Die Krise weckt Erinnerungen an 1929. Erneut versuchen Politiker, die Schwäche des Finanzsektors zu nutzen, um die Macht des Staates zu stärken. Von Hans Kaufmann.



Von Hans Kaufmann, Ökonom und Nationalrat, Wettswil

 

Manche Politiker erinnern heute an den «New Deal» von Präsident Franklin D. Roosevelt und glauben, es sei nun an der Zeit, eine ähnliche Regulierungswelle auszulösen und den Staat zügig auszubauen. Tatsächlich existieren zahlreiche Parallelen zur Grossen Depression. Auch damals handelte es sich um eine Doppelkrise, die sowohl den Finanzsektor als auch die Realwirtschaft betraf. Auch damals lössten Spekulationen auf Kredit, vorab am Aktienmarkt, eine Krise aus. 1929 verfügte jeder zwanzigste Amerikaner über ein Margin-Konto (Aktien auf Kredit). Aber auch Autos oder Haushaltsgeräte wurden auf Pump gekauft. Auch damals gab es Probleme im grenzüberschreitenden Interbankengeschäft, weil die US-Banken ihre Kredite an ausländische Banken rasch abzogen.

Vorgängig zum Börsenkrach, d.h. seit 1924 hatte sich der US-Börsenindex vervierfacht. Die Spekulation war enorm, konnte man doch mit 10 Prozent (heute meistens 50 Prozent) Eigenkapital Aktien kaufen. Am «Black Monday», am 28. Oktober verlor die US-Börse 13 Prozent, am «Black Tuesday» weitere 12. Bis Ende November 1929 war der Aktienmarkt bereits um 62 Prozent eingebrochen. Insgesamt fiel der Dow Jones Industrial vom Hoch am 3. September 1929 von 381.17  um 89 Prozent bis auf 41.22  am 8. Juli 1932. Der Wert der kotierten Aktien sackte von 89,7 Milliarden Dollar auf 15,6 Milliarden am 1. Juli 1932 ab. Dies vergleicht sich mit dem BIP von 103 Milliarden im Jahre 1929.

Aktiencrash erklärt die Depression nicht

Der Aktienmarkt-Crash war aber nicht der Hauptgrund der nachfolgenden Depression und er ist auch keine Erklärung für ihre Länge und Tiefe. Ende der 20er-Jahre zeichneten sich im Anschluss an den Nachkriegsboom in den USA deutliche Überkapazitäten in Form von Überproduktionen ab, die auf Halde gelegt wurde. Die Rezession dauerte zehn Jahre und der Aktienmarkt benötigte vom Tiefpunkt aus gemessen über zwanzig Jahre, um wieder das Niveau vor dem Crash zu erreichen.

  • Fazit: Der Ablauf aller Depressionen gleicht sich, weshalb auch heute die Angst vor einer Depression bzw. einer Rezession, die weit über die Schätzungen der Prognoseinstitute hinausgeht, nicht ganz unbegründet erscheint: hohe Verschuldung, Kreditinflation, Verschlechterung der Liquiditätslage der Wirtschaft, Misstrauen im Bankensystem, Werteinbruch von Kreditpfändern, Schwäche der Rohstoffpreise, Protektionismus, Arbeitslosigkeit, hohe Budgetdefizite.

Will man Depressionen verhindern, dann muss die Politik primär die Schuldenmacherei eindämmen, indem sie keine Budgetdefizite zulässt und den Abbau der Staatsschulden endlich in Angriff nimmt. Die Notenbanken dürfen keine zu lockere Geldpolitik betreiben, die die Bildung von Spekulationsblasen fördert. Wenn rekordhohe Zuwachsraten bei einzelnen Finanz- oder Kreditinstrumenten oder andere Exzesse in einem Sektor des Finanzsektors manifest werden, muss die Aufsicht Alarm schlagen und allenfalls eingreifen, um Systemrisiken zu vermeiden.

Automatische Stabilisatoren

Heute erscheint ein Einbruch wie in den 30er-Jahren eher unwahrscheinlich, denn sowohl die Notenbanken als auch die Regierungen verhalten sich anders. Dank des in den meisten Ländern ausgebauten sozialen Netzes und der stabilisierenden Rolle des Staates bei der Beschäftigung (1929 waren rund 5 Prozent der Beschäftigten beim Staat angestellt, heute sind es rund 20 Prozent), erscheint auch eine Massenarbeitslosigkeit unwahrscheinlich. Heute machen die Ausgaben des Staates inklusive der Sozialversicherungen je nach Land zwischen einem Drittel und der Hälfte des Bruttoinlandsproduktes aus. Die schwankungsarmen öffentlichen Ausgaben stabilisieren im Abschwung die gesamte Wirtschaftsleistung. Neben einer verbesserten Geldpolitik sind diese so genannten automatischen Stabilisatoren ein Grund dafür, dass die Konjunkturzyklen nach dem zweiten Weltkrieg vergleichsweise milde ausfielen.

In der Grossen Depression ab 1929 schrumpfte die amerikanische Volkswirtschaft um rund 30 Prozent, die Kapazität im Stahlsektor sackte auf 20 Prozent ab. Die Grosshandelspreise fielen um 31 Prozent, die Konsumentenpreise um 24 Prozent. Die Grosshandelspreise waren allerdings bereits im Vorfeld der Krise auf Sinkflug. Die Rohstoffpreise hatten sich bis 1921 vervierfacht, dann aber bis 1929 bereits halbiert. Die Landwirtschaftspreise halbierten sich, teils fielen sie um bis zu 70 Prozent. Zehntausende Farmer gingen pleite, wozu allerdings auch die Dürre des Jahres 1930 beitrug. Zwischen 1929 und 1933 gingen 10'763 Banken, das heisst  43 Prozent aller Institute, in Konkurs. Der Immobilienmarkt brach ein, regional um bis zu 80 Prozent.

Selbst Edelmetalle schützten nicht vor Kapitalverlusten. Der Silberpreis brach um 55 Prozent ein. Der Goldpreis war 1929 bekanntlich noch bei 20.67 Dollar pro Unze fixiert. Die Arbeitslosigkeit stieg von etwas über 1 Mio. auf gegen 15 Mio. Leute inklusive Kurzarbeiter an. Die Arbeitslosenquote erreichte 1933 rund 25 Prozent, im Industriesektor sogar 37 Prozent. Der durchschnittliche Wochenlohn in der Industrie sank von 25 im Jahre 1929 auf 16 Dollar im Jahre 1932.

  • Fazit: Ein solventer, funktionierender Finanzsektor ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Wohlstand und das Wirtschaftswachstum. Aus den Fehlern der 30er Jahre haben die Regierungen teilweise ihre Lehren gezogen. Die meisten Industriestaaten haben mittlerweile Einlagensicherungssysteme beschlossen und systemrelevante Banken mit frischem Eigenkapital ausgestattet. Diese Staatseingriffe sollten wesentlich dazu beitragen, dass das Bankensystem in der Lage bleibt, die Wirtschaft mit Liquidität zu versorgen.

Allerdings stellt sich die Frage, wie sich diese Staaten eines Tages wieder aus ihren Engagements lösen können. Die Staatsinterventionen haben zu einer problematischen Wettbewerbsverzerrung geführt, indem schlecht gemanagte Banken gerettet wurden, die wegen ihrer Misswirtschaft vom Markt verschwinden müssten. Leidtragende sind die seriös arbeitenden Banken, die sich weiterhin mit diesen nun sogar staatlich gestützten Konkurrenten herumschlagen müssen. Staatlich dominierte Banken oder Staatsbanken arbeiten nicht erfolgreicher als Privatbanken, wie die Pleiten in Deutschland und anderswo zeigen. Nicht selten vergeben sie Kredite nach politischen statt nach wirtschaftlichen Kriterien und mit der Gewissheit, die Steuerzahler als Garantie hinter sich zu haben, werden oft auch zu grosse Risiken eingegangen.

Aufgaben für die Politik

Noch bleiben aber zahlreiche ungelöste Probleme mit denen sich die Politik beschäftigen muss, beispielsweise mit den risikogerechten Eigenmittelerfordernissen, der Risikomessung, den Kreditversicherungen, den Rating Agenturen, den Bewertungsproblemen von Aktiven und Passiven, den Klumpenrisiken von einzelnen Finanzinstituten für einzelne Länder oder die Aufsicht über international tätige Finanzinstitute.

Die Geldpolitik der US-Fed blieb bis 1932 restriktiv und die US-Regierung erhöhte von 1929 bis 1932 die Steuern massiv. Dennoch fielen die Zinsen  für 90-tägige Commercial Papers von 6,5% im Herbst 1929 auf rund 2% gegen Ende 1930, bis Ende 1941 sogar auf 0,5%. Die Kreditnachfrage brach dramatisch ein und die Liquidität der grossen US-Konzerne sank beängstigend. Die langfristigen Zinsen stiegen hingegen von 5% im Jahre 1929 noch auf 6% im Jahre 1932, um dann in einer langen Talfahrt bis 1941 auf 2,5% zu fallen. Dennoch machten die Zinsen der Wirtschaft zu schaffen, real stiegen sie nämlich auf rekordhohe Werte von über 10%.

Die Geldpolitik wurde später vor allem durch höhere Mindestreservenanforderungen der Banken verschärft. Die Banken wurden damit gezwungen, ihre Ausleihungen zu reduzieren, was die Investitionstätigkeit stoppte. Die Bankkunden hielten ihre Ersparnisse zusehends in Bargeld anstatt in Bankguthaben, was die Kreditvergabe ebenfalls einschränkte. Die Golddeckung hinderte die US-Notenbank an der Ausdehnung der Geldmenge. Um die Golddeckung zu erhöhen, senkte die US-Notenbank ihre Geldbasis von Juni 1928 bis Juni 1930 beispielsweise um 6 Prozent.

Dieses Schrumpfen der Geldbasis entzog den US-Geschäftsbanken Reserven, die sie dringend benötig hätten, um die US-Wirtschaft in der Krise mit Geld und Kredit zu versorgen. Insgesamt schrumpfte die Geldmenge während der Grossen Depression um 30,9 Prozent. Am 4. März 1933 ordnete der neue Präsident Roosevelt die Schliessung aller Banken an, bis das Parlament die neuen dringlichen Bankgesetze, den Emergency Banking Act, beraten hatte. Dieses Gesetz wurde am 9. März 1933 an den Kongress überwiesen, am gleichen Tag beschlossen und in Kraft gesetzt.

Dreiviertel der Banken, die dem Federal Reserve System angeschlossen waren, öffneten innerhalb der nächsten drei Tage ihre Schalter wieder. Milliarden von gehorteten Dollars und Gold flossen in die Banken zurück. Bis April 1933 hatte sich die Situation im Bankensektor wieder normalisiert. Allerdings wurden im Jahre 1933 insgesamt 4'004 kleinere Banken geschlossen und zur Fusion mit grösseren Instituten gezwungen, wobei die Gläubiger 85 Prozent ihrer Guthaben zurückerhielten.

  • Fazit: Der Geldpolitik kommt bei der Bewältigung von Wirtschaftskrisen eine Schlüsselrolle zu. Eine zu restriktive Geldpolitik in einem Wirtschaftsabschwung verteuert die Kredite und engt die Kreditvergabe ein. Aus diesen Fehlern der 30er-Jahre haben die Notenbanken zwar ihre Lehren gezogen, aber ebenso gefährlich ist eine zu expansive Geldpolitik über längere Zeit.

Die derzeitige Nullzins-Politik diverser Notenbanken führt dazu, dass der geldpolitische Spielraum massiv eingeschränkt wird und praktisch nur noch eine Richtung offen bleibt. In der Folge müssen die Notenbanken zu anderen Instrumenten greifen, um die Wirtschaft mit der nötigen Liquidität zu versorgen. Dies geschieht derzeit vor allem mit der Erweiterung der Palette jener Pfänder, gegen die sich die Geschäftsbanken bei der Notenbanken Liquidität auf Kredit beschaffen können, durch den Aufkauf minderwertiger Schuldpapiere etc. Damit könnte wie 2003 bereits wieder der Grundstein für die nächste Blase gelegt werden. Eine solche zeichnet sich derzeit im Bereich der Staatsanleihen ab, die historisch tiefe Renditeniveaus erreicht haben.


Steuererhöhungen sind kein Rezept

Auch ein nur geringfügiger Renditeanstieg bei den langfristigen Staats- oder Kommunalanleihen infolge von bonitätsmässigen Rückstufungen, wegen aufkommenden Inflationsängsten oder infolge einer Konjunkturerholung würde den Anlegern hohe Kursverluste bescheren. In der Regel provoziert eine zu expansive Geldpolitik nach zwei bis drei Jahren einen Inflationsanstieg. 2009 könnten zudem die riesigen Refinanzierungsprogramme der Regierungen zur Finanzierung ihrer diversen Impulsprogramme die privaten Unternehmen aus dem Kapitalmarkt verdrängen. Erhöhen die Staaten aber die Steuern, um diese Programme zu finanzieren, dann haben sie aus den Erfahrungen von 1929 nichts dazugelernt.

Die US-Regierung versuchte auch künstlich mit einem Appell des Präsidenten Hoover im Dezember 1929 die Löhne zu halten, während die Preise fielen, was zu einem Einbruch der Firmengewinne führte, die 1929 nur noch 7 Prozent des Niveaus von 1928 erreichten. In früheren Rezessionen fielen die Löhne in der Regel während einer ein- bis zweijährigen Kontraktionsphase um 9 bis 10 Prozent. In der Grossen Depression hielten die Unternehmen die Löhne bis 1931 etwa konstant. Da sich der Preis der Arbeit nicht dem Marktgeschehen anpassten, erfolgte die Korrektur bei der Menge, das heisst die Arbeitslosigkeit nahm massiv zu. Die US-Regierung unter Präsident Hoover war dem gleichen Irrtum erlegen wie heute viele Gewerkschaften. Sie wollte die Kaufkraft der Arbeiter und Angestellten für den Privatkonsum erhalten, indem die Löhne mit Gesamtarbeitsverträgen künstlich hochgehalten oder Mindestlöhne postuliert werden. Mit staatlicher Lohnpolitik entsteht aber kaum neue Beschäftigung.

  • Fazit: Wenn man die Löhne fixiert, dann passt sich die Menge an. Arbeitslosigkeit ist die Folge. Sinken Waren- und Dienstleistungspreise, kann man die Löhne nicht künstlich hoch halten, sonst gehen Unternehmen zugrunde und Arbeitsplätze gehen für immer verloren. Wenn die Preise fallen, geraten die Gewinnmargen der Unternehmen unter Druck. Entweder sind dann Abstriche bei den Löhnen angesagt oder die Menge der Beschäftigten wird reduziert. Die Schweiz ist eben nicht nur eine Hochpreis-, sondern vor allem eine Hochlohninsel.

Die US-Fiskalpolitik trug ebenfalls massgeblich zur Grossen Depression bei. Nachdem Präsident Hoover noch 1929 angesichts der jährlichen Budgetüberschüsse seit 1920 die Steuersätze linear um 1 Prozent kürzte, beschloss der US-Kongress 1932 massive Steuererhöhungen. Der tiefste marginale Steuersatz wurde von 1,125 auf 4 Prozent, der höchste von 25 (für Einkommen über 100'000 Dollar) auf 63 Prozent (für Einkommen über 1 Million Dollar) angehoben und die Progression wurde verschärft. Die Reduktion der frei verfügbaren Haushaltseinkommen verzögerte die Konjunkturerholung.

Grund dafür war der Einbruch der Einnahmen zwischen 1929 und 1932 um 51 Prozent auf 1,9 Milliarden Dollar. Die Ausgaben nahmen gleichzeitig um 48 Prozent auf 4,6 Milliarden Dollar zu und das Staatsdefizit 1932 war mit 2,7 Milliarden Dollar höher als die Einnahmen von 1.9 Milliarden. Die Ausgaben sanken in all den Krisenjahren jedoch nie. Man kann in diesem Sinne nicht von einer restriktiven Fiskalpolitik sprechen, insbesondere wenn man noch die Kaufkraftentwicklung berücksichtigt. Bis 1939 verdoppelten sich die Ausgaben nochmals auf 9,1 Milliarden; die Einnahmen verdreifachten sich auf 6,3 Milliarden Dollar. Die US-Staatseinnahmen stiegen zwischen 1929 bis 1939 von 3,8 Prozent auf 5,5 Prozent des BIP, die Ausgaben von 3 auf 9,8 Prozent. Die Staatsschulden nahmen von 16,9 Milliarden Dollar auf 40,4 Milliarden. bzw. von 16,3 Prozent des BIP auf 43,9 Prozent zu.

Die Anzahl der Staatsbediensteten nahm innert zehn Jahren von 553'000 auf 954'000 zu. Insgesamt wurden im Gefolge des New Deals nicht weniger als 43 neue Behörden und Institutionen geschaffen, darunter die SEC, FDIC,  die Federal Farm Mortgage Corp, die Federal Housing Administration, die US Housing Authority, Gebilde, die auch heute im Zusammenhang mit der Finanzkrise in den USA noch eine Rolle spielen.

  • Fazit: Die Fiskalpolitik war 1929 bis 1933 kaufkraftbereinigt nicht restriktiv. Die Steuererhöhungen haben hingegen das frei verfügbare Einkommen der Konsumenten geschmälert. Dies war einer der Hauptgründe für den Wirtschaftseinbruch. Das Gegenteil müsste gemacht werden. Steuern müssen gesenkt werden, damit dem Volk mehr frei verfügbares Einkommen zum Konsum zur Verfügung steht. Ein massiver Ausbau des Staatsapparates kann nach der Bewältigung einer Rezession kaum mehr rückgängig gemacht werden. Das Gleiche gilt auch für den Ausbau von Sozialwerken. Die Erhöhung von Kindergeldern oder die Erhöhung von Krankenkassenbeiträgen sind keine Konjunkturinstrumente.

Präsident Hoover appellierte auch an die Wirtschaft, die Dividenden nicht zu kürzen. Die Folge davon war, dass zwar die Dividendenausschüttungen 1930 etwa noch gleich hoch ausfielen wie 1929, aber die Eigenfinanzierung fiel von 2,9  auf -2,6 Milliarden Dollar., d.h. es wurden unverdiente Dividenden ausgeschüttet, was nicht nur die Liquidität der Unternehmen auf ein Minimum drückte, sondern auch die Eigenmittelposition vieler Unternehmen schwächte. Angesichts der heutigen Milliardenverluste erscheinen diese Zahlen bescheiden, aber im Vergleich zum damaligen BIP  handelte es sich doch um beträchtliche Beträge. Heute fordert die Linke in der Schweiz, Dividendenausschüttungen zu verbieten, solange z.B. Banken auf Staatshilfe angewiesen sind.

  • Fazit: Der Staat hat sich nicht in die Dividendenpolitik von privaten Unternehmen einzumischen. Auch Verbote von Dividendenausschüttungen sind gefährlich, weil sie die Attraktivität von Aktien klar mindern. Davon werden auch Bankaktien in Staatsbesitz betroffen. Das gleiche Dividendenverbot müsste konsequenterweise auch für Kantonalbanken zutreffen. Damit verlieren Aktien an Wert und wenn Unternehmen wie derzeit die Banken neues Risikokapital suchen müssen, dann kommt dieses neue Eigenkapital wegen den gesunkenen Aktienkurse sehr teuer und führt bei den bestehenden Aktionären zu einer starken Gewinnverwässerung.

Eine nicht zu unterschätzende negative Rolle spielte im Zuge der Grossen Depression auch das Festhalten am Goldstandard. 1914 hatten sich die meisten Industrienationen darauf geeinigt, ein fixes Austauschverhältnis zwischen ihren Landeswährungen und dem Gold einzuhalten. Im Ersten Weltkrieg rückten die europäischen Länder von diesem Goldstandard ab, um uneingeschränkt Banknoten drucken zu können. Daraus resultierte in Europa eine Hyperinflation. Die USA hielten am Goldstandard fest, was viele Anleger dazu veranlasste ihr Gold in die USA zu verschieben. Nach dem Ersten Weltkrieg hielten einige wenige Länder zusammen mit den USA am Goldstandard fest. Andere führten zumindest temporär flexible Wechselkurse ein.

Die Dollarstabilität führte dazu, dass New York zum Weltfinanzzentrum aufrückte und London und in dieser Rolle ablöste. Einige Länder wollten damals auf Basis ihrer abgewerteten Währungen zum Goldstandard zurückkehren, andere wollten sich Grossbritannien anschliessen, das seine einstige Spitzenstellung im Finanzgeschäft mit einer Rückkehr zum Goldstandard auf Basis der Vorkriegswechselkurse anstrebte. Dies war jedoch nicht möglich, weil während des Krieges zu viel neues Geld geschaffen worden war und weil die US-Goldreserven um 40 Prozent u.a. auch wegen der Aufwertung von 20,67 Dollar auf 35 Dollar pro Unze zugenommen hatten.

Es war einfach nicht genügend Gold vorhanden, um den anderen Ländern eine Rückkehr zum Goldstandard zu ermöglichen. Deshalb wurde ein neues Währungssystem geschaffen, indem sich die Regierungen der USA und Grossbritanniens dazu bereit erklärten, US-Dollars und britische Pfunds jederzeit in Gold umzutauschen und die übrigen Länder verpflichteten sich, einen Grossteil ihrer internationalen Währungsreserven in USD oder GBP zu halten. Die Nachfrage nach Gold nahm zu, weil auch Länder wie Frankreich, die ihren Franc für unterbewertet hielten, zum Goldstandard zurückkehren wollten. Diese Unterbewertung führte zu grossen Aussenhandelsüberschüssen Frankreichs und letztlich zu einem Zufluss von Gold. 1928 erhöhte die US-Fed ihren Diskontsatz, jenen Zinssatz den die Notenbank für Kredite an ihre Mitgliedsbanken verlangt. Damit wollte die US-Regierung den Abfluss von Gold und die Spekulation an der Aktienbörse eindämmen.

Mit dieser Zinserhöhung gelang es den Goldabfluss wieder in einen Goldzufluss zu verwandeln. Bis 1929 verlor der Rest der Welt Gold an die USA, aber auch an Frankreich. Die Regierungen der Verliererländer reagierten mit Zöllen, Kontingenten und Abwertungen. Im September 1931 gab Grossbritannien den Goldstandard auf, was die US-Fed überraschenderweise erneut zu Zinserhöhungen zwang, um den Goldabfluss zu stoppen. Internationale Investoren befürchteten, dass auch die USA vom Goldstandard abrücken würde und der Dollar massiv abwerten würde. Deshalb tauschten sie ihre Dollar gegen physisches Gold ein. Die Zinserhöhungen trafen aber auch die inländischen Industrieunternehmen und Banken, die zuhauf pleite gingen. Erst 1932 schaffte die US-Fed mit Aufkäufen von Wertschriften vom Markt eine Entspannung am US-Kapitalmarkt.

  • Fazit: Eine Rückkehr zum Goldstandard oder der Ruf nach einer neuen internationale Weltfinanzordnung oder einer Weltfinanzaufsicht sind untaugliche Mittel zur Bewältigung von Finanzkrisen. Wenn nicht einmal nationale Aufsichtsorgane in der Lage sind, ihre eigenen Finanzinstitute zu überwachen, wie soll dann eine internationale Institution dazu in der Lage sein? Je grösser Währungsräume werden, umso unflexibler werden diese Volkswirtschaften, weil eine einheitliche Geldpolitik alle Regionen oder Länder gleichermassen trifft.

Die Krise in den USA schwappte 1929 auch auf andere Industrieländer über, obwohl damals die internationale Handelsverflechtung noch wesentlich geringer war als heute. Nach dem Ersten Weltkrieg baute die USA ihre Position im Welthandel aus und rückte bis 1929 hinter Deutschland und Grossbritannien auf Rang 3 vor (Weltmarktanteil 15 Prozent). Nicht nur im Warenhandel wurden Überschüsse erzielt. Die USA mutierte auch von einem Schuldnerland vor und während des Ersten Weltkrieges zu einem der grössten Gläubigerländer der Welt. Der weltwirtschaftliche Abschwung ging aber nicht alleine von den USA aus. Bereits 1928 befanden sich Deutschland, Brasilien und einige Volkswirtschaften in Südostasien in einer Rezession.  Die USA folgte Mitte 1929.

Abkoppelung ist eine Illusion

Noch in den 70er-Jahren machte der Welthandel weniger als 3 Prozent des Welt-BIP aus, heute sind es über 30 Prozent. Damit hat die Ansteckungsgefahr markant zugenommen und die derzeit weltweiten Hiobsbotschaften sind ein klares Indiz dafür, dass sich kaum ein Land von der US-Finanz- und Wirtschaftskrise abkoppeln kann. Als damals im Gefolge der US-Depression auch in den übrigen Industrieländern die Arbeitslosigkeit teils auf über 25 Prozent der Erwerbstätigen anstieg und das Bruttosozialprodukt der 16 führenden Industrieländer zwischen 1929 und 1932 um 17 Prozent, die Industrieproduktion um 30 Prozent fiel, verstrickten sich die grossen Volkswirtschaften in einen unsäglichen Handelskrieg. Ein Auslöser davon war der so genannte Smoot-Hawley Tariff Act, der am 17. Juni 1930 in Kraft gesetzt wurde, und die US-Zölle für über 20'000 Importgüter massiv von durchschnittlich 25,9 Prozent (1921 bis 1925) auf knapp über 50 Prozent (1931 bis  1935) heraufsetzte. Die Folge davon war, dass auch andere Länder ihre Zölle erhöhten, was wiederum die Exporte der USA von 5,2 Milliarden Dollar im Jahre 1929 bis 1933 auf noch 1,7 Milliarden mehr als halbierte. Aber auch die Importe halbierten sich in dieser Zeit.

Das Welthandelsvolumen fiel von 1929 bis zum Tiefpunkt der Rezession 1932 um 25 Prozent. Ein Rückgang in einem solchen Ausmass zeichnet sich zwar derzeit nicht ab, aber die sinkenden Exporte und Frachtraten sind klare Vorboten eines schrumpfenden Welthandels. Dazu kommen nun aber auch zusehends protektionistische Tendenzen in den USA, in Frankreich und in vielen Schwellenländern und die Verwer-fungen an der Währungsfront, die den Welthandel ebenfalls torpedieren. Die Wiederaufnahme der Doha-WTO-Verhandlungen ist jedenfalls nach wie vor unsicher, auch wenn nicht wenige Politiker diese Flucht nach vorne als Ausweg aus der Krise suggerieren.

Wie damals sind auch heute mehrere wichtige Länder im Inneren zerstritten und tendenziell unregierbar. In den USA, in Grossbritannien, Deutschland und Japan, aber auch in Indien sind Regierungen quasi auf Abruf im Amt. Diese Länder bekunden schon im Inland Mühe, mit der Krise fertig zu werden und auf dem internationalen Parkett hat die seit 1945 dominierende USA ihre wirtschaftliche Führungsrolle eingebüsst. Neue Grossmächte wie China, Indien, Brasilien und Russland, aber auch die Golfstaaten sind zu wichtigen Mitspielern der Weltwirtschaft geworden, was ein gemeinsames Vorgehen, sofern ein solches überhaupt zweckmässig erscheint, noch zusätzlich erschwert.

  • Fazit: Wenn Länder ihre Wirtschaftspolitik jahrzehntelang in den Dienst der Exportwirtschaft stellen, müssen sie sich über Rückschläge bei einer weltweiten Rezession nicht wundern. Vielleicht wäre es klüger, mehr Sorge zu den einheimischen KMU zu tragen, indem man diese von administrativem Ballast und komplizierten Steuersystemen befreit. Eine weitere Liberalisierung der Weltwirtschaft wird in einer ersten Phase nicht mehr Wachstum, sondern Anpassungskosten verursachen. Als Ausweg aus der globalen Wirtschaftskrise auf internationale Kooperation zu setzen, dürfte sich wie 1929 als Irrweg erweisen, weil im Krisenfall jedes Land und jede Regierung vorerst um ihr eigenes Wohl bedacht ist.

Im November 1932 kam es in den USA zu einem politischen Erdrutsch, als die Demokraten beide Häuser des Kongresses und das Weisse Haus eroberten. In der Folge entwarfen sie unter der Führung des Präsidenten Franklin Delano Roosevelt einen New Deal, der das Verhältnis zwischen Staat, Wirtschaft und Gesellschaft grundlegend neu regeln sollte. Mit Arbeitsbeschaffungsprogrammen zur Stärkung des privaten Verbrauchs, Staatsinvestitionen als Initialzündung für Investitionen der Wirtschaft, einer stärkeren Wertpapier- und Bankenaufsicht und der Einführung von Sozialversicherungen wollte er die Arbeitslosigkeit bekämpfen. Innerhalb von sechs Jahren wurden mehr als 120'000 öffentliche Gebäude, eine Million Kilometer neue Strassen und 80'000 Brücken gebaut und tatsächlich sank die Arbeitslosigkeit von 25 Prozent im Jahre 1933 temporär auf 14,3 Prozent im Jahre 1937. Dann stieg sie aber bis ins Jahr 1938 wieder auf 19 Prozent an.

«New Deal»-Neuauflage überflüssig

Mit der Wahl von Barack Obama zum neuen US-Präsidenten, erhoffen sich nun viele eine ähnliche Neuordnung der US- und der Weltwirtschaft oder zumindest eine Weltaufsicht über die Finanzmärkte. Eine Neuauflage des New Deal ist aber schon deshalb überflüssig, weil sämtliche Institutionen und Instrumente, die damals geschaffen wurden, immer noch vorhanden sind. Es gilt lediglich, diese geschickt einzusetzen, die Regulierung noch etwas intelligenter auszugestalten und vor allem die Kontrollen professionell durchzuführen und bei Fehlverhalten einzugreifen.

  • Fazit: Wenn man sich die damaligen Massnahmen des New Deal von Präsident Roosevelt vor Augen führt, deren Kernstücke der Agricultural Adjustment Act (AAA) und der National Industry Recovery Act (NIRA) bildeten, dann können diese kaum als Rezepte für die Bewältigung der heutigen Krise herangezogen werden. Während der AAA vor allem zur Produktionskürzung im Agrarsektor diente, um via Verknappung die Preise zu erhöhen, führte der NIRA zu einer Kartellisierung mit planwirtschaftlichen Zügen der US-Industrie, indem er der US-Industrie Preise und Mengen vorschrieb. Damit wurden ebenfalls Preiserhöhungen und nicht eine Erhöhung der Investitionen oder eine effizientere Produktion anvisiert. Die Einführung dieser beiden Gesetze würgte die sich zaghaft anbahnende Wirtschaftserholung vorerst wieder ab. Der oberste US-Gerichtshof erklärte dann auch beide Gesetze 1935 (AAA) und 1936 (NIRA) für verfassungswidrig.

Im Sommer 1935 erfolge ein weiterer Schlag gegen die US-Privatindustrie. Senator Robert Wagner lancierte den Union Labor Relations Act, um die Gewerkschaften zu stärken, indem deren Mehrheitsbeschlüsse allgemeinverbindlich wurden, was dann auch Lohnerhöhungen zur Folge hatte. Dazu kamen neue Sozialabgaben in den Jahren 1936 und 1937 und Präsident Roosevelt führte auch eine neue Steuer auf zurückbehaltene Unternehmensgewinne ein. Da diese drei Kostenfaktoren nicht durch höhere Preise oder höhere Absatzmengen kompensiert werden konnten, blieb den Unternehmern nichts anderes übrig als die Produktion zu kürzen und Leute zu entlassen.

Wenn heute Politiker nach einem neuen New Deal rufen, dann muss man sich fragen, was sie damit eigentlich fordern. Dass der New Deal alles andere als erfolgreich war, lässt sich an der Arbeitslosigkeit ablesen. Diese lag auch 1938, d.h. sechs Jahre nach Präsident Roosevelts Wahl, immer noch bei 19 Prozent. Sie sank erst mit den Vorbereitungen auf den Zweiten Weltkrieg zwischen 1940 und 1945 um 7 Millionen – unter anderem weil gleichzeitig der Armeebestand um 8,6 Millionen. aufgestockt wurde. Das BIP erreichte erst 1939 wieder das Niveau von 1929.

Als Erfolgsstory kann der New Deal angesichts dieser Fakten kaum bezeichnet werden.

 

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