.

Unserer Meinung nach ist der Zeitpunkt günstig, um über eine Allokationserhöhung in Aktien aus Schwellenländern sowie aus Asien nachzudenken.

Strukturelle Wachstumschancen

Die Aussichten sowohl für Wachstums- als auch für Ertragsstrategien sind positiv – letzt genannte profitierten von der jüngsten Trendwende bei den asiatischen Obligationenrenditen, während sich im erst genannten Bereich in Ländern wie Indien, wo es wenig Rendite-Spielraum gibt, grössere strukturelle Wachstumschancen bieten.