Wie schafft es eine kleine Regionalbank, inmitten der Digitalisierung, des Margendrucks und des Tiefzinsumfelds noch Erträge zu erzielen? «Wir haben weder aggressive Gewinnvorgaben noch ein Entlöhnungssystem mit Fehlanreizen», sagt Bank-Thalwil-CEO Sandro Meichtry im Interview mit finews.ch.


Herr Meichtry, mit welchen Massnahmen wollen Sie im laufenden Jahr weiteres Wachstum erzielen?

Wir wachsen über unsere aktive Marktbearbeitung in der Region und aus unserem Kundenstamm heraus. Ausserdem arbeiten wir im Hypothekargeschäft seit einiger Zeit mit Vermittlern und Vermittlungsplattformen zusammen. Dies hat den Vorteil, dass wir genau steuern können, wo wir welche Risiken eingehen möchten.

Was gibt Ihnen die Gewähr, dass Sie Ihre Risiken auch im Griff haben?

Unsere überschaubare Grösse sowie das auf die Region linkes Zürichseeufer fokussierte Marktgebiet verleiht uns grosse Vorteile. Wir sind nahe bei den Kunden, kennen die Menschen sowie das Marktgebiet mit allem Potenzial und den Gefahren sehr genau.

Was heisst das konkret?

Als vor einem Jahr der Lockdown verkündet wurde, benötigten wir lediglich einen halben Tag, um einen Überblick über allfällige neue Risiken zu gewinnen. Wir verfolgen eine risikoarme Politik und haben glücklicherweise weder aggressive Gewinnvorgaben noch ein Entlöhnungssystem mit Fehlanreizen wie überbordende Boni, die uns unvorsichtig werden lassen könnten.

«Der Immobilienmarkt hat in unserem Marktgebiet überhaupt nicht unter Corona gelitten»

Unsere interne und externe Revisionsstelle bescheinigt uns regelmässig, dass wir wenig Risiken eingehen. Wir haben einen sehr tiefen Anteil an kommerziellen Finanzierungen. Die allermeisten Ausleihungen sind grundpfandgedeckt. Wenn wir das ganze Portfolio betrachten, haben wir eine Belehnung zwischen 50 Prozent und 60 Prozent auf einer sehr, sehr konservativen Belehnungsbasis.

Wie gewinnen Sie neue Kundinnen und Kunden?

Die erwähnten Kooperationen sowie die Partnerschaft mit dem digitalen Immobilienmakler Agent Selly ermöglichen uns, eine gute Pipeline von potenziellen Neukunden aufzubauen.

Der Immobilienmarkt hat in unserem Marktgebiet überhaupt nicht unter Corona gelitten, im Gegenteil. Wir beobachten weiterhin eine enorm grosse Nachfrage nach dem beschränkten Angebot. Daher gelingt es uns in einem erfreulichen Mass, neue Kunden zu gewinnen.

«Manche Leute riefen uns ganz spontan an»

Einen richtigen Schub verzeichneten wir mit dem im März neu lancierten Marktauftritt. Anscheinend ist es uns, zusammen mit der Kreativagentur Ruf Lanz gelungen, durch die Schärfung der Markenwerte Aufmerksamkeit zu generieren. Die Reaktionen in den Sozialen Medien sind äusserst positiv und übertreffen alle Erwartungen. Manche Leute riefen uns ganz spontan an.

Wie sieht Ihre Digitalstrategie aus?

Primär wollen wir unserer Kundschaft Dienstleistungen anbieten, die ihr den Umgang mit den Finanzen erleichtern. Ausserdem streben wir einen Dialog in der Beratung an. Dies bedeutet wiederum, dass wir beispielweise gängige Lösungen im Net- und Mobilebanking anbieten und vor wenigen Wochen ein neues elektronisches Kundenportal auf unserer Website eingeführt haben.

«Ein weiteres Standbein ist unser Immobilienportfolio»

Die Technik soll immer als Mittel zum Zweck dienen. Mit dem Einsatz von moderner Technologie wollen wir unsere Prozesse effizient gestalten und durch einfache Kooperationen zusätzliche Dienstleistungen anbieten, die wir alleine nicht kostendeckend erbringen könnten.

Als kleine Bank sind wir in der glücklichen Lage, Entwicklungen auch einmal zuerst zu beobachten um dann entscheiden können, was wir ebenfalls umsetzen wollen. Eines unserer strategischen Schwerpunktthemen lautet «sinnvolle Modernisierung» und impliziert, dass wir unser Bestandsgeschäft in die neue Welt transformieren und gleichzeitig neue Kunden gewinnen möchten. Was wir nicht wollen, ist auf jeden Hype aufzuspringen.

Was unternimmt die Bank Thalwil, um ihre Abhängigkeit vom Zinsdifferenzgeschäft zu verringern?

Wir arbeiten auch an diesem Thema intensiv. Im Anlagebereich sind wir Zusammenarbeit mit dem Schweizer KMU «The Screener» eingegangen, das uns Modell-Portfolios für unsere Kundschaft zusammenstellt. Damit wachsen wir langsam, aber stetig. Rund 10 Prozent unserer Erträge stammen bereits aus dem Anlagebereich. 

Ein weiteres Standbein ist unser Immobilienportfolio, das wir bei guten Gelegenheiten ausbauen. Wir erzielen in diesem Bereich rund 15 Prozent unseres Gesamtertrags und zwar mit Renditeliegenschaften in unserem eigenen Marktgebiet – mit Mietern, die wir teils seit Jahren oder Jahrzehnten kennen.

Aber es dauert natürlich eine Weile, bis man ein über 180 Jahre gewachsenes Geschäftsmodell verändert hat.

Wie sprechen Sie die jüngere Klientel an?

Wir stellen fest, dass unsere Werte «Leidenschaft», «Tatkraft», «Verlässlichkeit» und «Gemeinschaft» gerade bei jüngeren Menschen sehr gut ankommen. Der neue Marktauftritt sowie ein grosses regionales Sponsoring-Engagement zur Stützung der Gemeinschaft – unterstützt durch Social Media und PR-Massnahmen – garantieren, dass unsere Botschaften auch jüngere Zielgruppen erreichen.

«Wir dürfen davon ausgehen, dass unsere ganze Welt in fünf Jahren eine andere sein wird»

Es ist für uns aber auch eine Verpflichtung, diese Werte täglich zu leben. Ich spüre bei unseren Mitarbeitenden eine grosse Leidenschaft, sich für diese Bank einzusetzen und gegenüber den Kundinnen und Kunden ihr Bestes zu geben.

Wir treten den Tatbeweis mit verschiedenen Massnahmen an, zum Beispiel mit dem Handschlagkredit für KMU: Ein Unternehmen, das seit mindestens zwei Jahren besteht und solide Zahlen aufweist, erhält bei uns ohne Vertrag, also per Handschlag, einen Blankokredit bis zu einem bestimmten Betrag. Solche Themen sprechen junge Menschen an.

Wird die Bank Thalwil in fünf Jahren eine andere sein?

Ja, ich glaube, wir dürfen davon ausgehen, dass unsere ganze Welt in fünf Jahren eine andere sein wird. So ist es unsere Pflicht, uns auch den Veränderungen anzupassen und sie möglichst vorwegzunehmen.

«Ich gehe davon aus, dass viele Mitarbeitende auch künftig einen Tag pro Woche Homeoffice machen werden»

Ich finde, das macht auch sehr viel Spass und die Handlungsfreiheit bei einer so übersichtlichen Bank ist sehr gross und gibt jedem Mitarbeitenden die Möglichkeit, sich einzubringen. Wir fördern auch gezielt die Weiterbildung unserer Beschäftigten, die dafür insgesamt sechs Arbeitstage pro Jahr frei kriegen.

In den nächsten zwei Jahren entsteht unser neuer Hauptsitz mit einer Grundfläche von insgesamt 1'000 Quadratmeter. Dort wollen wir das Konzept von Activity Based Working (neue, moderne Arbeitswelten) umsetzen. In diesen Prozess beziehen wir unsere Mitarbeitenden bereits heute ein. Ich gehe davon aus, dass viele Mitarbeitende auch künftig einen Tag pro Woche Homeoffice machen werden.

Wie gesagt, vieles wird sich in den nächsten fünf Jahren verändern. Was jedoch bleibt und auch morgen noch Gültigkeit behalten wird, sind unsere Werte. Dafür setze ich mich ein.


Der 53-jährige Sandro Meichtry ist seit April 2020 Vorsitzender der Geschäftsleitung der Bank Thalwil. Er stiess 2017 zum Unternehmen. Zuvor war er von 2008 bis 2016 als Geschäftsleitungsmitglied der Neuen Aargauer Bank (NAB) tätig, wo er die Leitung des Private Banking inne hatte. Frühere Stationen in seiner Karriere waren bei der Zürcher Kantonalbank sowie bei der Credit Suisse. Er ist diplomierter Betriebsökonom und aktuell in der Schlussphase des EMBA FH in Banksteuerung und -führung.

 

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