Bevor die Spekulationen um den künftigen Präsidenten der Raiffeisen Gruppe weiter ins Kraut schiessen, folgt hier eine Auslegeordnung. Bestimmender Faktor ist weitgehend die Finma.

Wenn das Pendel der öffentlichen Stimmung entscheiden dürfte, dann würde Antoinette Hunziker, die derzeitige Präsidentin der Berner Kantonalbank (BEKB), wohl die besten Karten haben, das Präsidium der Raiffeisen Schweiz zu übernehmen. Allein: Hunziker hat bereits abgesagt. Eine ernsthafte Kandidatur wäre ohnehin mit grösster Wahrscheinlichkeit erfolglos.

Denn die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) diktiert bei der Selektion der möglichen Kandidaten weitgehend das Vorgehen. Zwar ist die Head-Hunter-Firma Guido Schilling mit der Suche mandatiert. Doch die Kriterien für den richtigen Mann oder die richtige Frau im Raiffeisen-Präsidium bestimmt die Aufsichtsbehörde, wie Recherchen von finews.ch ergeben haben. Bis Mitte September will Raiffeisen Schweiz ihre Wahl bekannt geben.

Dies ist daraus zu folgern:

1. Ein «Fit» mit der Raiffeisen-Kultur spielt kaum eine Rolle

Die Erwartungen innerhalb der Raiffeisen-Genossenschaft an den neuen Präsidenten oder die neue Präsidentin sind klar: Es muss eine integre Persönlichkeit mit einer lupenreinen Vergangenheit sein, welche den Gedanken der Genossenschaft in sich trägt und die Tradition hoch hält. Die Finma berücksichtigt dies in ihrem Forderungskatalog offenbar weniger. Raiffeisen ist das drittgrösste Bankinstitut der Schweiz, das Geldhaus ist systemrelevant und der grösste Player im volkswirtschaftlich sehr wichtigen Hypothekarmarkt. Ein Verständnis für die Genossenschaftskultur kann dabei nur eine sekundäre Rolle spielen.

2. Es muss ein Grossbanker sein

Diese Ausgangslage schränkt die Wahl für das zukünftige Präsidium bereits massiv ein – und lässt eigentlich nur einen Schluss zu: Es muss eine Person aus einer der beiden Grossbanken UBS oder Credit Suisse sein. Und diese Person muss im Laufe ihrer Karriere eine signifikante Verantwortung innerhalb der Bank getragen haben.

3. Ein sehr überschaubarer Kandidatenkreis 

Es gibt Dutzende von Schweizer Grossbankern, die mehrere Jahre in Top-Positionen tätig gewesen sind. Dieser Kreis schränkt sich aber bereits wieder ein. Denn die Finanzkrise hat einige dieser Grossbanker «unmöglich» für den Raiffeisen-Job gemacht. Es ist beispielsweise schwer vorstellbar, dass ein Marcel Rohner oder Peter Wuffli, beides Ex-Chefs der UBS, nun ins Raiffeisen-Gewand schlüpfen könnten. Schon eher denkbar wäre das bei einem Lukas Gählwiler, derzeit Chairman UBS Schweiz, oder einem Hans-Ulrich Meister, Ex-Chef Private Banking Credit Suisse. Wie finews.ch vergangenen August erfahren hat, stehen vier bis sechs Namen auf der Raiffeisen-Shortlist.

4. Ein Verwaltungsrats-Neuling hat kaum Chancen

Grossbanken-Erfahrung ist eine Forderung, welche die Finma explizit für die neue Zusammenstellung des Raiffeisen-Verwaltungsrates gestellt hat. Für das Präsidium muss wohl auch gelten: Vorhandene Erfahrung in Verwaltungsräten. Denn es ist klar: Der oder die zukünftige Präsidentin wird sich in erster Linie um Corporate-Governance- und organisatorische Themen kümmern müssen.

5. Es wartet beinahe ein Himmelfahrtskommando

Die Anforderungen und Erwartungen an den Job als Raiffeisen-Präsident sind sehr hoch – die Anreize, den Job anzunehmen, sind dagegen relativ klein. Ein Raiffeisen-Präsident muss damit rechnen, dass er in den kommenden zwei Jahren permanent und akribisch von den Medien und der Öffentlichkeit beobachtet und kritisiert wird. Ein Karriere-Sprungbrett ist der Job eher weniger. Rein finanziell wäre das Annehmen der Aufgabe mit einem Jahressalär von rund einer halben Million Franken wohl auch ein Rückschritt – gesetzt der Fall, dass der künftige Präsident tatsächlich aus einer Grossbank kommt. Der Job hat darum mehr die Charakteristik eines «Dienstes am Vaterland».

6. Die Fallhöhe ist relativ gross

Bei einem Himmelfahrtskommando ist die Fallhöhe naturgemäss relativ hoch. Ein zukünftiger Raiffeisen-Präsident muss damit rechnen, dass er oder sie scheitert, die Vorgaben der Finma zur Corporate Governance und zu erwünschten Wandlung in eine Aktiengesellschaft zu erfüllen, weil der Widerstand aus den Raiffeisen-Genossenschaften zu gross ist. Handkehrum kann es dem Präsidenten durchaus gelingen, die Finma zufriedenzustellen – dafür aber auch den Graben zwischen Raiffeisen Schweiz und den Genossenschaften weiter aufzureissen.

7. Den Elfenbeinturm mit der Turnhalle tauschen

Ein Problem, welches bei einem Job-Profil «dekorierter und erfahrener Grossbanker» sicher auftritt, ist ein Kulturelles. Für die Finma mag die Raiffeisen-Kultur nicht sonderlich wichtig sein. Ein Raiffeisen-Präsident wird gezwungenermassen tief in diese Kultur eintauchen müssen. Sprich: Ein Grossbanker tauscht – bildlich gesprochen – den Elfenbeinturm am Zürcher Paradeplatz mit der Turnhalle in der Schweizer Provinz. Denn es ist klar, dass der künftige Raiffeisen-Präsident viel Arbeit an der Basis haben wird und eine integrative Rolle einnehmen muss.

8. Ein Kompromiss, der nicht nur Begeisterung auslöst

Aus den vorangegangenen Punkten wird deutlich: Die Idealbesetzung für das Raiffeisen-Präsidium existiert wohl nicht. Ein Kandidat wird darum ein Kompromiss sein, dem von Beginn weg ein rauer Wind entgegen bläst. Den Fähigkeiten von Headhunter Guido Schilling ist es überlassen, einen Präsidenten zu finden, der aufgrund seiner beruflichen Karriere und Vergangenheit (wohl bei einer Grossbank) möglichst wenig Angriffsfläche bietet, den Finma-Vorgaben genügt und aufgrund seiner Persönlichkeit und seines Könnens innerhalb der Raiffeisen-Genossenschaft akzeptiert wird.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
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