Die steigende Regulierungsdichte enge die Unternehmen stark ein, sagt Martin Hess von der Schweizerischen Bankiervereinigung. Darum sei es höchste Zeit, den Kampf gegen die überbordende Bürokratie aufzunehmen.

Martin Hess 134x192Martin Hess ist Leiter Wirtschaftspolitik bei der Schweizerischen Bankiervereinigung

Die Expertengruppe Brunetti wusste es, der Bundesrat auch: Die steigende Regulierungsdichte engt Unternehmen stark ein und nimmt ihnen den Sauerstoff für profitables Wirtschaften. Diese Woche hat nun auch das Parlament Flagge gezeigt und zwei Vorstösse (Motion FDP-Liberale Fraktion und Motion Karl Vogler) unterstützt, die den Kampf gegen die überbordende Bürokratie aufnehmen.

Gute Regulierung besser als Deregulierung

Dazu soll weder der ganze Gesetzgebungsprozess auf den Kopf gestellt, noch eine neue Phase der Deregulierung eingeläutet werden. Für eine gute Regulierungspolitik reicht es völlig aus, wenn altbekannte Instrumente wie die Regulierungsfolge-Abschätzung systematisch angewendet werden. Gute Regulierung ist zweckmässig, wirksam und kostengünstig. Sie kommt aber nicht von selbst.

Der Abstieg der Schweiz bei der Regulierung lässt sich in Zahlen belegen. Im Ranking der «Burden of Government Regulation» des WEF stieg sie von Rang 11 (2009) auf Rang 17 (2013), im «Ease of Doing Business»-Index der Weltbank gar von Rang 11 (2005) auf Rang 26 (2016) ab. Ohne Gegensteuer ist es eine Frage der Zeit, bis sich dies in den Rankings zur Wettbewerbsfähigkeit niederschlägt.

Defizite im Regulierungsprozess

Im Finanzbereich hat die Schweiz wiederholt in zeitlicher Hinsicht bei der Anerkennung und Umsetzung internationaler Standards Probleme bekundet. Weiter führt ein mangelnder Einbezug der Branche über den gesamten Gesetzgebungsprozess zu Regulierungen mit unverhältnismässig grossem Aufwand für die betroffenen Unternehmen.

Es ist absolut problematisch, wenn heute weder Zweckmässigkeits-Prüfungen noch Regulierungsfolge-Abschätzungen systematisch durchgeführt werden. Und auch beim Regulator müsste ex post eine Qualitätsanalyse der Zielerreichung durchgeführt werden.

Für Prüfstelle und Preisschild

Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) hat sich dem Kernproblem der fehlenden Verbindlichkeit der Anwendung von Regulierungsinstrumenten angenommen. Sie zeigt in einem Konzept auf, wie anerkannten Regulierungsprinzipien endlich Gehör zu verschaffen ist. Herzstück ist ein systematischer, nachvollziehbarer Ablauf der einzelnen Regulierungsschritte.

Dazu braucht es für ein gutes Produkt wie in jeder Firma ein geregeltes Controlling und einen jederzeit engen Kundenkontakt. Eine neu zu schaffende unabhängige Regulierungsprüfstelle soll das Controlling sicherstellen.

Idealerweise sehr schlank

Schön, dass das Parlament dem entsprechenden Vorschlag von Nationalrat Andrea Caroni gefolgt ist. Dem Kundenkontakt entspricht das stete Gespräch der Verwaltung mit den regulierten Firmen. Diese beiden Elemente sind notwendig für das Ziel der guten Regulierung.

Idealerweise ist die Prüfstelle sehr schlank. Sie stellt fest, ob der Bedarf für eine neue Vorschrift ausreichend ausgewiesen ist, und ob die Resultate der Folgenabschätzung im Einklang mit den anerkannten Regulierungsprinzipien stehen. Damit die Instrumente beissen, müssen die den Firmen aufgebürdeten administrativen Kosten auf einem Preisschild ausgewiesen werden. Ansonsten ist die erwünschte Entlastung der Wirtschaft eine Illusion.

Exotische Lösungen bedingt tauglich

Wie steht es nun mit den erwähnten Sunset-Klauseln, Opting-out-Choices oder «One in, one out»-Regeln? Sehr einfach: Sie sind ein gutes Beispiel von neuer Regulierung, deren Bedarf, Zweckmässigkeit und Nebenwirkungen im beschriebenen Prozess geprüft werden müssen. Sonst laufen sie selbst Gefahr, zur Überregulierung beizutragen.

Aus meiner Sicht können diese Vorschläge als Einzelmassnahme eine Regulierungsprüfstelle allenfalls ergänzen, aber nicht ersetzen.