UBS zahlt in Frankreich: Ein fragwürdiger Deal für die Aktionäre

Einen Vorwurf kann man der UBS im Frankreich-Fall wahrlich nicht machen: schlechtes Erwartungsmanagement.

Mit der Rückstellung für den Rechtsstreit betreffend Beihilfe zur Steuerhinterziehung schlug sie 2023 mit der Erhöhung der Rückstellung auf 1,1 Milliarden Euro einen Pflock ein. 2019 hatte die Rückstellung noch 450 Millionen Euro betragen.

Gnädige Reaktionen

Entsprechend gnädig fielen nun die Reaktionen auf die am Dienstag angekündigte Vergleichssumme von gut 800 Millionen aus: «Erfolg für Ermotti – UBS muss weniger bezahlen als gedacht», jubelt der «Blick». Und der «Tages-Anzeiger» sekundiert: «Steuerstreit beigelegt: 835 Millionen statt 4,5 Milliarden Euro.» Sogar London nickt für einmal anerkennend – auch die «Financial Times» streicht den Kontrast zu den früheren Zahlen heraus (Beitrag hinter Bezahlschranke).

Weil alles relativ ist, sehen 835 Millionen Euro eben deutlich günstiger aus, wenn man sie am erstinstanzlichen Urteil über 4,5 Milliarden Euro misst (3,7 Milliarden Busse, 800 Millionen Euro Schadensersatz) – weniger schmeichelhaft dagegen, wenn man sie ins Verhältnis zu anderen Fällen setzt:

Selbst USA war günstiger

Im Februar 2009 einigte sich die UBS mit dem US-Justizministerium (DOJ) und der SEC auf einen Vergleich über 780 Millionen Dollar im Zusammenhang mit Beihilfe zur Steuerhinterziehung von US-Kunden. Die USA waren für die Bank ein Vielfach bedeutenderer Markt als Frankreich.

Im Juli 2014 zahlte die UBS in Deutschland 300 Millionen Euro, um Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung durch deutsche Kunden beizulegen.

Voreiliger Vergleich?

In allen drei Fällen ging es um Altlasten aus der Zeit des Bankgeheimnisses, also vor Inkrafttreten von Abgeltungssteuer respektive Automatischem Informationsaustausch. In Frankreich namentlich war ein Zeitraum von 2004 bis 2012 Gegenstand der staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen seit 2014, die zu dem Verfahren führten.

Damit stellt sich die Frage, ob die UBS im Frankreich-Fall nicht voreilig einen Vergleich eingegangen ist, der nicht im Interesse der Aktionäre war. Immerhin hatte die Bank im Juni 2017 einen Vergleich wie die jetzt eingegangene «convention judiciaire d’intérêt public» (CJIP) über 1,1 Milliarden Euro noch abgelehnt.

Aus 4,5 Milliarden wurden 1,8

Die Entscheidung erwies sich zunächst als teuer: Am 20. Februar 2019 verurteilte das Tribunal correctionnel in Paris die UBS zu einer Rekordstrafe von 3,7 Milliarden Euro plus 800 Millionen Euro Schadenersatz.

Im Dezember 2021 reduzierte das Berufungsgericht die Strafe auf 3,75 Millionen Euro, also um den Faktor 1’000. Die Richter hielten aber an einer Konfiszierung von 1 Milliarde Euro sowie an den 800 Millionen Schadenersatz fest. (Das erklärt, warum in den Medien häufig von «1,8 Milliarden» die Rede war – aber juristisch handelt es sich nicht um Busse, sondern um Konfiskation und Zivilforderungen). Das Preisschild hatte sich damit mehr als halbiert.

Ohrfeige für die Ankläger

Am 15. November 2023 folgte dann die schallende Ohrfeige durch die Cour de Cassation: Sie bestätigte zwar die Schuldsprüche wegen unerlaubten Bankengeschäfts und verschärften Geldwäschereivergehens, kassierte die Konfiszierung und verwies sie an die Vorinstanz zurück – mit so restriktiven Vorgaben, dass ein Wiederaufleben praktisch ausgeschlossen war.

Faktisch blieb damit nur noch ein möglicher zivilrechtlicher Schadenersatz übrig und die Ankläger waren hoffnungslos in der Defensive.

Schadenersatz als Schlüssel

Zum Schadensersatz von 800 Millionen Euro, der sich am effektiven Schaden bemessen müsse, hatte die UBS selber noch 2019 ausgeführt (PDF des damaligen Stakeholder-Updates), dass der oberste französische Rechnungshof die effektiven Kosten aller Banken im Steuerzusammenhang geschätzt habe. Dabei sei er bis 2016 auf gerade einmal 40 Millionen Euro gekommen – ein winziger Bruchteil des damals zugesprochenen Betrags von 800 Millionen.

Vor diesem Hintergrund ist schwer verständlich, warum die UBS im September 2025 nun doch bereit war, 835 Millionen zu unterschreiben – zusammengesetzt aus 730 Millionen Euro Busse und 105 Millionen Euro zivilrechtlichem Schadenersatz. Die Höhe der Busse ergibt sich nicht aus den bisherigen Gerichtsurteilen, sondern aus der besonderen Verhandlungsdynamik des Vergleichs.

Im «besten Interesse aller Stakeholder»

Übrig bleibt somit ein Deal, der eher nach politischer Gesichtswahrung aussieht als nach juristischer Notwendigkeit.

Französische Fachjuristen gingen nach der Cassation davon aus, dass in einem neuen Verfahren allenfalls ein tiefer dreistelliger Millionenbetrag herausgeschaut hätte. Stattdessen wählte die Bank in ihrer Kommunikation die Stakeholder-Formel, man habe die «besten Interessen aller Stakeholder» im Blick gehabt. Das mag heissen: ein bisschen für die Aktionäre, ein bisschen für den französischen Staat, ein bisschen für das öffentliche Image, und vielleicht auch ein bisschen für das Ego der Staatsanwaltschaft.

Heikles Präjudiz

Nur schwer kann man sich des Eindrucks erwehren, ein paar hundert Millionen seien für die UBS eine Rundungsdifferenz, die man ausgibt, um eine Altlast endgültig vom Tisch zu haben.

Für die Aktionäre bleibt die Hoffnung, dass Frankreichs Beispiel keine Nachahmer findet – auch das beste Erwartungsmanagement hat ein Preisschild.