Im Swiss Banking löst die Coronakrise einerseits die nächste Konsolidierungswelle aus, andererseits einen Innovationsschub. Das sagt Stephan Zwahlen, CEO der Privatbank Maerki Baumann, zu finews.ch. Eine Anpassung der Geschäftsmodelle sei unausweichlich.


Herr Zwahlen, wie geht es der Bank Maerki Baumann in dieser Krisenzeit?

Die Tragweite der Coronakrise und das damit verbundene Leid machen uns betroffen. Die gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Auswirkungen dieses Jahrhundertereignisses lassen sich erst erahnen. Was Maerki Baumann anbelangt, war ich positiv überrascht, wie reibungslos unser Bankbetrieb in den Remote-Modus überführt werden konnte.

Dies dank einer modernen IT- und Kommunikationsinfrastruktur, auf deren Grundlage alle Mitarbeitenden innert weniger Stunden dezentralen Zugriff auf ihren Bankarbeitsplatz erhielten. Ich habe Respekt, wie rasch sich unsere Mitarbeitenden in der neuen Situation zurechtgefunden haben.

Wie hat sich Ihr Geschäft seit Ausbruch der Krise entwickelt?

Kurzfristig konnten wir dank der hohen Volatilität an den Finanzmärkten deutlich höhere transaktionale Erträge erzielen. Das Ergebnis im ersten Quartal fiel denn auch deutlich über Erwartung aus. Mittelfristig wird die Ertragsseite vor allem von der Entwicklung der Kundenvermögen abhängen.

«Kunden haben meist besonnen reagiert»

Auch wenn an den Aktienmärkten seit den Tiefständen Mitte März bereits eine bemerkenswerte Gegenbewegung stattfand, dürfte der Rückgang der Asset-Basis in den kommenden Quartalsergebnissen Spuren hinterlassen.

Wie erlebten Sie die Kunden in den Märztagen mit den grössten Börsenverlusten?

Unsere Kundinnen und Kunden haben trotz der dramatischen Kurskorrekturen grösstenteils ruhig und besonnen reagiert. Dies führe ich darauf zurück, dass unsere Kundenberater während der grossen Marktverwerfungen im März nahe bei den Kunden waren und unsere Spezialisten eine professionelle Anlagekommunikation ermöglichten.

Zudem liess wohl die seit Anfang 2019 sehr positive Performance in vielen Kundendepots die zum Teil herben Kursverluste etwas erträglicher erscheinen.

Wie fühlt man sich bei der eigenen Unsicherheit und auch Ungewissheit über den Fortgang und die Dauer dieser Krise angesichts des aktuellen Infomationsbedürfnisses, das Kunden haben?

Im gegenwärtigen Umfeld sind verlässliche Prognosen anspruchsvoll. Die Entwicklung der Finanzmärkte wird von vielen Faktoren beeinflusst, was das Denken in Szenarien erforderlich macht. Erschwerend kommt hinzu, dass Erfahrungen mit vergleichbaren Situationen weitgehend fehlen. Angesichts der hohen Bewertung der Aktienmärkte hatten wir allerdings bereits vor Ausbruch der Krise zur defensiven Diversifikation geraten.

«Persönlicher Kontakt bleibt im Private Banking eine Bereicherung»

Entlang unserer Maxime «Sicherheit vor Rendite» reduzierten wir auch die Risiken in unserer modularen Anlagelösung. Die erzielte Überperformance gegenüber Benchmark unterstreicht, dass Maerki Baumann gerade in unsicheren Zeiten punktet.

Wie funktioniert gute Kundenberatung in dieser Phase des «Social Distancing» ‒ gibt es noch physische Treffen?

Die aktuelle Situation ist für unsere Privatbank schon einschneidend, zumal die Pflege des persönlichen Kundenkontakts hohen Stellenwert geniesst. Wir verzichten seit mehreren Wochen gänzlich auf Kundenanlässe, Geschäftsreisen und Kundentreffen. Doch Maerki Baumann verfolgt seit längerem einen hybriden Betreuungsansatz, bei dem auch digitale Kommunikationskanäle zum Einsatz gelangen.

Obwohl gegenwärtig rund 80 Prozent unserer Belegschaft im Home Office tätig sind, können wir unsere Dienstleistungen weiterhin anbieten. Unsere Kundschaft reagierte auf die Vorsichtsmassnahmen sehr verständnisvoll.

Haben Sie in den vergangenen Wochen Erkenntnisse gewonnen, dass auch digitales Banking und digitale Kundenberatung Schwächen haben und Verbesserungen und Anpassungen benötigen?

Zentrale Grundlage des Private Banking ist und bleibt die Vertrauensbeziehung zwischen Kunde und Kundenberater sowie der Bank. Und dieses Vertrauen wird nach unserer Erfahrung ganz wesentlich von der zwischenmenschlichen Interaktion geprägt.

Der Umgang mit Vermögensfragen beinhaltet regelmässig sehr persönliche, als sensitiv empfundene und bisweilen emotionale Themen. Auch wenn die digitale Interaktion mit den Kunden vieles erleichtert, bleibt der persönliche Kontakt für beide Seiten eine Bereicherung.

Haben Sie Konsequenzen daraus ziehen können?

Die gegenwärtige Situation hat in unserer Bank Energien zur Digitalisierung des Geschäftsmodells freigesetzt. Zum Beispiel führen wir demnächst eine IT-Anwendung fürs «Digital Onboarding» ein. Die Lancierung unserer Mobile-Banking-Lösung im zweiten Halbjahr wird weitere Optionen eröffnen. Die Effizienz im Tagesgeschäft lässt sich über den Einsatz moderner Technologien stark erhöhen.

«Wir können uns der Branchenlogik nicht einfach entziehen»

Dies einerseits bei Fragestellungen hoher Komplexität und andererseits in Bereichen mit fortgeschrittenem Standardisierungsgrad. Dadurch kann Kundenberaterinnen und Kundenberatern auch mehr Freiraum für die erfolgreiche Akquisitions- und Betreuungstätigkeit verschafft werden.

Welches werden die bleibenden Veränderungen sein, welche die Corona-Pandemie im Private Banking bewirkt?

Die Bedeutung elektronischer Kommunikationskanäle hat in kürzester Zeit stark an Bedeutung gewonnen, auch bei älteren Generationen. Die damit einhergehende Veränderung des Kundenverhaltens dürfte die Coronakrise überdauern. Seitens unserer Mitarbeitenden hören wir von vielen, dass sie die persönliche Interaktion am Arbeitsplatz vermissen. Dennoch zeichnet sich der Wunsch nach flexibleren Arbeitsmodellen ab. Diese gilt es dann im Kontext unserer Unternehmenskultur zu beurteilen und mit den Bedürfnissen unserer Kundschaft abzustimmen.

Maerki Baumann investiert zwar in die Zukunft, um neue Kundensegmente erschliessen zu können. Doch das Neugeldwachstum war auch 2019 bescheiden. Müssen Sie angesichts der neuen Ausgangslage ihre Strategie überdenken?

Diverse Marktstudien unterstreichen, dass die Realisierung organischen Wachstums eine branchenweite Herausforderung darstellt. So war das Wachstum im Schweizer Private Banking während der vergangenen Jahre vor allem von M&A-Transaktionen und der Marktperformance getrieben. Maerki Baumann kann sich der Branchenlogik nicht einfach entziehen.

Aber wir bleiben zuversichtlich: Wir sind rechtlich so aufgestellt, dass wir unsere Kernmärkte Schweiz und Deutschland – die 80 Prozent und 10 Prozent der Kundenvermögen ausmachen – aktiv bearbeiten können.

«Der Handlungsbedarf wurde durch die Marktperformance überschattet»

Anfang April haben wir die Abteilung Private Banking Deutschland etabliert, von der wir uns zusätzliche Wachstumsimpulse versprechen. Zudem zieht unser Kryptoangebot neue, auch jüngere Kundensegmente an. Der Handel und die Verwahrung digitaler Assets wird weiteres Marktpotenzial bringen.

Wie wird sich der Private-Banking-Markt in der Schweiz nun verändern – Beschleunigung der Konsolidierung?

Ich wäre überrascht, wenn die anstehende Rezession nicht zu einer weiteren Marktkonsolidierung führen würde. Gleichzeitig erwarte ich einen Innovationsschub bei Instituten, die der Konsolidierung entgehen wollen. Die Marktperformance der vergangenen Jahre hatte einen signifikant positiven Einfluss auf die Erträge vieler Privatbanken.

Der strategische Handlungsbedarf wurde dadurch wohl in nicht wenigen Fällen etwas überschattet. Die Anpassung der Geschäftsmodelle ist aber unumgänglich. Dies nicht zuletzt angesichts der Bedürfnisse jüngerer Kundengenerationen sowie innovativer Markteilnehmer aus dem Online- und Fintech-Bereich.

Viele bezeichnen die gegenwärtige Krise und die Veränderungen als Chance. Welche Chancen sehen Sie?

Während sich die Private-Banking-Branche in den vergangenen Jahren zu weiten Teilen mit der Optimierung bestehender Geschäftsmodelle befasst hat, folgt nun die Phase grundlegender Veränderungen. Die Erfahrungen der letzten Wochen haben sowohl bei der Kundschaft als auch bei den Mitarbeitenden eine steile Lernkurve bei der Nutzung digitaler Anwendungen hervorgerufen.

Darauf lässt sich aufbauen. Schliesslich bin ich überzeugt, dass sich die Offenheit für institutsübergreifende Kooperationen erhöhen wird. Dies gilt insbesondere für Bereiche mit beschränktem Differenzierungspotenzial.


Stephan Zwahlen ist seit Februar 2016 CEO der Zürcher Privatbank Maerki Baumann. Er trat im April 2009 als Leiter Investment Solutions & Services in die Geschäftsleitung des Unternehmens ein. Bis 2009 arbeitete er im UBS Global Wealth Management. Für Maerki Baumann war er indessen schon von 2005 bis 2007 tätig und verantwortete damals die strategische Neupositionierung der Bank sowie die Gründung einer Transaktionsbank. Zwahlen studierte und promovierte in Betriebswirtschaft mit Spezialisierung in Banking und Finance an der HSG sowie an der Richard Ivey School of Business in London (Kanada).

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.34%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.75%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.8%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.46%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.64%
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