Die Bank Thalwil kooperiert mit einem Fintech und verspricht sich davon, neue Kunden zu erreichen. «Es ist spannend, unsere Aktivitäten so ins Immobiliengeschäft auszuweiten», sagt CEO Sandro Meichtry im Interview mit finews.ch


Herr Meichtry, wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem digitalen Immobilien-Verkäufer AgentSelly?

In unserem Einzugsgebiet sind wir sehr gut vernetzt, und einige unserer Exponenten verfügen über beste Kontakte in verschiedenste Bereiche. So kamen wir bereits vor einiger Zeit mit AgentSelly in Kontakt und haben mögliche Formen der Zusammenarbeit geprüft.

Für uns ist es spannend, einerseits unser traditionelles Kerngeschäft weiterzuentwickeln, und andererseits mit einem Fintech unsere Aktivitäten ins Immobiliengeschäft auszuweiten. Wir konnten keine adäquaten Alternativen erkennen.

Welche Überlegungen gingen der Suche nach einem solchen Partner voraus?

Die im Frühjahr vorgestellte Strategie «2020ff.» der Bank Thalwil konzentriert sich auf vier Schwerpunkte: Senioren, Generation Y, Immobilien und Zusatzdienstleistungen. Bereits während der Strategieentwicklung kristallisierte sich schnell heraus, dass wir über eine Kooperation mit AgentSelly alle vier Themen aus einem Guss und mit Mehrwert für alle Beteiligten bearbeiten können.

«Die wirtschaftliche Unsicherheit wird wahrscheinlich die Nachfrage nach Immobilien moderat sinken lassen»

Die Verkäufer, in der Regel sind es oft Senioren, die sich verändern wollen, werden auch im Verkaufsprozess ihrer Liegenschaft durch ihren bewährten Ansprechpartner begleitet, während die Käufer, ein Grossteil davon in der Zielgruppe Generation Y, finden mittels der Zusatzdienstleistung der Bank Thalwil ihre passenden Lösungen im Immobilienmarkt. So lernen sie uns und wir sie kennen.

Rechnen Sie wegen Corona mit verstärkten Aktivitäten im Immobilienbereich?

Die wirtschaftliche Unsicherheit wird wahrscheinlich die Nachfrage nach Immobilien moderat sinken lassen. Auf der anderen Seite wirkt das weiterhin tiefe Zinsniveau und der durch die Coronakrise ausgelöste Trend zu Homeoffice dagegen.

Gerade mitten in der Coronakrise hat es sich gezeigt, dass den Leuten eine gute Wohnsituation wichtig ist. So gesehen dürfte die Nachfrage nach qualitativ hochwertigem Wohnraum weiter gross bleiben. Aber wir gehen auch davon aus, dass die Preise für Gewerbe- und Büroflächen unter Druck geraten.

«Alle haben gemerkt, dass Homeoffice eine sinnvolle Ergänzung zum Arbeiten vor Ort sein kann»

Firmen werden weniger Fläche beanspruchen, weil sie – wie auch wir – gemerkt haben, dass Homeoffice eine sinnvolle Ergänzung zum Arbeiten vor Ort sein kann.

Welche Erwartungen haben Sie in Bezug auf das Immobiliengeschäft in Ihrem Einzugsgebiet?

Die Lage ist und bleibt weiterhin eines der Top-Kriterien beim Kauf eines Eigenheims, und da sind wir in unserem Einzugsgebiet sehr gut aufgestellt: Die optimale Verkehrsanbindung im gesamten Agglomerationsgebiet Zürich, der Zürichsee als starker Anziehungspunkt, die City mit internationalem Flair, dem historischem Charakter, dem umfassenden Freizeitangebot und der Nähe zum Naherholungsgebiet werden den Immobilienmarkt weiter stützen.

Wir erwarten in etwa konstante Preise im Eigenheimsegment. Im Bereich Luxusobjekte, Büro- und Gewerbeliegenschaften wird die Nachfrage tendenziell sinken, was sich auch im Preis auswirken könnte.

Wie gross ist das Hypothekargeschäft der Bank Thalwil im Vergleich zu den anderen Aktivitäten?

Als Regionalbank ist das Zinsgeschäft ein traditionell starker Ertragspfeiler, der in etwa 70 Prozent des Bruttoertrags ausmacht. Die Zinsmarge ist in den vergangenen Jahren unter Druck gekommen und wird aufgrund der Negativzinsen unter Druck bleiben.

«Das Zinsergebnis wird mit verschiedenen Corona-Unsicherheit versehen sein»

Unser Ziel ist es, Negativzinsen zu vermeiden. Trotzdem wollen wir mittelfristig unser Zinsergebnis konstant halten und die weiteren Ertragspfeiler steigern. Für 2020 rechnen wir momentan mit einem marktüblichen Wachstum und aufgrund von tieferen Refinanzierungskosten mit einem kurzfristig besseren Zinsergebnis, das allerdings mit verschiedenen Corona-Unsicherheiten versehen ist; unter anderem haben wir den gewerblichen Mietern unserer bankeigenen Liegenschaften einen Mieterlass für die Lockdown-Periode gewährt und prüfen zur Zeit leicht höherer Wertberichtigungen bei unseren gewerblichen Positionen.

Plant die Bank Thalwil weitere Kooperationen mit Drittfirmen?

Wir sind offen für weitere Kooperationen, die in unsere Strategie passen sowie unseren Markenwerten entsprechen. In unserer Strategie haben wir uns das Ziel «sinnvoll modernisieren» gegeben. Das bedeutet, dass wir offen sind für Kooperationen in verschiedensten Bereichen und stets nach Lösungen suchen um unser Kerngeschäft weiterzuentwickeln und zu erweitern.

«Wir wollen nicht auf jeden Zug aufspringen»

Wir wollen aber genau prüfen, mit wem wir eine Partnerschaft eingehen und nicht auf jeden Zug aufspringen nur weil es technisch machbar ist. Auf jeden Fall muss es immer einen Sinn für unsere Kunden, Genossenschafter, Mitarbeiter und auch für den Partner selbst ergeben.

Im Vordergrund stehen Kooperationen, die unser Kerngeschäft stärken, den Kunden einen Mehrwert bieten, weitere Ertragsmöglichkeiten eröffnen und innerhalb unseres Netzwerks Synergien entstehen lassen.


Der 52-jährige Sandro Meichtry ist seit April 2020 Vorsitzender der Geschäftsleitung der Bank Thalwil. Er stiess 2017 zum Unternehmen. Zuvor war er von 2008 bis 2016 als Geschäftsleitungsmitglied der Neuen Aargauer Bank tätig, wo er die Leitung des Private Banking inne hatte. Erfahrungen in den Bereichen Privat- und Firmenkunden erwarb er sich von 1997 bis 2008 bei der Zürcher Kantonalbank, wo er zunächst die Filiale Regensdorf leitete, später mehrere Allfinanz-Teams in Winterthur führte und schliesslich Marktbereichsleiter Private Banking Ausland in Zürich wurde. Von 1987 bis 1997 war er bei der Credit Suisse als Devisenhändler und später als Leiter der Geschäftsstelle Andelfingen tätig.

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