Er hat Julius Bär zur grössten Schweizer Privatbank aufgebaut und seine Vision für den Schweizer Bankenplatz gilt als «Blueprint« für die Branche. Unterm Strich erweist sich Boris Collardis Wirken als höchst fragwürdig.


Julius Bär hat zum zweiten Mal innert kurzer Folge die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) am Hals. Auch dieser Geldwäschereifall geht zurück auf die Ära unter Ex-CEO Boris Collardi.

Es ist dasselbe Muster: Die Zürcher Privatbank hatte Gelder von reichen Südamerikanern, die aus illegalen Quellen stammen, angenommen und transferiert. Die internen Kontrollen funktionierten nicht richtig, die betreffenden Compliance-Angestellten schauten weg oder wurden vom Top-Management überstimmt. Die Meldestelle für Geldwäscherei wurde nicht informiert, der Verwaltungsrat blieb untätig.

In Kauf genommener Kollateralschaden

Man darf diese Vorkommnisse nicht als Unfall bezeichnen und auch nicht der offiziellen Darstellung der Bank folgen, sie seien eine Folge mangelhafter Organisation, schlechter Kontrollen und falscher Anreizsysteme, um den Wachstumsschnellzug Julius Bär nicht zu bremsen.

Die wiederholten Geldwäschereifälle sind vielmehr Kollateralschäden, die einer wohl überlegten Risikoabwägung entsprungen sein dürften und damit in Kauf genommen wurden.

Wie beim VW-Dieselskandal, wo das Top-Management zugunsten von schnellerem Wachstum und höheren Profiten entschieden hat, die Grenzen der Legalität zu überschreiten, hatte der Julius-Bär-Verwaltungsrat mit Boris Collardi im Jahr 2009 bewusst einen CEO gewählt, der bereit war, zugunsten von Wachstum und Gewinnsteigerung höhere Risiken einzugehen.

Gelobter Stil

Collardi wurde für sein Tempo-Banking, seine Akquisitionen und seinen aggressiven Stil gelobt. Der Genfer war in den Jahren, bevor er Julius-Bär-CEO wurde, wenig aufgefallen.

Kaum Chef geworden, legte er los wie die Feuerwehr: Übernahme des Schweizer Private Bankings der ING, Akquisition von Merrill Lynch International, gefolgt vom Kauf der Commerzbank in Luxemburg, der Kundenvermögen der Bank Leumi (Schweiz) sowie der Einstieg beim italienischen Asset Manager Kairos.

Der im fast noch jugendlichen Alter von 35 Jahren zum Bär-Chef ernannte Collardi erfüllte nicht nur den Wachstums- und Internationalisierungsauftrag des Verwaltungsrates, der ab 2012 mit Daniel Sauter einen Präsidenten hatte, der viel von riskanten Geschäften, aber wenig vom Banking verstand.

Leitfigur in den Branchengremien

Collardi gewann an Format und auf dem Schweizer Finanzplatz an Gehör. Er präsidierte ab 2012 die Association of Swiss Asset and Wealth Management Banks, wurde Verwaltungsrat beim Swiss Finance Institute und sitzt seit 2018 im Verwaltungsrat der Schweizerischen Bankiervereinigung.

Collardis Strategie und Stil wurde in der Schweizer Private-Banking-Szene aufgenommen: Privatbanken positionierten sich als «aktive Konsolidierer», kauften für teures Geld Geschäfte und Beraterteams im In- und Ausland. Seine 2018 formulierte Vision für einen erfolgreichen Schweizer Finanzplatz und Swiss Banking als Export-Schlager (wettbewerbsfähige Regulierung, nachhaltige Anlagen und ein sauberes Image) gilt heute noch als «Blueprint».

Strategie manifestiert sich auf peinliche Art und Weise

Mit 43 Jahren war Collardi auf dem Banking-Olymp: Nachdem er mit Julius Bär die grösste reine Schweizer Privatbank aufgebaut hatte, wurde er 2018 Partner der renommiertesten Privatbank der Schweiz Pictet. Das Genfer Institut sah die Lösung der eigenen Schwächen (wenig Wachstum, schwacher internationaler Fussabdruck) in den Stärken Collardis.

Doch die Schwächen der Strategie und des Managements haben sich bei Julius Bär auf peinliche Art und Weise manifestiert. Dabei sind die Fehltritte nicht alleine Collardi anzulasten, sondern auch dem Verwaltungsrat, der die Strategie und Risikonahme offensichtlich unterstützt hat, und insbesondere auch dem Governance und Risk Committee.

Reingewinn wieder auf Niveau von 2009

Nun stellt sich die Frage, wie gut der Entscheid war, solch hohe Risiken einzugehen, um Julius Bär im Private-Banking-Markt zu einem der führenden reinen Wealth Manager aufzubauen. Sah diese Bilanz Ende 2017 mit dem Ausscheiden Collardis noch ganz ordentlich aus, hat sich das Bild verändert:

Zwei Enforcement-Verfahren der Finma wegen Geldwäscherei, strenge Auflagen und Restriktionen bei Übernahmen, Strategieanpassung, höhere Aufwände für den Aufbau von Kontrollen und Prozessen sowie der Reputationsschaden.

Die Zahlen spiegeln dies: Mit 465 Millionen Franken Reingewinn für das Jahr 2019 liegt Julius Bär wieder auf dem Niveau von 2009.

Erfolgsbilanz in Luft aufgelöst

Gut, das Ergebnis war von Sondereffekten geprägt. Einer davon war ein Abschreiber von über 100 Millionen Franken auf dem Asset Manager Kairos, den Collardi für über eine halbe Milliarde Franken gekauft hatte, der die Hoffnungen aber nicht erfüllte.

Und der Aktienkurs? Er liegt zehn Jahre nach Beginn der Ära Collardi 12 Prozent über dem Niveau von 2009. Die Vontobel-Aktie zeigt in den zehn Jahren ein Plus von über 130 Prozent.

Die Erfolgsbilanz von Collardi bei Julius Bär hat sich in den vergangenen sechs Monaten deutlich verwässert und die Privatbank steht vor einem Scherbenhaufen. Die Finma könnte ihre Untersuchungen gar auf Collardi persönlich ausdehnen.

Bei Pictet ist es um Collardi inzwischen ruhig geworden – von ihm ist seit Monaten nichts zu hören. Das Finma-Enforcementverfahren und die Möglichkeit einer Untersuchung gegen den früheren Bär-Chef hat weniger die anderen sechs Pictet-Partner aufgeschreckt, als die nach wie vor Ton angebenden Besitzerfamilien, die Pictets, die de Saussures und die Demoles. Ob Collardi wirklich der richtige Mann ist, Pictet zu mehr Grösse und Bedeutung zu verhelfen, dürfte in Genf erneut diskutiert werden.

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