Die Krise in Hongkong bleibt ungelöst. China kann der Bevölkerung der ehemaligen Kronkolonie entgegen kommen – oder Hongkong sterben lassen, wie Daryl Liew von der Bank Reyl im Interview mit finews.ch erläutert.


Herr Liew, haben die Proteste in Hongkong mit den Wahlen ihren Höhepunkt überschritten?

Nein, in den letzten Tagen sind die Proteste wieder aufgeflammt, nachdem es im Anschluss an den Erdrutschsieg der Demokratiebewegung zu einer Pause gekommen war. Die Unzufriedenheit mit der Regierung von Carrie Lam und dem Vorgehen von Peking ist extrem stark.

Glauben Sie, dass Peking die Proteste mit Hilfe der Armee niederschlagen lässt?

Ein Einschreiten der Nationalen Volksarmee ist ein Albtraumszenario. Ich glaube, dass Peking dies nicht will, weil die internationale Reaktion darauf äusserst massiv ausfallen würde.

Welche anderen Möglichkeiten hätte denn die Regierung in Peking, die Proteste zu beenden?

Peking hat viele Möglichkeiten. Zum Beispiel könnten sie Carrie Lam ersetzen. Sie ist regelrecht verhasst bei den Menschen.

«Die Frage stellt sich, wie relevant Hongkong für China noch ist»

Sie könnten auch den Polizeieinsatz juristisch untersuchen lassen. Ob eine solche Untersuchung lediglich für die Galerie wäre oder nicht, jedenfalls würde dies einen Teil der Demonstranten besänftigen.

Und China könnte auch einige der wirtschaftlichen Probleme Hongkongs angehen – zum Beispiel die Wohnungsnot. Es gibt eine massive Unterversorgung mit bezahlbarem Wohnraum, was bei den jungen Menschen zu grossem Frust führt.

Warum tut Peking denn nichts von alledem?

Vielleicht stört sich die Regierung nicht so sehr daran, da die Volksrepublik sich selbst sehr stark entwickelt. Die Frage stellt sich, wie relevant Hongkong für China noch ist. Sollte die Krise andauern, stirbt Hongkong einen natürlichen Tod.

Was bedeutet die Krise für die Bankenindustrie in Hongkong?

Es kommt darauf an, welche Banken man betrachtet. Die Kunden von internationalen Banken können problemlos ein Konto in Singapur eröffnen und ihr Vermögen verschieben.

«Die Aktien sind viel teurer als vor einem Jahr»

Wer wirklich ein Problem hat, sind die lokalen Banken. Diese sind eng mit der Volkswirtschaft von Hongkong verknüpft.

Wieviel des Bankgewerbes ist denn schon nach Singapur abgewandert?

Die Menschen suchen definitiv nach Alternativen. Einige haben schon Konten in Singapur eröffnet. Sowohl Bürger der Volksrepublik und von Hongkong sind im Immobilienmarkt von Singapur aktiv und viele Singapurer, die in Hongkong arbeiten, wollen jetzt zurück.

«Das globale Wachstum hat die Talsohle durchschritten»

Für die Banken bleibt es schwierig, im gegenwärtigen Zinsumfeld Geld zu verdienen.

Abgesehen also vom Banking gibt es Anzeichen einer Konjunkturerholung in Asien?

Unser Ausblick für Asien ist ziemlich positiv. Der Dollar hat vermutlich den Höhepunkt überschritten and könnte sich abwärts entwickeln, was für Asien positiv ist. Das globale Wachstum hat die Talsohle durchschritten und könnte bald wieder Tritt fassen.

Zudem könnten China und die USA noch im Dezember ein erstes Handelsabkommen abschliessen. Alles in allem also sollte Asien nächstes Jahr ganz gut unterwegs sein.

Die Frage ist einfach, ob dies nicht alles schon in den Aktienpreisen enthalten ist. Gleichwohl, die Aktienmärkte haben in Asien dieses Jahr weniger zugelegt als etwa in den USA, nämlich rund 10 Prozent.


Daryl Liew ist Leiter des Investment und Portfolio Management bei der Bank Reyl in Singapur und Mitglied des Investmentkommittees der Privatbank. Liew hat ein Masters in Business Management vom Asia Institute of Management. Bevor er seine Position bei Reyl aufnahm, arbeitet Liew für Providend in Singapur und als Adjunct Lecturer bei der CFA Singapore.

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