Der bekannte Ethiker Bruce Weinstein hat den Credit-Suisse-Präsidenten Urs Rohner schon vor Jahren kritisiert. Die Bespitzelungs-Affäre zeige, dass die Grossbank ein Problem mit der Unternehmenskultur habe, sagt der Amerikaner nun zu finews.ch.

Herr Weinstein, Sie haben vor rund zwei Jahren in Ihrer Kolumne im «Forbes»-Magazin Urs Rohner, den Präsidenten der Credit Suisse (CS), hart kritisiert. Sind Sie erstaunt über die Bespitzelungen in der CS?

Ich glaube nicht, dass die CS irgendeinen meiner Ratschläge in der Kolumne befolgt hat. Also ist es nicht erstaunlich, dass die Bank nun in den nächsten Skandal geriet und einen neuen CEO finden musste.

Was sind Ihre Ratschläge für die CS?

Die Bank wird sich weiterhin in schwierige Situationen manövrieren, solange sie keine radikalen Veränderungen in ihrer Personalpolitik vornimmt: Wen sie anstellt, wer befördert und wer gefeuert wird. Banken betreiben ihre Personalpolitik meistens anhand von Kriterien wie Knowhow und Erfahrung. Praktisch inexistent sind Versuche, auch einmal den Charakter eines Kandidaten zu evaluieren. So darf es nicht verwundern, dass Skandale sich aneinander reihen.

Ist es nicht unfair, alle Angestellten der CS in einen Topf zu werfen, weil sich im Management ein Skandal ereignet hat?

Natürlich sollten wir ein grosse Organisation wegen einer kleinen Gruppe von Personen nicht gleich dämonisieren.

«Worte sind wichtig – aber sie genügen nicht»

Wenn Sie aber Angestellter einer Bank sind, die sich weder um Ethik noch um Charakter ernsthaft kümmert: Könnten Sie dann nicht woanders arbeiten, wo diese Werte hoch gehalten werden? Wäre es das nicht wert, eine Lohneinbusse hinzunehmen?

Wie kann eine Organisation wie die CS Ethik zum Teil ihrer Unternehmenskultur machen?

Wenn diese Werte der CS so elementar wichtig wären, wie sie es behauptet, dann würden diese Werte auch prominent auf der Homepage der Bank aufscheinen. Die CS sollte immer wieder Referenzen zu diesen Werten schaffen.

Man könnte dies als reine Versprechungen und leere Worte abtun, gerade im Licht des jüngsten Skandals.

Worte sind wichtig – aber sie genügen nicht.

Was braucht es ausser Rhetorik?

Man kann beispielsweise Manager einstellen, welche die starken Charaktere unter den Angestellten erkennen. Zum Beispiel lässt sich einem Bewerber folgende Frage stellen: «Erzählen Sie mir davon, dass Sie jemanden eine unangenehme Wahrheit mitteilten und etwas Positives damit auslösten.»

«Bei der CS gibt es definitiv ein Problem in der Unternehmenskultur»

So können Sie schon mal zwei wichtige Qualitäten eines Mitarbeiters erkennen: Seine Aufrichtigkeit und seinen Mut. Oft lässt sich eine Verbindung zwischen einem charakterfesten Verhalten in einem Unternehmen und dessen finanziellem Erfolg feststellen.

Im Falle der CS war es kein einfacher Mitarbeiter, sondern ein Top-Manager, der es an ethischen Standards vermissen liess.

Die Führung eines Unternehmens muss die Prinzipien vorleben. Wenn die Mitarbeiter den Eindruck haben, dass ihre Manager es nicht tun, sind die Folgen eine erhöhte Fluktuation, schlechte Arbeitsmoral und ein höherer Grad an Unzufriedenheit.

Der neue CEO Thomas Gottstein sagte, er denke nicht, dass die CS ein Problem in ihrer Unternehmenskultur habe.

Wie konnte so ein Skandal dann geschehen? Vielleicht ist es kein Skandal, der die ganze Unternehmung CS betrifft. Aber er betrifft die oberste Führung der Bank. Es gibt definitiv ein Problem in der Unternehmenskultur.

Was ist das Heilmittel?

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
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