Entgegen landläufigen Vorstellungen liegt die Produktion von Kryptowährungen nicht in vielen, sondern in sehr wenigen Händen, sagt BIZ-Chefökonom Hyun Song Shin im Interview mit finews.ch.


Herr Shin, werden Kryptowährungen wie der Bitcoin schon bald den Franken oder den Dollar ersetzen?

Nein, definitiv nicht. Es fehlt ihnen an Eigenschaften, die herkömmliches Geld auszeichnen und es so populär machen.

Können Sie das näher erläutern?

Die Mineure, also jene Menschen, die mit Hilfe von viel Computerkapazität Bitcoins erschaffen, produzieren nicht nur die Kryptowährungen, sie verwalten auch jede einzelne Einheit.

«Die Mineure machen ein gutes Geschäft»

Wie Buchhalter müssen die Mineure jeden Bezahlvorgang, bei dem Kryptowährungen eingesetzt werden, elektronisch protokollieren. Das bereitet Aufwand und verursacht Kosten. Deshalb ist die Nutzung von Kryptowährungen mit Gebühren verbunden.

Ist die Nachfrage nach Kryptowährungen hoch, die bereitgestellte Rechenkapazität aber gering, werden die Gebühren hoch ausfallen. Die Mineure machen ein gutes Geschäft.

Umgekehrt müssen die Nutzer von Kryptowährungen ziemlich tief ins eigene Portemonnaie greifen. Warum das?

Ich erkläre Ihnen das an einem Beispiel: Im vergangenen Dezember betrug die Nutzergebühr für einen Bezahlvorgang durchschnittlich 57 Dollar. Wenn Sie zum Beispiel einen Kaffee für zwei Dollar mit Bitcoins bezahlen wollten, mussten Sie 57 Dollar Gebühr entrichten.

«Bei traditionellen Währungen gibt es dieses Problem nicht»

Die Mineure haben also ein Interesse daran, die Gebühren hoch zu halten, oder anders gesagt, Staus zu produzieren. Das schadet aber der Attraktivität der Kryptowährungen. Experten bezeichnen das als fehlende Skalierbarkeit. Bei traditionellen Währungen gibt es dieses Problem nicht. Sie bezahlen keine Gebühren, wenn Sie mit Franken beim Bäcker Ihr Brötchen kaufen.

Gibt es noch weitere Gründe, die gegen Kryptowährungen sprechen?

Man kann nicht sicher sein, ob man mit einer teuer erkauften Kryptowährung später auch etwas erwerben kann. Entgegen landläufigen Vorstellungen liegt die Produktion der Kryptowährungen nicht in vielen, sondern nur in sehr wenigen Händen.

«Ohne das Vertrauen der Bürger in die Kaufkraft von Geld ist Geld nichts wert»

Die Mineure können sich also relativ einfach absprechen und im gegenseitigen Einvernehmen bestimmte Zahlvorgänge vorziehen, nicht verarbeiten oder gar streichen. Wenn Sie dagegen über eine Zehn-Franken-Note verfügen, können Sie davon ausgehen, dass Sie für dieses traditionelle Geld auch etwas im Laden erhalten.

Hinter den traditionellen Währungen stehen Zentralbanken, die fest in die jeweiligen politischen Systeme eingebunden sind und unter öffentlicher Kontrolle stehen. Das schafft Vertrauen. Ohne das Vertrauen der Bürger in die Kaufkraft von Geld ist Geld nichts wert.

In der Vergangenheit haben aber auch Staaten durch ihre «falsche» Politik Währungen ruiniert...

Das stimmt. Ich will auch nicht sagen, dass jede herkömmliche Währung vollkommen stabil und sicher ist. Vielmehr geht es darum, darauf hinzuweisen, dass die angeblichen Vorteile der Kryptowährungen in der Öffentlichkeit überzeichnet wurden.

«Ein vollkommenes Verbot wäre der falsche Weg»

Kryptowährungen sind bestimmt nicht die Lösung aller Probleme.

Kriminelle lieben Kryptowährungen ebenfalls. Was sollten die Aufsichtsbehörden tun, um diesen Missbrauch zu begrenzen oder gar zu verhindern?

Ein vollkommenes Verbot wäre der falsche Weg. Die Kryptowährungen würden in eine Schattenwelt abtauchen, wo sie noch viel schwieriger zu kontrollieren wären. Für Kryptowährungen sollten die gleichen Regeln gelten wie für andere Anlageformen.

Stellen Kryptowährungen eine Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems dar?

Gemessen an anderen Währungen ist das Volumen der Kryptowährungen noch sehr gering. Das relativiert ihre Bedeutung.


  • Das Interview führte Bernd Kramer, Wirtschaftsredaktor bei der «Badischen Zeitung» in Freiburg im Breisgau.

Der 59-jährige Südkoreaner Hyun Song Shin ist seit Anfang Mai 2014 Chefökonom der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel. Er hat im britischen Oxford Philosophie, Politik und Wirtschaftswissenschaften studiert. Von 2000 bis 2005 lehrte er an der London School of Economics, ehe er an die amerikanische Eliteuniversität Princeton wechselte. Im Jahr 2010 beriet Hyun Song Shin den koreanischen Präsidenten und gestaltete die Finanzstabilitäts-Politik des asiatischen Landes massgeblich mit.

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