Das Asset Management ist eine noch schwache Stütze zur Erneuerung des Finanzsektors. Die Unternehmenssteuer-Reform würde der Branche die nötige Luft zum Atmen verschaffen, schreibt Jean Keller exklusiv auf finews.ch.

Vor zehn Jahren zweifelte mancher, ob der Finanzplatz Schweiz sich neu erfinden könnte. Heute muss man sagen, dass die pessimistischen Vorhersagen von damals nicht eingetreten sind, ganz im Gegenteil. Unser totgesagter Finanzsektor ist nicht verschwunden. Wir können uns sogar darüber freuen, dass es dem Finanzplatz Schweiz gelungen ist, sich neu zu erfinden.

Eine der wichtigsten Achsen für den Finanzplatz war die Entwicklung der institutionellen Vermögensverwaltung, dem Asset Management, als eine der tragenden Säulen für die erforderliche Transformation.

Der Dominanz der Amerikaner ausgesetzt

In diesem Zusammenhang lancierte die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) 2012 eine Initiative für die Entwicklung des Schweizer Asset Management.Damit erreichte sie, dass sich viele Finanzinstitute dieser Art von Vermögensverwaltung mit Nachdruck engagierten. Einige Namen waren schon seit Jahrzehnten vertreten, andere kamen nun hinzu. Wir können stolz sein auf den unternehmerischen Boden, den wir in den vergangenen Jahren dadurch erschlossen haben. So konnte sich in der Schweiz eine umfangreiche Expertise in Sachen Vermögensverwaltung entwickeln.

Nun sieht sich diese neue Branche einem komplexen Wettbewerbsumfeld ausgesetzt: Zuallererst muss sie sich der Dominanz der sehr grossen angelsächsischen Akteure stellen, die den Vorteil haben, dass sie über wesentlich grössere Inlandmärkte verfügen als wir. Das verschafft ihnen einen enormen Vorsprung gegenüber kleineren Ländern wie unserem. Ausserdem will nicht nur die Schweiz diesen Sektor entwickeln. Andere Länder, darunter unsere direkten Nachbarn, versuchen sich in der Vermögensverwaltung zu profilieren.

Sonderstatus für Finanzinstitute

Vor diesem Hintergrund stellt die Besteuerung ein wichtiges Instrument für die Wettbewerbsfähigkeit eines Finanzplatzes dar. Es wäre naiv zu denken, dass unsere Konkurrenten dieses Mittel nicht intensiv nutzen. So haben Frankreich und Italien jüngst einen Sonderstatus für Finanzdienstleister geschaffen, die Grossbritannien Brexit-bedingt verlassen wollen. Solche Vorteile sind wichtig und finden sich immer häufiger in dem unermüdlichen Kampf für die Förderung von Finanzplätzen, die in einem heftigen Wettbewerb stehen.

Die Unternehmenssteuerreform (STAF) verschafft dem im Übergang begriffenen Finanzsektor frische Luft zum Atmen. Denn die vorgesehene Unternehmenssteuersenkung ist zwar gut für alle Branchen, aber ganz besonders für jene noch am wenigsten stark etablierten – wie das Schweizer Asset Management.

Wettbewerbsfähigkeit fördern

Während die Akteure dieses noch jungen Sektors erhebliche Summen in die Transformation des Geschäftsmodells am Finanzplatz investieren, ist es sehr wichtig, die Entwicklung einer Wettbewerbstätigkeit zu fördern, die den Erhalt der Arbeitsplätze und der künftigen Steuereinnahmen garantiert. Die Senkung der Unternehmenssteuer ist eins der Mittel, um einen Sektor zu unterstützen, der einer sehr starken Konkurrenz ausgesetzt ist.

Die so verschaffte Luft wird es den Finanzplatz-Akteuren erlauben, weiter zu investieren, und dürfte die Direktverluste, die der sinkende Nominalzinssatz auf sehr kurze Sicht bewirkt, weitgehend ausgleichen.

Ein unnützes Hindernis

Der im STAF-Rahmen für die AHV gefundene Kompromiss setzt die Tradition eines gewissen eidgenössischen Pragmatismus' fort, die heute oft in Vergessenheit gerät, aber im aktuellen politischen Kontext zu begrüssen ist. Denn durch die Stärkung unseres Vorsorgesystems unterstützt diese Reform auch das Asset Management.

Ein ausgewogenes und solides Rentensystem ist nämlich die unverzichtbare Basis für das Wachstum einer wettbewerbsfähigen und stabilen Vermögensverwaltungstätigkeit. Jeder Zweifel daran, der unweigerlich ein strukturelles Ungleichgewicht unserer AHV nach sich ziehen würde, wäre ein unnützes Hindernis für einen noch boomenden Sektor.

Intelligenten Kompromiss feiern

Die Transformation des Finanzplatzes benötigt hohe Investitionen, um in der unerbittlichen Konkurrenz bestehen zu können. Die entsprechenden Anstrengungen garantieren denn auch den Erhalt von Arbeitsplätzen in einer Branche, die einen wichtigen Teil unserer Wirtschaft ausmacht. Bringen wir sie nicht mit ideologischen Positionen in Schwierigkeiten! Lasst uns lieber den intelligenten Kompromiss feiern, der auf Bundes- und Kantonsebene gefunden wurde – mit einer notwendigen und ausgewogenen Reform.


Jean Keller stiess 2011 als CEO und Partner zum Genfer Vermögensverwalter Quaero Capital. Zuvor war er CEO von 3A (Alternative Asset Advisors), einer alternativen Anlageabteilung der Schweizer Bankengruppe Syz. Er war dabei auch für die Entwicklung der Gruppe in Asien verantwortlich, namentlich mit dem Kauf von Oria Capital in Hongkong. Vor seinem Eintritt bei Syz war Keller elf Jahre lang in verschiedenen Funktionen innerhalb der Lombard Odier Darier Hentsch (LODH) Gruppe in Genf, New York und London tätig, wo sein Vater als Partner tätig war. Von 2002 bis 2004 war er CEO der LODH Asset Management in London und Mitglied der Geschäftsleitung der Gruppe. Er leitete auch die institutionelle Vermögensverwaltung von LODH und war Mitglied des Asset Management Board. Sein Bruder ist Hubert Keller, ein Partner bei Lombard Odier.

 

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