Martin Hess: «Sicherer, schneller und günstiger»
Am Dienstag hat die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) in Bern die Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie zu einem Franken-Deposit-Token präsentiert (finews.ch berichtete). Postfinance, die Kryptobank Sygnum und die Grossbank UBS klärten unter der Ägide der SBVg ab, ob ein solcher Token technologisch realisierbar ist und auch im bestehenden Rechtsrahmen funktioniert. Was sind die wichtigsten Ergebnisse der Studie – und wie könnten sie den Zahlungsverkehr in der Schweiz verändern? Martin Hess, Leiter Wirtschaftspolitik und Gesamtprojektleiter Digitale Währungen beim SBVg, steht Red und Antwort.
Herr Hess, in Ihrer Studie werden Deposit Token als Teil des Fundaments der künftigen digitalen Finanzinfrastruktur der Schweiz bezeichnet. Sind Ihre Mitgliedinstitute nicht schon heute im Zahlungsverkehr effizient und digital unterwegs?
In der Tat ist das bestehende traditionelle System bereits heute effizient. Doch nun geht es darum, die speziellen Eigenschaften von Token, also von kryptografisch gespeicherten Werten auf einer Blockchain, einzusetzen, um die Vorteile einer digitalen Wirtschaft zu nutzen. Wenn wir Transaktionen sicherer, schneller und günstiger machen können, profitieren alle davon – die Finanzinstitute, die Privatkunden und die Unternehmen.
Sie haben zwei Anwendungsfälle geprüft, zum einen normale Zahlungsanweisungen zwischen zwei Bankkunden, zum anderen die Abwicklung einer Transaktion, die an Bedingungen geknüpft ist. Wo sehen Sie mehr Potenzial?
Beim einfachen Einlagentransfer ist das heutige System wahrscheinlich effizienter. Anders sieht es im zweiten Fall aus, also z.B. bei einem mit Deposit Token gekauften Blockchain-basierten Wertpapier. Hier ermöglicht ein Smart Contract in Kombination mit dem Deposit Token sofortige und direkte Lieferung gegen Zahlung, und im Nachgang des Kaufs können beispielsweise Dividendenzahlungen oder Kapitalerhöhungen automatisiert werden.
«Je globaler die Wirtschaft, desto wichtiger ist, dass Lieferung und Zahlung gleichzeitig ausgelöst werden.»
Gleichwohl können Käufe im Internet doch bereits heute sicher und effizient abgewickelt werden. Was wollen Sie hier noch verbessern?
Ja, in der Schweiz funktioniert das gut, aber wenn Sie zum Beispiel online eine Dienstleistung bei einem chinesischen Anbieter bestellen, den Sie gar nicht kennen, sieht es anders aus. Je globaler die Wirtschaft wird, desto wichtiger werden Zug-um-Zug-Geschäfte zwischen Parteien, die einander nicht kennen. Die Blockchain ermöglicht Delivery versus Payment (DvP), also dass Zahlung und Lieferung gleichzeitig ausgelöst und damit das Gegenparteirisiko ausgeschlossen wird. Zudem gibt es auch hierzulande viele mögliche Anwendungsfälle.
Zum Beispiel?
Eine Versicherung könnte beispielsweise eine Schadenpolice als Smart Contract über einen Deposit Token so ausgestalten, dass beim Erreichen bestimmter Messwerte an Wetterstationen in der entsprechenden Region automatisch eine Zahlung an den Kunden ausgelöst würde.
In Ihrem Whitepaper zu einem Buchgeld-Token von 2023 hatten Sie noch ehrgeizigere Optionen auf den Tisch gelegt, zum Beispiel einen Token als allgemeines Zahlungsmittel der Zukunft. Weshalb sind Sie nun bloss bei einer Abbildung traditioneller Einlagen geblieben?
Wir haben uns im Nachgang an das Whitepaper um eine umsetzbare Lösung bemüht. Namentlich wollten wir die Vorteile digitaler Token nutzen, ohne das ganze Geschäftsmodell der Banken auf den Kopf stellen zu müssen. Zudem war uns für uns eine Lösung entscheidend, die auch im bestehenden regulatorischen und rechtlichen Umfeld funktioniert, also ohne Gesetzesanpassungen.
Wie wichtig waren rechtliche Aspekte in Ihrer Studie?
80 Prozent der Arbeit bestanden darin, die juristischen Aspekte der Durchführung zu prüfen. 20 Prozent entfielen auf die technologische Umsetzung, also die Blockchain, das Programmieren und die Anbindung an bestehende Systeme.
«Ein Signal der Studie ist: Die Banken sind innovativ unterwegs und wollen das künftige Finanzsystem mitgestalten.»
Was bleibt von der Studie? Verstaubt sie nun einfach in der Schublade, oder ist eine Fortsetzung geplant?
Dass die Banken die Studie durchgeführt haben, setzt ein wichtiges Signal. Es zeigt, dass unsere Mitglieder innovativ unterwegs sind und die Zukunft des Finanzsystems und damit eines für die ganze Schweizer Wirtschaft tragenden Pfeilers mitgestalten wollen. Es gibt noch kein konkretes Nachfolgeprojekt, aber wir wissen jetzt, woran wir noch arbeiten müssen, damit sich Deposit Token künftig durchsetzen und wir die damit verbundenen Vorteile nutzen können.
Was sind denn die Baustellen?
Die Machbarkeitsstudie hat mehrere Fragen aufgeworfen. Unter anderem könnte statt dem Betrieb eines synchronisierten Systems für die Abwicklung zwischen den Banken die Anbindung von Zentralbankgeld auf derselben Plattform möglicherweise effizienter sein. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) testet im Rahmen ihres «Helvetia»-Pilotprojektes gerade die Abwicklung von tokenisierten Vermögenswerten auch mit Zentralbankgeld. Der nächste Schritt wäre die Entwicklung eines Prototypen, der unser Projekt mit demjenigen der SNB verknüpft. Ich kann Ihnen versprechen, dass wir am Thema dranbleiben werden.