Deutsche Behörden wollen einen Schweizer Spion gefangen haben: Er soll die Methoden der Steuerfahnder auskundschaftet haben. In der Schweiz spionierten ausländische Agenten immer wieder Banken aus.

Letzten Woche griffen Frankfurter Kriminalbeamte zu. In einem Hotel in der deutschen Finanzmetropole schnappten sie sich einen 54-Jährigen ehemaligen Angestellten der UBS. Der Verdacht: Der Mann soll für «den Geheimdienst einer fremden Macht» spioniert haben – für die Schweiz, wie diverse Medien bald enthüllten.

Der «Schlapphut» ist offenbar seit Anfang 2012 im Auftrag des Schweizer Nachrichtendienstes (NDB) unterwegs gewesen, wie auch finews.ch berichtete. Undercover sollte er herausfinden, wie in Deutschland die Käufe von CD mit gestohlenen Bankdaten abliefen und welche Steuerfahnder diese Geschäfte einfädelten.

Auf Vorrat echauffiert

Noch ist nichts bewiesen. Doch Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans echauffierte sich in den Medien auf Vorrat. «Falls sich die Geschichte als wahr erweist, wäre das ein handfester Skandal», empörte sich der Politiker, der im Steuerstreit zahlreiche Schweizer Banken zu Millionen-Zahlungen gezwungen hat. Und weiter: «Wenn Nachrichtendienste Spione beauftragen, in Deutschland Steuerfahnder zu bespitzeln, muss man sich doch fragen, in wessen Interesse sie handeln – im Namen der Steuergerechtigkeit ja wohl kaum.»

Indes, Walter-Borjans Empörung klingt hohl. Unter Berufung auf die Steuergerechtigkeit waren nämlich verdeckte Steuerfahnder aus Deutschland wiederholt in der Schweiz unterwegs – der letzte Eklat zwischen den beiden Nachbarstaaten liegt erst fünf Jahre zurück.

Ermittler-Trio zur Verhaftung ausgeschrieben

So liess der Schweizer Bundesanwalt Michael Lauber 2012 ein Trio von Steuerfahndern aus Wuppertal und Düsseldorf zur Verhaftung ausschreiben. Die Bundesanwaltschaft verdächtige sie der nachrichtlichen Wirtschaftsspionage gegen die Credit Suisse (CS), wie damals unter anderem der Schweizer «Tagesanzeiger» berichtete.

Zwei Jahre zuvor hatten Steuerfahnder für 2,5 Millionen Euro eine CD mit Daten von über 1’107 Kunden der Grossbank gekauft. Die Fahnder brachten den Datendieb offenbar dazu, weitere Unterlagen über das Deutschland-Geschäft der Bank zu beschaffen. Als die Machenschaften aufflogen, steckte die Schweiz mitten in Verhandlungen über ein Steuerabkommen mit den Deutschen. 2013 scheiterte der Vertrag, nicht zuletzt am Widerstand deutscher Bundesländer.

Angespannte Lage

Dass der mysteriöse NDB-Beamte nun gerade 2012 im Nachbarland aktiv geworden sein soll, lässt aufmerken. Liessen sich die Schweizer Behörden zur Gegenspionage hinreissen, während sie deutschen Fahndern im eigenen Land nachspürten? Die Situation im Steuerstreit war jedenfalls höchst angespannt, nicht nur gegenüber Deutschland.

Auf einen Schweizer Haftbefehl hin wurde Hervé Falciani, der bei der HSBC Privatbank in Genf entwendete Kundendaten zahlreichen ausländischen Steuerbehörden zugespielt hatte, 2012 in Barcelona festgenommen. Spanien lieferte jedoch den Datendieb, der später in Abwesenheit in der Schweiz zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde, nicht aus.

Seminare gegen Datenlecks

Im Juli 2013 wurde dann der ehemalige Banque-Reyl-Angestellte Pierre Condamin-Gerbier festgenommen. In Frankreich galt der Banker als Schlüsselzeuge in der Schwarzgeld-Affäre um Ex-Budgetminister Jérôme Cahuzac. Erneut brachte der Steuerstreit die Schweiz an den Rand einer diplomatischen Krise.

Wie Compliance-Experten sich erinnern, führte die Schweizer Bundesanwaltschaft damals Seminare bei Schweizer Banken durch. Die Institute sollten lernen, die Datenlecks an der Quelle zu stopfen. Trifft der Verdacht der deutschen Behörden über den Schweizer Agenten zu, wurde es offenbar auch unternommen, die Methoden der «Angreifer» auf deren eigenem Territorium auszukundschaften.

Bankgeheimnis als Antwort auf Verrat

Ironischerweise geht der Steuerstreit im Grunde auf nachrichtendienstliche Wirtschaftsspionage in der Schweiz zurück. Das Bankgeheimnis war 1935 auch als Antwort auf die Umtriebe ausländischer Steuerfahnder in der Schweiz in Kraft gesetzt worden. Korrupte Banker hatten letzteren wiederholt Kundendaten zum Kauf angeboten.

Inzwischen ist das Bankgeheimnis, das einst zur Abwehr von Datendieben diente, von Datendieben gründlich demontiert. Allein die Finanzbehörden in Nordrhein-Westfahlen, denen Walter-Borjans als Minister vorsteht, haben seit 2010 elf Steuer-CD mit bei Schweizer Banken entwendeten Datensätzen gekauft. Für die Datenträger haben die Steuerfahnder insgesamt 17,9 Millionen Euro an Informanten gezahlt. Im Gegenzug haben sie dem Fiskus bis zu 7 Milliarden Euro zusätzlich durch Nachforderungen und Selbstanzeigen gesichert.

Bald werden Schweizer und deutsche Schlapphüte diesbezüglich aber arbeitslos. Ab 2018 liefern die Schweizer Banken im Rahmen des automatischen Informationsaustauschs (AIA) den deutschen Steuerbehörden die Kundendaten – und zwar frei Haus.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.6%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.59%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.23%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.06%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.52%
pixel