Bankenberater wie Markus Strietzel von Roland Berger wollen Finanzinstitute vermehrt in Plattformen wie Amazon umbauen. Die Resonanz ist noch gering. Warum das ein Fehler ist, erklärt Strietzel im Interview mit finews.ch.


Herr Strietzel, «Plattform» ist ein Trendwort unter Bankern und Beratungsunternehmen wie Roland Berger raten Finanzinstituten auch, ihre Silo-Geschäftsmodelle entsprechend zu wandeln. Was ist das Versprechen vom Plattform-Banking?

Markus Strietzel (Bild unten): Digitale Plattformen sind in der globalen Wirtschaft dominant geworden: Sie legen Interaktionsstandards, Schnittstellen und Regeln fest. Banken konnte es lange egal sein, ob bei ihnen der Kundenzugang oder das Produktangebot dominiert. Sie setzten auf die althergebrachte Aufstellung mit hoher Wertschöpfungsbreite und -tiefe. Das funktioniert in der Welt der Plattformen nicht mehr.

Markus Strietzel

Wie sehen denn Plattformgeschäftsmodelle für Banken aus?

Wir haben beispielsweise mit einer Schweizer Bank eine Plattform entwickelt, auf der Hypotheken gegen eine Gebühr vermittelt werden. Das ist eine sinnvolle Ergänzung zum herkömmlichen Hypothekengeschäft. Diesen Sommer hat eine andere Bank in Deutschland eine Plattform an den Markt gebracht, auf der zunächst Fort- und Weiterbildungen für Fachpersonal vermittelt werden. Das Ziel ist, eine zweite Ertragsquelle zu schaffen. Aber um offen zu sein: Die genannten Beispiele sind eher Ausnahmen. Banken beschäftigten sich bislang mit anderen Themen.

Lassen sich denn so unterschiedliche Bereiche wie Zinsgeschäft und Vermögensverwaltung auf einer Plattform vereinen?

Die grosse Herausforderung für Banken ist doch, dass das Zinsniveau das traditionelle Geschäftsmodell massiv bedroht. Mit der neuerlich anstehenden Zinswende müssen die Banken ihre Mittelfristziele reduzieren.

«Ohne die entsprechende Kultur funktionieren solche Konzepte nicht»

Im Umkehrschluss heisst das auch: Sie müssen sich mit neuen Themen wie Open Banking und Beyond Banking auseinandersetzen. Also mit der Frage: Wo kann ich noch Mehrwert bieten? Wenn ein Finanzinstitut zum Schluss kommt, dass es der Verkauf von Opern-Tickets ist, der das Kundenbedürfnis besser abdeckt, sollte es eine solche Verkaufsplattform in Betracht ziehen.

Fehlt es den in Bereichs-Silos arbeitenden Banken dabei nicht am notwendigen ganzheitlichen Denken?

Diese Beobachtung machen wir auch. Zwar werden in den Boardrooms schnell mal Ideen einer «Digital Factory» geboren. Doch wenn die entsprechende Kultur innerhalb der Bank nicht vorhanden ist und nicht aktiv gefördert wird, funktionieren solche Konzepte nicht. Wir raten beispielsweise Banken dazu, die Mitarbeiter mit bestimmten Qualifizierungsinitiativen an solche Themen heranzuführen, sodass sie sozusagen einen «digitalen Führerschein» erlangen können. Doch in der Regel sind solche Themen sehr schwer zu vermitteln.

In verschiedenen Branchen hat sich gezeigt: Plattformen führen zu einer starken Konzentration auf einige wenige grosse Anbieter. Droht also ein Kampf der Banken um die Kundenschnittstelle?

Der hat mit der Zahlungsrichtlinie PSD2 eigentlich schon begonnen, verschafft sie den neuen Marktakteuren doch den Zugriff auf Konten und Kundendaten, um Finanztransaktionen zu tätigen. Das Problem der Banken ist dabei ihre breite und tiefe Wertschöpfungskette und der Fokus auf die traditionellen Produkte.

«Von Gegenmassnahmen ist noch nicht viel zu sehen»

Das einzige Differenzierungsmerkmal ist hier der Preis. Banken müssen sich öffnen und über andere Produkte nachdenken, die einen erkennbaren Mehrwert bringen.

Haben Sie Beispiele?

Im Retail-Bereich erreichen Konkurrenten klassischer Banken bereits heute einen Grossteil von deren Kundschaft über digitale Plattformen. Online-Hypothekenvermittler dominieren den Markt – ganz nach dem Motto «The Winner Takes it All». Im Firmenkundengeschäft sind ebenfalls erfolgreiche Plattformen am Markt, welche günstigere Finanzierungen und einfachere Bedingungen bieten. Von Gegenmassnahmen der Banken ist derzeit noch nicht viel zu sehen.

Der Leidensdruck scheint nicht besonders hoch: Schweizer Retailbanken verdienen weiterhin mit ihrem angestammten Geschäftsmodell gutes Geld.

Ja, das Gebührenniveau in der Schweiz ist deutlich höher als beispielsweise in Deutschland. Dass aber Auslands- oder Neobanken wie N26 hier substanzielle Marktanteile gewinnen können, halte ich für wenig wahrscheinlich. Einzelnen Schweizer Fintechs ist es aber bereits gelungen, die Kundenschnittstellen zu gewinnen. Von dort droht meiner Meinung nach die gefährlichere Konkurrenz. Schauen Sie mal, was Check24 in Deutschland geschafft hat: Gestartet als Vergleichsplattform bietet sie heute eine ganze Palette von Finanzdienstleistungen an.

Die Gefahr von Big Techs schätzen Sie nicht so hoch ein?

Doch, die ist vorhanden. Wenn sich zum Beispiel Apple Pay etabliert, könnten Kreditkarten fast überflüssig werden. In China hat Alibaba bereits eine ganz andere Ausbaustufe erreicht. Hierzulande fragt man sich aus Datenschutzgründen: Will man das wirklich? Der Punkt ist: Wenn es für den Kunden praktisch ist und seinem Bedürfnis entspricht, müssen Banken sich damit auseinandersetzen.


Markus Strietzel ist Partner beim Beratungsunternehmen Roland Berger und seit dem Jahr 2014 Leiter des Competence Center Financial Services. Strietzel stiess 1998 zu Roland Berger, verliess das Unternehmen aber 2009, um eine eigene Beratungsfirma aufzubauen, die er 2012 wieder verkaufte. Strietzel hat an der European Business School in Oestrich-Winkel promoviert.

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