Die Europäische Zentralbank macht Druck auf die grossen Wall-Street Investmentbanken und die UBS. Der zuständige Bankaufseher hat die Finanzinstitute aus Nicht-EU-Ländern aufgefordert, Personal und Kapital innerhalb der EU aufzustocken.

«Leere Hüllenstrukturen sind ein sehr reales Problem», schreibt Andrea Enria, Leiter der Banken-Aufsichtsbehörde bei der EZB in einem Blogeintrag. «Die EZB setzt keine spezifischen Ziele für die Verlagerung von Bankgeschäften in den Euroraum. Stattdessen wollen wir sicherstellen, dass die neuen juristischen Personen über Onshore-Governance- und Risikomanagement-Regelungen verfügen, die aus aufsichtsrechtlicher Sicht dem von ihnen ausgehenden Risiko angemessen sind.»

Damit werden die grössten Investmentbanken an der Wall Street und in der Londoner City einmal mehr aufgefordert, die Handelsabteilungen, die sie nach dem Brexit in der Eurozone einrichten, aufzustocken, um ihre Abhängigkeit von Geschäften ausserhalb der Eurozone zu verringern. Bereits seit Jahren drängt die Zentralbank darauf, dass diese Banken mehr Personal und Kapital für Finanzmarktgeschäfte in der Eurozone bereitstellen.

Hunderte Milliarden verlagert

Nach dem Brexit mussten diese Banken ihre europäischen Geschäfte aufteilen und teilweise Hunderte Milliarden Dollar an Vermögenswerten an Standorte wie Paris, Frankfurt, Amsterdam und Dublin verlagern.

Entgegen den ursprünglichen Prognosen wurden allerdings weit weniger Arbeitsplätze als erwartet von der Londoner City in die EU verlagert. So sprach der britische City-Minister John Glenn im vergangenen Monat von geschätzt 7’000 Arbeitsplätzen, die von Grossbritannien in die EU verlagert wurden, wie die «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig) schreibt. London habe nicht den von vielen erwarteten «Aderlass» erlebt. Ursprünglich hatten Schätzungen eine Abwanderung von Zehntausender Stellen an die Wand gemalt. 

Gnadenfrist wegen Corona

Die EZB habe den Banken aufgrund der Störungen durch die Coronavirus-Pandemie mehr Zeit für die Verlegung von Führungskräften in die Eurozone eingeräumt. Doch selbst nach der Aufhebung der Reisebeschränkungen und der erneuten Verstärkung des Drucks durch die Zentralbank scheinen viele Top-Händler immer noch zu zögern, London zu verlassen, heisst es in dem Bericht weiter. Mit der Erhöhung des Drucks riskiere die EZB, die Spannungen mit der Bank of England (BoE) zu verschärfen. Hier hätten Beamte Sorgen, dass es zu einer «Aushöhlung» der britischen Banken kommen könnte.

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(Andrea Enria, Chef der Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank, Bild: EZB)

Der Kommentar des EZB-Bankausehers folgt auf den Abschluss des sogenannten «Desk-Mapping», bei dem eine Bestandsaufnahme der erfolgten Verlagerungen gemacht wurde. Dabei hat sich die Zentralbank auf acht globale Investmentbanken konzentriert: J.P. Morgan Chase, Bank of America, Citigroup, Goldman Sachs, Morgan Stanley, HSBC, Barclays und die Schweizer Grossbank UBS.

Von den 256 Handelsabteilungen der sieben untersuchten Banken hat keine «die volle Kontrolle über ihre Bilanzen» behalten. Etwa 70 Prozent verwenden Back-to-Back-Modelle, bei denen Geschäfte in der Eurozone mit Unternehmen ausserhalb des Blocks verrechnet werden, um das Risiko aus der Ferne zu steuern. Ein Fünftel verwendet Desk-Splitting. Dabei wird das Risiko von Geschäften in der Eurozone gemeinsam von Desks innerhalb und ausserhalb der Eurozone verwaltet.

Hohes Betriebs- und Gegenparteirisiko

Laut Enria sind diese Strukturen gegenüber ihrer Muttergesellschaft einem erhöhten Betriebs- und Gegenparteirisiko ausgesetzt. Dass könne in einer Krise dazu führen, dass die Geschäfte einer Bank in der Eurozone mit grossen ungesicherten Positionen und wenig bis gar keinem Zugang zu dem Personal und der Infrastruktur zurückbleiben, die für eine reibungslose Abwicklung erforderlich sind.

Die EZB habe die 56 wichtigsten Handelsabteilungen identifiziert und werde deren Mutterkonzernen «verbindliche Entscheidungen» auferlegen, mit denen sie aufgefordert werden, ihre Geschäfte in der Eurozone aufzustocken. Andernfalls müssten sie mit Geldstrafen rechnen. Insbesondere sollen sie aufgefordert werden, einen Leiter für jede Handelsabteilung in der Eurozone zu ernennen, «mit klar definierten Berichtslinien und einer Vergütungsstruktur, die an die Leistung dieser Einheit gekoppelt ist».

Zudem wird eine «angemessene Infrastruktur sowie eine angemessene Anzahl von Händlern mit entsprechender Erfahrung» gefordert, um das Risiko vor Ort zu steuern. Die Banken müssen ausreichende Kontrollen und den Einsatz von Finanzversicherungen oder Absicherungen begrenzen, um die Risiken des Eurozonen-Handels aus anderen Bereichen der Bank abzudecken.

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